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Medizin

Mikroplastik selbst in unseren Geweben

Forscher weisen Kunststoffpartikel in menschlicher Lunge, Leber, Milz und Niere nach

Mikroplastik
Mikroplastik ist allgegenwärtig – und es steckt auch schon in uns. © pcess609/ iStock.com

Mikroplastik steckt längst tief in unseren Organen und Geweben, wie nun eine Studie enthüllt. Dabei haben Forscher die winzigen Plastikpartikel in allen untersuchten Proben menschlicher Lungen, Lebern, Nieren und Milz nachgewiesen. Auch der Kunststoffzusatz Bisphenol A wurde in allen Organen gefunden. Ob und welche Gesundheitsfolgen diese Kontamination hat, ist noch völlig unbekannt.

Ob im Ozean, im Trinkwasser oder in unserer Nahrung: Mikroplastik findet sich längst überall. Die winzigen Kunststoffpartikel werden über Wasser und Luft verteilt und gelangen über die Nahrungskette auch in unseren Körper. Schätzungen zufolge nimmt jeder Menschen im Schnitt rund 100.000 solcher Partikel pro Jahr auf – mindestens. Und auch im menschlichen Kot haben Forscher schon Mikroplastik nachgewiesen.

Fahndung in Lunge, Leber, Niere und Milz

Jetzt zeigt sich, dass die winzigen Plastikpartikel längst auch in unseren Geweben und Organen stecken. Für ihre Studie hatten Charles Rolsky von der Arizona State University und seine Kollegen 47 menschliche Gewebeproben auf Mikroplastik hin untersucht. Die Proben aus Lunge, Niere, Milz und Leber waren ursprünglich bei Biopsien von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen entnommen worden und werden nun für die Forschung aufbewahrt.

Um dem Mikroplastik in den Organen auf die Spur zu kommen, entwickelten die Forscher eine Methode, das Gewebe so aufzubereiten, dass sie die Plastikpartikel – so vorhanden – mittels Raman-Spektrometrie nachweisen konnten. Dies ermöglichte es ihnen, auch Kunststoffsorten wie Polycarbonat, Polyethylenterephthalat (PET) oder Polyethylen (PE) zu unterschieden und zu identifizieren.

Mikro- und Nanoplastik in allen Proben

Das Ergebnis: In allen untersuchten Gewebeproben wiesen die Wissenschaftler Mikro- und Nanoplastik nach, wie sie nun auf der virtuellen Jahrestagung der American Chemical Society berichten. Auch den Kunststoffzusatzstoff Bisphenol A fanden sie in allen vier untersuchten Organen und allen 47 Proben. Dies sei eine der ersten Studien, die die allgegenwärtige Plastikverschmutzung auch in unseren eigenen Geweben und inneren Organen nachweise, so die Forscher.

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„Ich möchte nicht alarmistisch sein, aber es ist schon besorgniserregend, dass diese nicht biologisch abbaubaren Materialen auch in menschliche Gewebe eindringen und sich dort anreichern können“, sagt Rolskys Kollege Varun Kelkar. „Zu diesem Zeitpunkt wissen wir nicht, ob dieses Plastik in uns harmlos ist oder aber eine ernsthafte Gesundheitsgefahr darstellt.“

Gesundheitliche Folgen unbekannt

Bisherige Studien an Wildtieren und Tierversuche legen zwar nahe, dass die Aufnahme von Mikro- und Nanoplastik zu Entzündungen, Krebs und Unfruchtbarkeit führen kann. Ob dies aber auch für den Menschen gilt und welche Mengen an Kunststoff und Kunststoffzusatzstoffen dafür im Körper präsent sein müssen, ist bislang völlig ungeklärt. Auch wie die Partikel in den verschiedenen Organen konkret wirken, weiß man zurzeit noch nicht.

Möglicherweise könnten die jetzt untersuchten Gewebeproben darüber Aufschluss geben: „Die Gewebespender haben detaillierte Informationen über ihre Lebensweise, ihre Ernährung und mögliche Belastungen am Arbeitsplatz gegeben“, erklärt Projektleiter Rolf Halden. „Deshalb könnten unsere Studien erste Hinweise zu den potenziellen Quellen und Aufnahmewegen des Mikro- und Nanoplastiks geben.“

Die Forscher hoffen, dass weitere Tests mehr Aufschluss darüber geben, wie stark die Organe von Menschen aus verschiedenen Regionen und mit unterschiedlicher Lebensweisen durch Mikro- und Nanoplastik belastet sind. „Dann können wir Studien durchführen, mit denen wir die Gesundheitsfolgen abschätzen können“, sagt Kelkar. „Auf diese Weise können wir allmählich ehrausfinden, wo die potenziellen Risiken liegen.“ (American Chemical Society Fall 2020 Virtual Meeting)

Quelle: American Chemical Society

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