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Medizin

Lichtblitze und Töne gegen Alzheimer?

Sinnesstimulation verringert Plaques und verbessern Gedächtnis bei Alzheimer-Mäusen

Alzheimer
Bisher gibt es gegen Alzheimer kein Heilmittel. Aber eine kombinierte Stimulation aus Lichtblitzen und Tönen könnte den Hirnabbau vielleicht bremsen. © NIH

Sinnesreize gegen die Demenz: Eine regelmäßige Behandlung mit Licht und Tonsignalen könnte die Symptome der Alzheimer-Demenz mildern – und so den Gedächtnisschwund bremsen. Darauf deuten nun Versuche mit Alzheimer-Mäusen hin. Die tägliche Sinnesstimulation verbesserte das Gedächtnis der Tiere messbar und führte im Gehirn zum deutlichen Abbau von Amyloid-Plaques, wie die Forscher im Fachjournal „Cell“ berichten. Jetzt wollen sie testen, ob dies auch beim Menschen wirkt.

Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. Allein in Deutschland sind rund 1,3 Millionen Menschen betroffen. Die Krankheit zerstört – unter anderem durch Ansammlung von Amyloid-Plaques – nach und nach Gehirnzellen und führt zu fortschreitendem Gedächtnisschwund. Bisher gibt es jedoch kein Heilmittel, der Verlauf lässt sich nur verlangsamen. Immerhin ein wenig Hoffnung gibt es aber: Rund drei Dutzend neue Wirkstoffe gegen Alzheimer sind zurzeit in klinischen Tests und es gibt erste Hinweise darauf, dass eine Hirnstimulation zumindest die Symptome der Krankheit lindern kann.

Lichtblitze und Pieptöne

Ein weiteres Mittel gegen den fortschreitenden Hirnabbau könnten nun Anthony Martorell vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und sein Team gefunden haben. Schon vor einigen Jahren hatten sie herausgefunden, dass eine Stimulation der Sinne mit einem speziellen Flackerlicht bei Alzheimer-Mäusen einige Symptome lindert: Die 40-Hertz-Lichtblitze führten zu einer messbaren Verringerung der Amyloid-Plaques im Sehzentrum der Tiere.

„Aber Alzheimer betrifft viele andere Hirnzentren, die für Lernen, Gedächtnis und andere höhere Denkfunktionen entscheidend sind – darunter den Hippocampus und den medialen präfrontalen Cortex (mPFC)“, erklären die Forscher. Eine Stimulation bringt daher nur dann etwas, wenn sie auch in diesen Arealen wirkt. Deshalb haben Martorell und sein Team nun erstmals eine akustische Stimulation getestet: An beginnendem Alzheimer leidende Mäuse hörten täglich eine Stunde lang kurze Töne im Takt von 40 Hertz.

Amyloid-Plaques
Amyloid-Plaques im Gehirn unbehandelter Mäuse (links) und nach einer Woche der Licht- und Tonstimulation. © Gabrielle Drummond

Weniger Plaques und besseres Gedächtnis

Das überraschende Ergebnis: Schon nach einer Woche dieser Ton-Stimulation zeigten sich deutliche Verbesserungen sowohl im Gedächtnis als auch im Gehirn der Tiere. Die behandelten Mäuse konnten sich in einem Wasserbecken besser an die Position einer versenkten Plattform erinnern als ihre unbehandelten Artgenossen, wie die Forscher berichten. Auch bereits gesehene Objekte erkannten die stimulierten Mäuse besser wieder als die Kontrolltiere.

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Noch deutlicher aber waren die Veränderungen im Gehirn der Mäuse: Nach einer Woche der Tonstimulation hatte sich die Menge der Plaques und des Beta-Amyloids im Hörzentrum und in dem für das Gedächtnis wichtigen Hippocampus um 40 bis 50 Prozent verringert. „Das demonstriert, dass die akustische Stimulation die Amyloidlast auch außerhalb des primären sensorischen Cortex reduzieren kann“, betonen die Wissenschaftler.

Plaque-„Fresser“ stimuliert

Es gab noch weitere positive Effekte: Ein bestimmter Typ von Immunzellen, die sogenannten Mikroglia, nahmen durch die Tonstimulation um 60 Prozent zu. Diese Zellen sind dafür bekannt, dass sie Amyloid-Plaques abbauen können. Außerdem beobachten die Forscher um 50 bis 100 Prozent erweiterte Adern und damit eine bessere Durchblutung im Hippocampus und Hörzentrum der behandelten Mäuse.

Noch durchschlagender war die Wirkung der Sinnes-Stimulation, als die Forscher die Töne mit den schon früher ausprobierten Lichtblitzen kombinierten. „Wir sehen dann eine Ausdehnung der positiven Effekte auf den präfrontalen Cortex und eine sehr drastische Reduktion von Amyloid“, berichtet Li-Huei Tsai vom MIT. „Gleichzeitig stapeln sich die Mikroglia-Zellen an den Plaques dann geradezu übereinander, das ist wirklich ein sehr dramatischer Effekt.“

Wirkung durch Gammawellen

Nach Ansicht der Forscher könnte eine solche Sinnesstimulation ein vielversprechender Ansatz gegen Alzheimer sein. „Zusammen mit unserer früheren Studie belegt dies, dass diese Form der Sinnesstimulation eine Wirkung auf verschiedene Zelltypen des Gehirns und Hirnregionen hat“, so Martorell und seine Kollegen. „Das führt zu einer hirnweiten Abmilderung der mit Alzheimer verknüpften Pathologie.“

Die Forscher vermuten, dass die Stimulation die Produktion bestimmter Hirnwellen, der sogenannten Gamma-Oszillationen, fördert – und dass dies die positiven Effekte hervorruft. Ihre Tests zeigten allerdings auch, dass die Wirkung der Stimulation nicht lange anhält: Wird die tägliche Behandlung gestoppt, steigt auch die Plaquemenge wieder. Diese Stimulationstherapie müsste daher regelmäßig und dauerhaft gegeben werden.

Funktioniert das auch beim Menschen?

Die entscheidende Frage ist nun, ob die Licht- und Tonstimulation auch beim Menschen wirkt. Die Wissenschaftler haben bereits erste Tests ihrer Stimulationstherapie mit menschlichen Probanden durchgeführt – vorerst allerdings nur mit gesunden Personen, um die Verträglichkeit zu testen. Als nächstes sollen nun Studien mit Alzheimer-Patienten folgen. Die Forscher haben bereits begonnen, dafür Freiwillige mit Alzheimer in frühem Stadium zu gewinnen. (Cell, 2019; doi: 10.1016/j.cell.2019.02.014)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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