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Medizin

Neuer Therapieansatz für Parodontitis?

Biegsame Polymer-Stäbchen setzen Antibiotika gegen die Entzündung gezielt im Mund frei

Zähne
Entzündetes Zahnfleisch: Jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat im Laufe seines Lebens mit Parodontitis zu tun. © iStock.com/ YanLev

Lokale Wirkung: Von Parodontitis geplagte Patienten müssen künftig vielleicht keine Antibiotika mehr gegen die Zahnfleischentzündung schlucken. Stattdessen könnten die Medikamente direkt im Mund freigesetzt werden. Als Verpackung dienen dabei Stäbchen aus biologisch abbaubaren Polymeren. Sie werden direkt in die Zahnfleischtaschen gesteckt und geben den Wirkstoff nach und nach ab. Dies würde die Antibiotika-Therapie deutlich verträglicher machen, wie Forscher berichten.

Parodontitis ist ein regelrechtes Volksleiden. In Deutschland entwickelt jeder zweite Erwachsene im Laufe seines Lebens eine solche durch Bakterien verursachte Entzündung des zahnumgebenden Gewebes. Was mit harmlosen Symptomen wie Zahnfleischbluten beginnt, führt nach und nach zu einem Abbau des Zahnknochens und der Zahnhaltefasern. Dabei bildet sich häufig ein Spalt zwischen Zahnfleisch und Zahn – eine sogenannte Zahnfleischtasche entsteht. Je weiter der Knochen abgebaut wird, desto weniger Halt hat der Zahn und im Extremfall fällt er schließlich aus.

Doch der Zahnverlust ist nicht die einzige Gefahr: „Durch die großen Wundflächen ist die Barrierefunktion des Körpers stark gestört, sodass vermehrt Stoffe und Bakterien in den Körper gelangen“, erklärt Karsten Mäder von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Als Folge kann sich die Entzündung auf den gesamten Organismus ausweiten und zum Beispiel Herzinfarkte oder Lungenentzündungen begünstigen.

Stabiler komplex

Um dies zu verhindern, bekommen Patienten mit schwerer Parodontitis neben der regelmäßigen Zahnreinigung oftmals Antibiotika verordnet. Das Problem dabei: Die Einnahme dieser Mittel in Tablettenform belastet den ganzen Körper und kann unangenehme Nebenwirkungen haben. Besser wäre es, wenn die Medikamente stattdessen lokal wirken würden – dies würde nebenbei auch das Risiko für die Resistenzbildung mindern.

Ein Forscherteam um Mäder und Erstautor Martin Kirchberg hat nun eine Lösung entwickelt, die genau das künftig möglich macht. Dafür kombinierten sie das Breitband-Antibiotikum Minocyclin zunächst mit Magnesiumstearat zu einem Komplex. Dadurch entstand eine stabilere Verbindung, wie Mäder berichtet. „Der Komplex setzt das Antibiotikum langsam frei, und zwar an Ort und Stelle.“

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Biegsam und flexibel kürzbar: In diesen Polymer-Stäbchen steckt ein Antibiotikum gegen die Zahnfleischentzündung. © MLU/Fakultätsmarketing NF1

In Stäbchen verpackt

Wie aber bekommt man den Wirkstoff gezielt an die entzündeten Stellen im Mund? Um dies zu erreichen, nutzten die Wissenschaftler biegsame Stäbchen aus biologisch abbaubaren Polymeren. Diese dienen als Verpackung für den Wirkstoffkomplex und können einfach in die Zahnfleischtaschen hineingeschoben werden. Experimente ergaben: Mithilfe der Polymer-Stäbchen kann das Antibiotikum über einen Zeitraum von 42 Tagen in kontrollierten Dosen freigesetzt werden. „Die Stäbchen sind damit deutlich länger wirksam als bisherige Marktprodukte“, sagt Kirchberg.

Er und seine Kollegen testeten unterschiedliche Zusammensetzungen, bis sie schließlich die richtige Balance zwischen Festigkeit, Biegsamkeit und Haltbarkeit der Stäbchen erreicht hatten. Ein Patent für ihre Entwicklung ist bereits angemeldet, nun sollen klinische Studien den Nutzen der Behandlungsmethode bestätigten.

In wenigen Jahren marktreif?

Die Forscher glauben, dass die mit Antibiotika beladenen Stäbchen schon in wenigen Jahren marktreif sein und in den Mündern der ersten Patienten stecken könnten. Denn alle Inhaltsstoffe und auch die Herstellungsmethoden sind bereits bewährt und auf dem Markt verfügbar. Schaffen die Stäbchen den Weg in die Praxis, könnte Menschen mit Parodontitis in Zukunft eine besser verträgliche Behandlungsmethode zur Verfügung stehen, so die Hoffnung des Teams. (International Journal of Pharmaceutics, 2019; doi: 10.1016/j.ijpharm.2019.118794)

Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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