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Medizin

Molekulare Schalter überführen Krebs

Krebsfrüherkennung zukünftig durch Bluttest möglich?

Viele Krebsarten sind heute heilbar – wenn die Tumoren rechtzeitig erkannt werden. Künftig könnte hierfür ein einfacher Bluttest ausreichen: Eine neue Methode zur Krebsfrüherkennung, die ohne Biopsie auskommt, steht im Zentrum eines vom Bundesforschungsministerium mit 2,7 Millionen Euro geförderten Projektes, an dem Saarbrücker und Bremer Forscher zur Zeit arbeiten.

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Basis des Vorhabens des Genetikers Prof. Jörn Walter und der von ihm mitgegründeten Berliner Firma Epigenomics ist die Epigenetik – nach der Entzifferung des menschlichen Genoms ist diese Forschungsrichtung, die sich damit befasst, wie die in den Genen liegende Information abgelesen und weiterverarbeitet wird, der Schlüssel zu bislang noch ungelüfteten Geheimnissen des Lebens – etwa des Wachstums, des Alterns oder auch der Entstehung von Krankheiten.

Zellen überführen Krebs

Für eine frühe Diagnose einiger Krebsarten machen sich die Forscher eine Eigenart der Tumoren zu Nutze: Sie geben Zellen ins Blut ab. Diese Spur kann den Krebs überführen, da in diesen Zellen häufig spezielle Gene angeschaltet sind, die ein unkontrolliertes Wachstum der Tumorzellen ermöglichen. Die Fehlfunktion lässt sich mit Hilfe epigenetischer Analysen an den Genen sichtbar machen; erforderlich sind hierfür lediglich einige Tropfen Blut. Normalerweise sorgen molekulare „Schalter“, so genannte DNA-Methylierungen*, dafür, dass die Informationen geordnet angeschaltet und abgelesen werden. Entlang der Chromosomen geben diese Schalter die richtigen „An“- und „Aus“-Befehle und es entsteht aus der Vogelperspektive ein für jede Zelle charakteristischer Ablese-Code.

Enzymcocktail überträgt Methylierungsmuster

Professor Walter hat bereits vor einiger Zeit gemeinsam mit Forscherkollegen eine Technik entwickelt, die es möglich macht, diese Codes zu lesen. Die Wissenschaftler blicken regelrecht in die Zellen hinein und sehen, ob die epigenetischen Ablese-Programme fehlerhaft oder korrekt sind. Allerdings sind die bisher zur Verfügung stehenden Methoden noch nicht empfindlich genug, um die wenigen entarteten Krebszellen im Blut aufzuspüren. Hier setzen die Forscherteams aus Saarbrücken, Berlin und Bremen jetzt an: Gemeinsam arbeiten sie an einer grundlegend neuen Methode, durch die die Methylierungs-Codes im Reagenzglas vervielfältigt und besser sichtbar gemacht werden sollen. Durch diese neue Möglichkeit, die winzigen Krebs-Spuren zu erkennen und zu untersuchen, können die Codes verdächtiger Krebszellen dann ähnlich wie Fingerabdrücke in einer Fahndungsliste katalogisiert werden.

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Mit ihrem Verfahren betreten die Wissenschaftler Neuland: Bei der bereits existierenden DNA-Kopiermethode, der so genannten Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR), werden nämlich die epigenetischen Informationen, die auf der DNA aufsitzen, nicht mitkopiert. Die Forscherteams wollen nun einen neuartigen Cocktail von Enzymen entwickeln, in dem besondere Komponenten in die Kettenreaktion mit eingebaut werden, die die Methylierungen und damit die Ablese-Codes erhalten. So wird in jedem Kopierschritt der DNA-Bausteine auch das alte Methylierungs-Muster im Reagenzglas kopierbar.

Die Arbeitsgruppe um Professor Walter wird darüber hinaus im Rahmen des Projekts Hefen, die normalerweise keine Enzyme für Methylierungskopien besitzen, mit eben solchen Enzymen von Säugern und auch vom Menschen ausstatten. Walter hofft, so ein „lebendes“ Kopiersystem in der Hefe zu etablieren, das eine Vervielfältigung menschlicher Methylierungs-Muster in Hefezellen ermöglicht. Hierdurch würden Krebszellen-Referenzbanken möglich, die einen unverfälschten Eindruck von den menschlichen Zell-Informationen und ihrem methylierten Zustand wiedergeben. Solche Banken könnten dann als epigenetisches Krebsregister fungieren.

Zusätzlich zu der bio-medizinischen Bedeutung des Projekts im Bereich der Diagnose erhofft sich Walter auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Evolution von genetischen Kontrollmechanismen: Den Saarbrücker Epigenetiker interessieren bei dem Vorhaben auch grundlegende biologische Fragen, etwa wie Hefezellen reagieren, wenn sie ein fremdes Kopiersystem „eingepflanzt“ bekommen oder warum einige Organismen ein solches Kopiersystem besitzen und andere nicht.

(Universität des Saarlandes, 17.06.2004 – NPO)

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