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Medizin

Medizin-Nobelpreis für RNA-Interferenz

Gen-Blockade durch Doppelstrang-RNA

Der Nobelpreis für Physiologie und Medizin geht in diesem Jahr an Forscher, die einen fundamentalen Kontrollmechanismus im Fluss der genetischen Information in den Zellen entdeckten – und gleichzeitig eine Methode, diesen Informationsfluss gezielt zu blockieren. 1998 publizierten die amerikanischen Wissenschaftler Andrew Fire und Craig Mello diese Entdeckung der so genannten RNA-Interferenz.

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Der genetische Code der DNA bestimmt, wie und welche Proteine von der Zelle gebaut werden und regulieren damit letztlich den gesamten Stoffwechsel aller Organismen. Die entscheidenden Bauanleitungen für diese Proteine werden von der DNA auf eine „Transportform“, die Boten- oder messenger RNA (mRNA) kopiert. Sie verlässt den Zellkern und wandert zu den Proteinfabriken der Zelle, den Ribosomen.

Rätsel der Blütenentfärbung

Dieser grundlegende Ablauf war bereits in den 1990-er Jahren bekannt, doch es traten immer wieder Effekte auf, die sich nicht erklären ließen: So versuchten Pflanzengenetiker die Blütenfarbe einer Petunienart zu verstärken, indem sie ein Gen für ein rotes Pigment in die Pflanzenzellen einschleusten. Statt die Farbe zu intensivieren, führte diese Genmanipulation jedoch zu einem kompletten Verlust jeder Färbung – die resultierenden Petunienblüten waren weiß.

Erst Fire und Mello entdeckten den Mechanismus, der diesen rätselhaften Effekt hervorrief. Sie untersuchten, wie die Genexpression beim Nematoden Caenorhabditis elegans reguliert wird. Die Injektion von mRNA-Molekülen, die ein Muskelprotein kodierten, löste keinerlei Verhaltensänderung bei den Tieren aus. Ebenso wenig geschah etwas, wenn die Forscher das genau komplementäre Gegenstück zu dieser einsträngigen RNA injizierten, die so genannte „antisense“-RNA. Doch als die Wissenschaftler „sense“ und „anti-sense“-RNA zu einer zweisträngigen RNA zusammenfügten und diese injizierten, beobachteten sie seltsame zuckende Bewegungen beim Wurm –ähnlich wie sie auch bei Nematoden auftraten, denen das Gen für dieses Muskelprotein komplett fehlte.

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Doppelstrang-RNA als Blockadefaktor

Offensichtlich hatte die injizierte RNA den Informationsfluss von der DNA zum Protein unterbrochen – aber wie? Um herauszufinden, ob tatsächlich die zweisträngige RNA für diese Blockade verantwortlich war, testeten Fire und Mello dies noch mit zahlreichen anderen proteinkodierenden Genen. Und tatsächlich: In jedem Fall blockierten die RNA-Stücke das Gen mit dem entsprechenden Proteinkode. Das Protein wurde nicht mehr gebildet.

In weiteren Experimenten stellten die Wissenschaftler fest, dass diese RNA-Interferenz nicht nur spezifisch für jeweils das Gen ist, dessen Code in der RNA verwendet wird, sondern dass sich die Wirkung sogar zwischen den Zellen und Zellgenerationen ausbreitet. Es reichte aus, winzige Mengen der RNA zu injizieren, um den Effekt zu erzielen – für die Forscher ein Hinweis darauf, dass es sich hier um einen katalytischen Prozess handeln musste. Während der folgenden Jahre wurde der zugrunde liegende Mechanismus weiter aufgeklärt.

“Falle“ für mRNA

Es zeigte sich, dass die Doppelstrang-RNA an einen Proteinkomplex, den so genannten „Dicer“ bindet, der sie in Fragmente teilt. Ein weiterer Proteinkomplex, RISC, bindet an diese Fragmente und eliminiert jeweils einen der beiden Stränge. Der zweite bleibt erhalten und dient, gebunden an den RISC-Komplex, als „Sonde“, die sich an messenger RNA anlagern kann. Geht eine mRNA in diese „alle“ wird sie vom Komplex zerstört und damit auch die Protein-Bauanleitung., die sie trägt.

Inzwischen hat sich diese Methode der RNA-Interferenz zu einem wichtigen Werkzeug in der Biologie und Biomedizin entwickelt. In jüngster Zeit waren Versuche erfolgreich, in menschlichen Zellen und in Versuchstieren gezielt bestimmte, krankmachende Gene auf diese Weise zu blockieren. So gelang es, ein Gen, das hohe Cholesterinspiegel im Blut auslöst, im Tierversuch mittels der RNA-Interferenz zu hemmen. Zukünftig könnte die Methode beispielsweise gegen Virusinfektionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und verschiedene andere Krankheiten eingesetzt werden.

(Nobel Foundation, 04.10.2006 – NPO)

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