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Medizin

Membranprotein als Tumormarker

Neue Erkenntnisse für eine maßgeschneiderte Behandlung menschlicher Tumore

Einfärbung einer Gewebesektion eines Patienten mit Rhabdomyosarkom. Die Bindung eines Eag1-spezifischen Antikörpers, der an die alkaline Phosphatase angehängt ist, ruft eine Farbreaktion hervor und erscheint in der Abbildung als dunkelblaue Verfärbung. Die Verfärbungen markieren ausschließlich Tumorzellen, wohingegen das angrenzende gesunde Gewebe nicht gekennzeichnet ist. Der Eag1-Antikörper markiert somit deutlich den Tumor. © Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin

Ein bestimmtes Protein der Zellmembran, der so genannte Eag1-Kanal, tritt in Tumorzellen gehäuft auf und spielt offenbar eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krebs. Dies hat jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam entdeckt. Die Forscher haben damit jedoch nicht nur einen neuen Ansatz zum Nachweis und zur Diagnose von Krebs gefunden. Da eine Eag1-Hemmung zu einer Verminderung des Tumorwachstums führt, könnte das Kanalprotein auch einen viel versprechenden Ansatz für die maßgeschneiderte Behandlung menschlicher Tumore darstellen.

Ionenkanäle spielen oft eine Rolle bei der Entstehung verschiedener Krankheiten. Sie sind als Ziele für Therapiemaßnahmen gut geeignet, da es sich um leicht zugängliche, an der Zelloberfläche exprimierte Moleküle handelt, die mithilfe von Medikamenten relativ leicht anzugreifen sind. Über eine Reihe von Ionenkanälen weiß man bereits, dass sie mit Tumoren in Verbindung stehen. Eag1 ist nun der erste Ionenkanal, der direkt mit der Tumorprogression zusammenhängt.

Keine unerwünschten Nebenwirkungen?

Mit genetischen Methoden (reverse transcription real-time PCR) und speziell erzeugten und modifizierten monoklonalen anti-Eag1-Antikörpern haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass die Expression des humanen Eag1-Kaliumkanals, auch bekannt als KCNH1 oder Kv10.1, normalerweise auf spezifische Hirnregionen und vereinzelte bestimmte Zellpopulationen im Körper beschränkt ist. Aufgrund dieser außergewöhnlichen Verteilung der Eag1-exprimierenden Zellen könnten bei Therapien die unerwünschten Nebenwirkungen vermieden werden.

Um die Relevanz von Eag1 als möglichem Ansatz für die Krebstherapie beurteilen zu können, haben die Forscher die Verteilung und die Häufigkeit der Expression des Eag1-Kanals in normalem Gewebe und in einer großen Anzahl von Tumorgewebeproben mit molekularbiologischen und immunhistochemischen Techniken untersucht. Von insgesamt 756 Patienten zeigten 77 Prozent der Fälle eine starke Überexpression des Kanals. Diese außergewöhnliche Häufigkeit ist wahrscheinlich darauf begründet, dass die Eag1-exprimierenden Zellen eine höhere Überlebensrate haben und daher einen Selektionsvorteil besitzen. Dafür spricht auch, dass jene Zellen, die erst Monate nach den ersten bösartigen Veränderungen entnommen wurden, einen deutlich höheren Anteil an Eag1-exprimierenden Zellen aufweisen.

In der zweiten Veröffentlichung nutzten die Wissenschaftler dieselben spezifischen monoklonalen Antikörper, um das Expressionsniveau von Eag1 in Weichteil-Sarkomen zu bestimmen. Weichteil-Sarkome sind seltene Tumore (weniger als ein Prozent aller Krebsarten) mit schlechten Prognosen – über 40 Prozent Sterblichkeitsrate im ersten Jahr nach der Diagnose. Die relativ geringe Anzahl an Fällen und die große Vielfalt ihres Erscheinungsbildes, ihrer anatomischen Lage und des biologischen Verhaltens machen ein umfassendes Verständnis dieser Krankheit äußerst schwierig. Ärzte und Patienten stehen immer noch nur begrenzte therapeutische Möglichkeiten gegenüber, die nur eine geringe Verbesserung der Überlebenschancen bieten.

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Korrelation zwischen Eag1-Expression und geringer Lebenserwartung

Eag1 wurde in 71 Prozent der 210 untersuchten Sarkome exprimiert. Die Häufigkeit der Eag1-Überexpression bei Weichteil-Tumoren reicht von 56 Prozent (Liposarkome) bis 82 Prozent (Rhabdomyosarkome). Die Unterschiede in den Expressionsniveaus lassen sich nur mit dem histologischen Typ in Verbindung bringen, nicht aber mit dem Geschlecht oder dem Alter der Patienten noch mit dem Malignitätsgrad oder der Größe des Tumors. Bei manchen histologischen Typen konnten die Forscher eine Korrelation zwischen Eag1-Expression und einer geringen Lebenserwartung feststellen. Wie schon bei der ersten Studie zeigen die Zelltypen, die Sarkome hervorrufen, keine Eag1-Expression.

Als Beispiele für relevante histologische Typen (Fibrosarkom und Rhabdomyosarkom) haben die Forscher schließlich vier Zelllinien mit reverse transcription real-time PCR als positiv hinsichtlich der Eag1-Expression getestet. Darüber hinaus führte die Unterdrückung der Eag1-Expression durch RNA-Interferenz in diesen Zellen zu einer Verminderung der Zellproliferation.

Eag1-Kanäle direkt am Zellwachstum beteiligt

Zusammengefasst zeigen diese Ergebnisse, dass die Eag1-Kanäle direkt am Zellwachstum beteiligt sind. Die Befunde lassen vermuten, dass Eag1 bei der Umwandlung normaler Zellen in Tumorzellen eine wichtige Rolle spielt. Außerhalb des Gehirns kommen Eag1-Kanäle nur in ganz wenigen Zelltypen vor. Im Gegensatz dazu exprimieren Tumorzellen ganz unterschiedlicher Art Eag1-Kanäle mit einer höheren Häufigkeit als übliche Tumormarker. Folglich bietet Eag1 einen neuen Ansatz zum Nachweis und zur Diagnose von Krebs. Noch dazu ist es ein Transmembranprotein und daher von außerhalb der Tumorzellen zugänglich.

Normale Zellen, die Eag1 exprimieren, sind entweder durch die Blut-Hirn-Schranke geschützt oder stellen das Endstadium der normalen Entwicklung dar. Diese Tatsachen sowie das Wissen, dass eine Eag1-Hemmung zu einer Verminderung des Tumorwachstums führt, bedeuten, dass dieses Kanalprotein einen viel versprechenden Ansatz für die maßgeschneiderte Behandlung menschlicher Tumore darstellt. Darauf basierende Therapien sollten zudem nur geringe Nebenwirkung hervorrufen.

(idw – MPG, 18.10.2006 – DLO)

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