Anzeige
Medizin

Neuartiges Gel hemmt Parodontose

Rezeptor-Blockade in der Mundschleimhaut verhindert Entzündung und Knochenschwund

ZAhnfleisch
Zahnfleischentzündungen und Parodontose sind bisher oft schwer zu behandeln. Jetzt haben Forschende ein vielversprechendes Gegenmittel entdeckt. © zlikovec/ iStock.com

Gegen die Zahnfleischentzündung: US-Forscher könnten ein neues, effektiv wirkendes Mittel gegen die Parodontitis gefunden haben. Das von ihnen entwickelte Gel blockiert einen bestimmten Rezeptor in der Mundschleimhaut und stoppt dadurch die entzündungsfördernden Prozesse. Im Test verhinderte das Auftragen dieses Gels bei Mäusen die Entzündung, den Knochenabbau und hemmte zudem die Vermehrung der Parodontitis-fördernden Mundbakterien, wie das Team berichtet.

Parodontose, fachsprachlich Parodontitis, ist eine Volkskrankheit: Fast die Hälfte aller Menschen entwickelt mit der Zeit Zahnfleischentzündungen. Halten sie dauerhaft an, kann eine solche Periodontitis im Extremfall sogar zum Schwund des Kieferknochens und zum Zahnausfall führen. Chronische Zahnfleischentzündungen stehen zudem im Verdacht, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Alzheimer zu fördern.

Parodontose
Parodontitis führt zu Zahnfleischentzündungen und Abbau des Kieferknochens. Im Extremfall fallen dadurch die Zähne aus. © TefiM/ GettyImages

Das Problem: Bei hartnäckigen Periodontitis-Fällen können selbst Antibiotika und gute Mundhygiene die Entzündung immer nur zeitweise eindämmen. „Bisher gibt es keine Behandlung, die die Entzündung und den Knochenschwund hemmt und auch die gestörte Mundflora wieder normalisiert“, sagt Erstautor Yuqi Guo von der New York University.

Succinat als Entzündungshelfer

Doch das könnte sich in Zukunft ändern. Denn Guo und sein Team haben einen neuen Ansatz gegen die hartnäckige Paradontitis entdeckt. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass Parodontose-Patienten oft auffällig erhöhte Werte von Succinat in ihren Zahnfleischtaschen zeigen. Dieses Stoffwechselprodukt wird sowohl vom Zahnfleischgewebe als auch von der Mundflora abgegeben und steht im Verdacht, die Zahnfleischentzündung und krankhafte Dysbalance der Mundflora zu fördern.

Guo und sein Team haben daher in Zellkulturen und Mäusen zunächst untersucht, welche physiologische Reaktionen das Succinat auslöst. Dabei stellten sie fest, dass ein bestimmter Rezeptor auf den Zellen der Mundschleimhaut eine entscheidende Rolle spielt: Deaktivierten sie diese SUCNR1 genannte Andockstelle durch eine Genblockade, entwickelten Mäuse trotz gleich hoher Succinatwerte keinen Knochenschwund und auch die Zahnfleischentzündung fiel schwächer aus.

Anzeige

Rezeptorblockade hemmt Paradontitis

Dies bestätigte sich auch in einem weiteren Test: Verabreichten die Forschenden ihren Mäusen zusätzlich Succinat, verschlimmerte sich die Parodontose bei den Kontrollmäusen. Bei den Tieren mit dem blockierten Succinat-Rezeptor zeigten sich hingegen keine negativen Auswirkungen: „Die SUCNR1-KO-Mäuse waren gegen die Succinat-Gabe resistent und zeigten genauso wenig Knochenschwund wie gesunde Kontrolltiere“, berichten Guo und sein Team.

Auch die Mundflora blieb bei diesen Mäusen „normaler“: Während bei hartnäckiger Paradontitis vermehrt pathogene Bakterien aus den Gruppen der Bacteroidetes und Saccharibacteria vorkommen, war dies bei den Mäusen mit der Succinat-Rezeptorblockade nicht der Fall. „Diese Ergebnisse sprechen stark dafür, dass die Aktivierung des Succinat-Rezeptors die Manifestation von Parodontitis fördert“, konstatieren die Forschenden. „Die Blockade von SUCNR1 verringert dagegen die Anfälligkeit für Parodontitis signifikant.“

Gel
Das transparente Gel in diesen Gefäßen enthält einen neuartigen Wirkstoff gegen Parodontitis. © Yuqi Guo

Wirkstoff-Gel mit dreifach positivem Effekt

Ausgehend von diesen Erkenntnissen haben die Wissenschaftler ein Gel entwickelt, das sich einfach auf das Zahnfleisch auftragen lässt und dessen Wirkstoff ebenfalls den Succinat-Rezeptor blockiert. In Tests mit Mäusen und Kulturen menschlicher Zellen erweis sich auch dieses Gel als wirksam: Mäuse, die jeden zweiten Tag dieses Gel erhielten, entwickelten eine deutlich schwächere lokale und systemische Entzündung und auch der Knochenschwund im Kiefer war deutlich reduziert.

Ähnlich wie bei der Genblockade des Succinat-Rezeptors wirkte sich das Hemmstoff-Gel auch positiv auf die Mundflora aus: Der Anteil der krankmachenden und entzündungsfördernden Bacteroidetes-Mikroben ging innerhalb weniger Tage stark zurück. „Das Gel verändert die Mikrobengemeinschaft durch Regulation der Entzündung“, erklärt Guos Kollege Deepak Saxena.

Hoffnung auf neue Paradontitis-Therapie

Nach Ansicht des Forschungsteams eröffnet ihr Wirkstoff-Gel eine vielversprechende Chance, die hartnäckige Paradontitis effektivier als bisher zu bekämpfen. „Die Blockade des Succinat-Rezeptors durch diesen neuen Wirkstoff hat einen klaren therapeutischen Wert, um Zahnfleischentzündungen gezielter und einfacher zu bekämpfen als bisher“, sagt Ko-Erstautor Xin Li von der New York University.

Die Wissenschaftler planen nun weitere Tests an Tieren, um die beste Dosierung und Zeitabstände der Behandlung herauszufinden. Ihr längerfristiges Ziel ist es, das Gel so zu optimieren, dass es in schwächerer Form von jedem Menschen zuhause selbst angewendet werden kann. Eine stärker dosierte Form könnte bei starker Paradontitis von Zahnmedizinern gezielt in die Zahnfleischtaschen eingebracht werden. Bis es soweit ist, wird es allerdings noch einige Zeit dauern. (Cell Reports, 2022; doi: 10.1016/j.celrep.2022.111389)

Quelle: New York University

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

keine Buchtipps verknüpft

Top-Clicks der Woche