Anzeige
Medizin

Mundbakterien als Auslöser von Alzheimer?

Pardontitiserreger könnten am Entstehen und Fortschreiten der Demenz beteiligt sein

Mundbakterien
Welche Rolle spielen Mundkeime für Alzheimer? © iLexx/ iStock.com

Bakterielle Übeltäter: Eine gute Mundhygiene schützt womöglich auch vor Alzheimer. Denn wie eine Studie nahelegt, können als Parodontitis-Verursacher bekannte Keime auch ins Gehirn gelangen und dort krankhafte Veränderungen auslösen. Verantwortlich dafür scheinen von den Bakterien produzierte giftige Enzyme zu sein. Die gute Nachricht: Sie lassen sich mithilfe eines Hemmstoffs offenbar erfolgreich blockieren.

Die genauen Ursachen und Auslöser der Alzheimer-Erkrankung sind bis heute unbekannt. Klar ist zwar, dass eine gewisse genetische Veranlagung bei der Entstehung dieser Demenz mitmischt. Doch zahlreiche andere Faktoren könnten ebenfalls eine Rolle spielen. Diskutiert wird beispielsweise ein Einfluss von Rauchen, Stress, der Ernährung und sogar Feinstaub und Aluminium. Auch Krankheitserreger wie Viren und Bakterien geraten immer wieder als mögliche Mitverantwortliche in Verdacht.

In diesem Kontext ist in letzter Zeit eine Mikrobe in den Fokus von Forschern gerückt, die sich im Mund zahlreicher Menschen tummelt: Porphyromonas gingivalis. Diese Bakterienart ist eigentlich als Verursacher von Zahnfleischentzündungen und Parodontitis bekannt. Interessanterweise scheinen Patienten mit schwerer Parodontitis jedoch auch auffällig häufig an Alzheimer zu erkranken. Entfaltet der Keim womöglich auch im Gehirn seine schädliche Wirkung?

Parodontitiserreger im Gehirn

Erste Hinweise darauf lieferten bereits Experimente mit Mäusen. Demnach kann der Erreger tatsächlich vom Mund ins Gehirn gelangen und dort Infektionen verursachen. Nun präsentieren Stephen Dominy vom Pharmaunternehmen Cortexyme in South San Francisco und seine Kollegen einen weiteren Beleg für einen Zusammenhang zwischen den Parodontitis-Verursachern und Demenz.

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler zunächst Gehirngewebe von verstorbenen Alzheimer-Patienten und gesunden Menschen. Dabei stellten sie fest: Im Vergleich zu den Gesunden fand sich im Gewebe der Erkrankten deutlich häufiger DNA von Porphyromonas gingivalis. Auch sogenannte Gingipaine ließen sich in den Proben der Demenzkranken auffällig oft nachweisen. Es handelt sich dabei um von den Mikroben produzierte gifte Enzyme.

Anzeige

Giftige Enzyme

Hinweise auf die Anwesenheit dieser Gingipaine fanden sich bei 51 der 53 Alzheimer-Patienten, wie Dominy und sein Team berichten. Je krankhafter das Gehirn verändert war, desto höher war dabei offenbar die Belastung mit den bakteriellen Enzymen. Damit schien nun klar: Es könnte tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Mundbakterium und der Entstehung und dem Fortschreiten von Alzheimer geben.

Doch was bewirkt Porphyromonas gingivalis im Denkorgan genau? Versuche mit Mäusen zeigten, dass die von den Bakterien im Gehirn freigesetzten Gingipaine Entzündungsreaktionen und die vermehrte Bildung von Beta-Amyloid auslösen – krankhafte Ablagerungen dieses Eiweißstoffs sind typisch für die Alzheimererkrankung. Zusätzlich schädigen die Enzyme auch die fadenförmigen Tau-Proteine. Sie sind für die Funktionsfähigkeit der Neuronen von entscheidender Bedeutung und stellen den zweiten fehlgebildeten Proteintyp im Gehirn von Alzheimer-Patienten dar.

Molekül stoppt schädlichen Prozess

In einem nächsten Schritt untersuchten die Wissenschaftler, ob sich die schadhaften Gingipaine im Gehirn bekämpfen lassen. Zu diesem Zweck entwickelten sie ein Molekül, das die Blut-Hirn-Schranke passieren und die Aktivität der Enzyme blockieren kann. Wurde mit Porphyromonas gingivalis infizierten Nagern dieser Wirkstoff oral verabreicht, sank die Bakterienlast in ihrem Gehirn deutlich. Als Folge kam es auch zu weniger Beta-Amyloid-Ablagerungen und es blieben mehr Neuronen funktionsfähig. Breitspektrum-Antibiotika zeigten sich im Gegensatz dazu wenig wirksam, da die Bakterien schnell Resistenzen entwickelten.

„Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine Behandlung mit Gingipain-Inhibitoren die Neurodegeneration bei infizierten Alzheimer-Patienten verlangsamen könnte“, resümieren die Forscher. Sie haben nun bereits klinische Untersuchungen begonnen, die das Potenzial ihres neuen Wirkstoffs bestätigen sollen.

Vorsorge durch Zähneputzen

Zusätzlich zeigen die neuen Erkenntnisse Möglichkeiten zur Prävention auf: „Regelmäßig Zähneputzen und Zahnseide benutzten“, empfiehlt Mitautor Piotr Mydel von der Universität Bergen. Zwar sind die Parodontitiserreger mit Sicherheit nicht die einzigen Verursacher von Alzheimer, wie der Forscher betont. Trotzdem sollten gerade Menschen mit Zahnfleischproblemen und einer familiären Vorgeschichte in Sachen Demenz regelmäßig zur professionellen Zahnreinigung gehen, so sein Tipp. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aau3333)

Quelle: Universität Bergen

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Alzheimer - Neue Hoffnung im Kampf gegen den Hirnschwund?

News des Tages

Feldhase

Genom des "Osterhasen" entschlüsselt

Erstes Bild der Magnetfelder ums Schwarze Loch

Ägypten: Wandbilder aus der Totenstadt

Wie das Klima den antarktischen Zirkumpolarstrom beeinflusst

Bücher zum Thema

Alzheimer - Spurensuche im Niemandsland von Michael Jürgs

Medizin für das Gehirn - Hrsg. Spektrum der Wissenschaft

Welt der Bakterien - Die unsichtbaren Beherrscher unseres Planeten

Top-Clicks der Woche