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Medizin

Listeriose: hochvirulenter Erregerstamm entdeckt

In China entdeckter Lebensmittelkeim ist die aggressivste bisher bekannte Variante dieser Erreger

Listeria sp.
Bakterien der Art Listeria monocytogenes gehören zu den tödlichsten bekannten Lebensmittelkeimen – jetzt haben Forscher eine besonders virulente Variante dieser Erreger entdeckt. © CDC

Virulente Entdeckung: In China haben Forscher einen zuvor unbekannten Stamm des Lebensmittelkeims Listeria monocytogenes entdeckt – dem Erreger der Listeriose. Der neue Bakterienstamm ist deutlich aggressiver als alle bisher bekannten Varianten dieser Erreger und offenbar mit einigen klassischen Tests nicht nachzuweisen. Bisher wurden diese Listerien zwar nur bei Schafen und Ziegen nachgewiesen, über Tierprodukte könnten sich aber auch Menschen infizieren.

Listerien gehören zu den tödlichsten Lebensmittelkeimen, die man kennt. Immer wieder erkranken und sterben Menschen nach einer Infektion durch kontaminierte Rohmilchprodukte, Fleisch, Meeresfrüchte oder auch abgepackte Salate. Der Erreger, das Bakterium Listeria monocytogenes, kann vor allem bei Kleinkindern, älteren und immungeschwächten Menschen schwere Hirnhautentzündungen, Blutvergiftungen und Organschäden verursachen. Die Sterblichkeit liegt für diesen Patientenkreis bei bis zu 30 Prozent.

Sorge bereitet Medizinern auch, dass die Zahl der Listeriose-Fälle in Europa und weltweit ansteigt. Ein häufiges Problem dabei: Weil es bis zu 70 Tage dauern kann, bis sich eine Listeriose mit schweren Symptomen bemerkbar macht, lässt sich die Quelle der Kontamination oft nicht mehr eindeutig feststellen. Dies macht den rechtzeitigen Rückruf kontaminierter Produkte schwierig bis unmöglich. Hinzu kommt, dass einige Listerienstämme inzwischen gegen Desinfektionsmittel immun zu sein scheinen.

Ungewöhnliche Merkmale

Jetzt gibt es neuen Anlass zur Sorge. Denn ein internationales Forscherteam hat in China einen zuvor unbekannten, besonders aggressiven Stamm von Listerien entdeckt. „Diese Bakterien sind die virulentesten Vertreter dieser Spezies, die wir heute kennen“, berichten Yuelan Yin von der Yangzhou Universität und seine Kollegen. Bisher kommt dieser HSL-II getaufte Stamm zwar nur bei Ziegen und Schafen eines abgelegenen Gebiets vor. Gerade Listerien sind aber dafür bekannt, dass sie sowohl Tiere als auch Menschen infizieren und daher über Tierprodukte leicht verbreitet werden.

Nähere Untersuchungen enthüllten, dass der neue Listerienstamm einige ungewöhnliche Merkmale gegenüber den bisher bekannten Varianten von Listeria monocytogenes aufweist. So kann dieser Stamm den Zucker L-Rhamnose nicht verarbeiten, besitzt eine andere Oberflächenstruktur und
weist auch genetisch Besonderheiten auf, wie Analysen ergaben. „Diese Isolate sind die einzigen bisher bekannten, die Gensegmente einer anderen Listerienart in sich tragen“, berichten die Forscher.

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Listerien
Übertragungswege bei Listerien-Infektionen sowie Darstellung des Genoms des hypervirulenten Listeria-Stamms. © S. Doijad/ J. Falgenhauer

Aggressiv und schwer nachzuweisen

Durch die Übernahme dieser Fremdgene kombiniert dieser Listerienstamm nun die Virulenzmerkmale verschiedener hochpathogener Listeria-Arten – das macht ihn so virulent, wie Yin und seine Kollegen erklären. Versuche mit Mäusen ergaben, dass diese Erreger besonders effektiv in die Zellen des menschlichen Darms eindringen können. Zudem befallen sie relativ schnell auch andere innere Organe wie Leber, Milz und Lymphknoten im Bauchraum.

Bedenklich auch: Mit klassischen Tests auf Basis der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist diese neue Listerienvariante nicht typisierbar, wie die Forscher berichten. „Seine ungewöhnlichen Eigenschaften, vor allem der Rhamnose-negative Phänotyp, haben wahrscheinlich zuvor verhindert, dass dieser Stamm als Mitglied der Spezies Listeria monocytogenes erkannt wurde“, sagen Yin und sein Team. „Als Folge wurde er übersehen.“

„Überwachung muss verstärkt werden“

Angesichts der Virulenz des neuentdeckten Listerienstammes und der leichten Übertragung durch Lebensmittel plädieren die Forscher dafür, künftig die Überwachung solcher Erreger noch zu intensivieren. „Da es sich bei der Listeriose um eine durch Lebensmittel übertragene Infektion handelt, sind Maßnahmen zur Identifizierung solch hochvirulenter Stämme von großer Dringlichkeit“, betont Koautor Trinad Chakraborty von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

„Der Nachweis einer völlig neuen Form von pathogenen Listeria monocytogenes in China unterstreicht die Notwendigkeit internationaler Kooperationen, um nicht nur multiresistente Bakterien, sondern auch neu auftretende Bedrohungen der Lebensmittelsicherheit durch hochvirulente Stämme weltweit schnell zu identifizieren“, so Chakraborty.

Immerhin: Bislang scheinen die neuartigen Listerien noch mit den gängigen Medikamenten bekämpfbar zu sein: „Das antibiotische Resistenzprofil ergab, dass diese Listerien gegenüber den meisten Antibiotika anfällig sind“, berichten die Forscher. Nur gegen das Antibiotikum Clindamycin gab es eine Resistenz. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-12072-1)

Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen

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