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Medizin

Mit vier Bakterien gegen Asthma

Darmflora bei Säuglingen liefert vielversprechenden Ansatz für eine vorbeugende Therapie

Darmbakterien, hier Escherichia coli. © iStock.com

Mikrobielle Schutztruppe: Die Gabe von nur vier Bakteriensorten könnte Kinder vielleicht gegen Asthma schützen. Denn wenn diese Darmkeime einem Säugling in den ersten drei Lebensmonaten fehlen, dann steigt sein späteres Asthmarisiko deutlich an, wie Forscher entdeckt haben. Im Tierversuch hat eine solche „Bakterienimpfung“ gegen Asthma schon funktioniert. Jetzt muss getestet werden, ob das auch beim Menschen klappt, so die Forscher im Fachmagazin „Science Translational Medicine“.

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Asthma ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern der westlichen Industrieländer. Die Ursachen dafür sind nicht vollständig geklärt, man weiß aber, dass neben der genetischen Veranlagung auch Umweltfaktoren wie Feinstaub, die Ernährung des Kindes, der fehlende Kontakt mit bestimmten Bakterien und vorgeburtliche Einflüsse eine Rolle spielen. Viele dieser Einflüsse beeinflussen das Mikrobiom des Kindes – die Bakterien, die in und an seinem Körper leben.

Marie-Claire Arrieta von der University of British Columbia in Vancouver und ihre Kollegen haben nun einen weiteren Faktor entdeckt, der einen Ansatz für eine vorbeugende Therapie gegen Asthma liefern könnte. In ihrer Studie analysierten sie Bakterien im Kot von drei Monate alten Säuglingen und verfolgten in den folgenden drei Jahren, ob diese Kinder Ekzeme oder ein pfeifendes Atemgeräusch entwickelten – beides gilt als Indiz für ein erhöhtes Asthmarisiko.

Unterschiede bei vier Bakteriengruppen

Dabei stießen die Forscher auf einen auffallenden Zusammenhang: Die Kinder, die später Voranzeiger für Asthma entwickelten, unterschieden sich schon als Säuglinge von ihren Altersgenossen: Die Menge von vier Bakteriengattungen – Faecalibacterium, Lachnospira, Veillonella und Rothia (FLVR) – waren in ihrem Kot und damit in ihrem Darm signifikant reduziert.

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Gleichzeitig enthielt der Kot dieser Kinder weniger Acetat, wie die Forscher feststellten. Diese kurzkettigen Fettsäuren sind ein Stoffwechselprodukt bestimmter Darmbakterien. Erst vor kurzem hateine Studie gezeigt, dass eine Darmflora, die viel Acetat produziert, sich günstig auf das Asthmarisiko auswirkt. Schon eine Gabe von Acetat pur mit dem Trinkwasser schützte Mäuse zudem vor der Erkrankung.

„Impfung“ mit Keimen wirkt schützend

Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass nicht nur die Umwelt und die Bakterien der Atemwege wichtig für das Asthmarisiko bei Kindern sind, sondern auch ihre Darmflora in der frühesten Kindheit. „Unserer Ergebnisse sprechen dafür, dass die ersten 100 Tage des Lebens ein kritisches Fenster darstellen, in denen die Darmflora mit dem Risiko von Asthma und Allergien verknüpft ist“, konstatieren die Forscher.

Dass es hier tatsächlich einen ursächlichen Zusammenhang gibt, belegten sie mit einem ergänzenden Versuch mit Mäusen: Verabreichten sie keimfreien, neugeborenen Mäusen einen Bakteriencocktail aus dem Kot der asthmagefährdeten Säuglinge, reagierten diese auf eine Reizung ihrer Atemwege mit einer starken entzündlichen Reaktion. Bekamen sie vorher jedoch eine Impfung mit den vier FLVR-Bakteriengattungen, blieb die asthmaähnliche Reaktion bei den Mäusen aus.

Hoffnung auf eine vorbeugende Therapie

„Diese Entdeckung eröffnet uns neue Wege, um diese für viele Kinder lebensbedrohliche Erkrankung zu verhindern“, sagt Koautor Stuart Turvey von Children’s Hospital in Vancouver. „Sie zeigt, dass es ein kurzes, rund 100 Tage weites Fenster gibt, in denen wir Babys vorbeugend gegen Asthma behandeln können.“

Möglicherweise, so hoffen die Forscher, könnte eine frühe Gabe der fehlenden Mikroben bereits dazu beitragen, die Kinder später vor Asthma zu bewahren. Noch muss dies zwar in Studien überprüft werden. Die Ergebnisse wecken aber die Hoffnung, durch solche und ähnliche probiotische Behandlungen die Entstehung von Asthma und anderen allergischen Erkrankungen verhindern zu können. Zudem könnte eine Analyse der Darmflora bei Säuglingen bei helfen, schon früh die besonders gefährdeten Kinder herauszufinden. (Science Translational Medicine, 2015; doi: 10.1126/scitranslmed.aab2271)

(University of British Columbia, 01.10.2015 – NPO)

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