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Neurologie

Nostalgie kann Schmerzen lindern

Anblick von erinnerungsträchtigen Bildern hemmt Schmerzweiterleitung im Gehirn

Nostalgie
Nostalgie kann Schmerzen lindern – das Gefühl hemmt die Schmerzweiterleitung im Gehirn. © vasiliki/ Getty images

Heilsame Wirkung: Nostalgische Gefühle tun nicht nur der Seele gut, sie können auch Schmerzen lindern, wie ein Experiment belegt. Demnach aktiviert der Anblick von erinnerungsträchtigen Bildern ein Zentrum im Gehirn, das wiederum Schaltkreise der Schmerzwahrnehmung hemmt. Als Folge spüren wir Schmerzen weniger stark, wie das Team im „Journal of Neuroscience“ berichtet. Nostalgie könnte sich demnach zumindest bei leichten Schmerzen als nichtmedikamentöse Therapie eignen.

Schmerz ist ein wichtiges Warnsignal unseres Körpers. Er wird daher von speziellen Sensoren, Nervenbahnen und Schaltkreisen in Körper, Rückenmark und Gehirn erzeugt und verarbeitet. Doch neben dem objektiven, reizbedingten Schmerzanteil gibt es auch eine rein neurologische Komponente. Sie entscheidet darüber, wie stark wir Schmerzen empfinden und ob sich ein Schmerz verselbstständigt und chronisch wird.

Nostalgische Gefühle im Hirnscanner

Einen Faktor, der die Schmerzempfindung dämpfen kann, haben nun Ming Zhang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen entdeckt. Ausgehend von dem Wissen, dass positive Gefühle die Schmerzwahrnehmung beeinflussen können, haben sie untersucht, welchen Effekt mit positiven Gefühlen verknüpfte Erinnerungen und im Speziellen das Gefühl der Nostalgie auf die Schmerzempfindlichkeit hat.

Für ihr Experiment untersuchten die Forschenden, wie stark Testpersonen einen Hitze-Schmerzreiz wahrnahmen, während ihre Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgezeichnet wurde. Die Teilnehmenden sollten die Intensität ihrer Schmerzen dabei auf einer Skala angeben. Der Clou dabei: Während dieser Tests sahen die Testpersonen mal neutrale Bilder, mal Bilder, die Kindheitserinnerungen weckten, beispielsweise von damals gängigen Süßigkeiten, Comics, oder Spielen.

Weniger Schmerzen bei Nostalgie

Es zeigten sich signifikante Unterschiede: Wenn die Testpersonen Bilder anschauten, die bei ihnen nostalgische Gefühle weckten, empfanden sie die Schmerzreize als weniger intensiv. Dieser schmelzlindernde Effekt der Nostalgie war vor allem bei schwächeren Reizen deutlich ausgeprägt, wie Zhang und seine Kollegen berichten. Das weckt die Frage, ob sich dieser Effekt auch im Gehirn widerspiegelt.

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Die Auswertung der Hirnscans ergab: Empfanden die Testpersonen nostalgische Gefühle, war bei ihnen der vordere Teil des Thalamus besonders aktiv. Dieses Areal gilt als Torhüter und Umschaltstelle für die Weiterleitung von Reizen zur Großhirnrinde – auch von Schmerzreizen. Doch wie Zhang und sein Team feststellten, beeinflusst die Nostalgie diese Weiterleitung. „Der Thalamus spielt eine Schlüsselrolle als zentrales Verbindungsstück für den schmerzlindernden Effekt“, erklärt Zhang.

SChmerzzentren
Zwei Schmerzzentren in der Großhirnrinde, der Gyrus lingualis und der Gyrus parahippocampalis, waren bei Nostalgie-empfindenden Probanden signifikant weniger aktiv. © Zhang et al./ Journal of Neuroscience

Thalamus hemmt Schmerzschaltkreise

Konkret enthüllten die fMRT-Scans, dass Nostalgie zunächst den vorderen Thalamus aktiviert. Dies wiederum führt dazu, dass die durch den hinteren Thalamus laufenden Schmerzreize nur begrenzt an zwei weitere Verarbeitungszentren in der Großhirnrinde weitergeleitet werden, den linken Gyrus lingualis und den Gyrus parahippocampalis. In beiden Zentren zeigte sich eine signifikant geringere Aktivität, wenn Testpersonen während des Schmerzreizes Nostalgie empfanden.

Nach Ansicht des Forschungsteams bestätigt dies nicht nur, dass Gefühle wie die Nostalgie unser Schmerzempfinden beeinflussen können – dieser Effekt könnte sich auch zur Schmerztherapie nutzen lassen. Vor allem bei leichten Schmerzen könnte das Heraufbeschwören positiver Erinnerungen demnach so weit schmerzlindernd wirken, dass Patienten auf Medikamente verzichten können. (Journal of Neuroscience, 2022; doi: 10.1523/JNEUROSCI.2123-21.2022)

Quelle: Society for Neuroscience, Chinese Academy of Sciences

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