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Medizin

Pferde haben nur sechs Stammväter

Das Genom heutiger Pferde zeigt deutlich die Spuren der menschlichen Zuchtstrategien

Heutige Pferde gehen auf nur sechs Stammväter zurück. Daran ist vor allem die Züchtung schuld. © SXC

Unsere heutigen Pferde gehen auf nur sechs Stammväter zurück. Das haben Wiener Forscher festgestellt, als sie das Erbgut von 600 Hengsten verschiedener Pferderassen verglichen. Das nur über die mütterliche Linie weitergebenen Erbgut der Pferde ist dagegen sehr variantenreich, es gab demnach viele Stammütter der heutigen Pferderassen. Wie die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“ berichten, zeigt dies den prägenden Einfluss der Zucht durch den Menschen.

Bei Säugetieren legt die Zusammensetzung bestimmter Gene in der Regel das Geschlecht fest: Weibchen haben zwei X-Chromosomen, Männchen ein X- und ein Y-Chromosom. Die Y-Chromosomen werden nur von Vätern an ihre Söhne weitergegeben. Deshalb bilden diese Chromosomen eine männliche Verwandtschaftslinie. Im Gegensatz dazu geben nur weibliche Säugetiere bestimmte Zellorganellen, die Mitochondrien, an ihre Nachkommen weiter. Denn die kleinen Zellkraftwerke haben ihre eigene DNA, die so mit der Eizelle weiter vererbt wird. Bekannt war bereits, dass diese mtDNA bei modernen Pferdearten sehr vielfältig ist. Folglich gehen diese auf viele verschiedene Stammmütter zurück.

Paradoxe Pferdegenetik

Bei den väterlich vererbten Y-Chromosomen sah dies jedoch anders aus: Bei Hengsten hatten Forscher schon früher nur sehr wenig genetische Variationen festgestellt. Das machte zum einen die Bestimmung männlicher Abstammungslinien bei Pferden bisher unmöglich, zum anderen schaffte die Einförmigkeit ein Paradoxon. Denn wie kann eine Tierart eine so enorme Fülle an weiblichen Abstammungslinien haben und gleichzeitig so wenige männliche Linien? Barbara Wallner und ihre Kollegen vom Institut für Tierzucht und Genetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien sind eben dieser Frage jetzt nachgegangen.

Die Fohlen haben häufig den selben Vater, aber verschiedene Mütter. © SXC

Wallner wählte dazu aus einer Gruppe europäischer Pferdezuchtlinien zunächst 17 Hengste aus. Dann analysierte sie deren DNA-Sequenz an mehreren, insgesamt 200.000 Basenpaare langen DNA-Abschnitten auf dem Y-Chromosom der Tiere. Das Ergebnis: Zwar ähnelten sich die Y-Chromosomen stark, fünf Regionen allerdings zeigten doch Abweichungen. „Diese Daten bestätigten, was wir schon vermutet hatten: Die Y-Chromosomen moderner Zuchtpferde weisen viel weniger Variation auf als die anderer domestizierter Tierarten“, sagt Wallner.

Doch die Forschenden gingen noch weiter: Sie nahmen die fünf identifizierten variablen Bereiche des Y-Chromosoms, auch Polymorphismen genannt, als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen. Durch vergleichende Genanalysen gruppierten sie über 600 Hengste aus 58 vor allem europäischen Pferderassen in eine Art Stammbaum. Dabei fanden sie sechs unterscheidbare Linien, so genannte Haplotypen. Diese kommen in verschiedenen Regionen und Pferdearten in unterschiedlicher Häufigkeit vor und lassen so Schlüsse auf die Verwandtschaftsbeziehungen unter ihnen zu.

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Vater von Generationen

Die Forscher kombinierten nun ihre Ergebnisse mit klassischer Ahnenforschung. Diese lässt sich bei Pferden recht gut betreiben, da die Zucht traditionell einer sehr strengen Kontrolle unterliegt. Viele Zuchtbücher gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Dabei machten die Forscher eine spannende Entdeckung: „Unsere Resultate sind faszinierend: Beispielsweise spiegelt das Y-Chromosom eindeutig den enormen Einfluss der aus dem Nahen Osten importierten Hengste auf die zentral- und westeuropäische Pferdepopulation wider“, so Wallner. Zudem sei einer der sechs Haplotypen auf den berühmten englischen Vollbluthengst Eclipse 1764 zurückzuführen. „Es ist verblüffend, zu sehen, wie groß der Einfluss dieser Zuchtlinie auf die modernen Sportpferde ist. Nahezu alle englischen Vollblutpferde sowie die Hälfte der modernen Warmblutpferdezüchtungen tragen den Eclipse-Haplotyp“, berichtet Wallner. Eclipse ist somit Vater ganzer Pferdegenerationen.

Der berühmte englische Volbluthengst Eclipse, gemalt von George Stubbs. © historisch / gemeinfrei

Die Erklärung dafür, dass bei den heutigen Pferden die mütterlichen Erblinien so viel variabaler sind als die männlichen, sehen die Forscher in den heutigen Züchtungsmethoden. Meist wird der Samen eines einzelnen Zuchthengstes dafür genutzt, um zahlreiche Stuten zu befruchten. Die resultierenden Fohlen haben zwar alle unterschiedliche Mütter, aber den gleichen Vater – und damit auch seine Gene. Zwar war dies auch schon bei den Wildpferden ähnlich: Der Leithengst deckt bei ihnen meist mehrere Stuten. Die modernen Pferdezucht hat dieses Ungleichgewicht aber noch weiter verstärkt, wie die Forscher erklären.

Grund sind heutige Züchtungsmethoden

Gottfried Brem, der Autor der Studie, kommentiert die Ergebnisse so: „Die meisten Pferdezuchtlinien entstanden in den vergangenen 200 Jahren. Während dieser Zeit änderte sich die Verwendung der Tiere vom Arbeitstier und Armeepferd hin zur heutigen Verwendung in Sport und Freizeit. Züchterisch wurde das durch die intensive und teilweise überregionale Verwendung von streng ausgesuchten Hengsten erreicht. Unsere Arbeit zeigt den maßgeblichen Einfluss dieser Zuchtstrategie auf die Y-chromosomale Vielfalt der modernen Gebrauchspferderassen.“ (PLOS ONE, 2013; doi: 10.1371/journal.pone.0060015)

(Veterinärmedizinische Universität Wien, 05.04.2013 – KBE)

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