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Medizin

Lebensretter in unserer Nase entdeckt

Bakterium auf unserer Schleimhaut produziert neuartiges Antibiotikum

Das neu entdeckte Antibiotikum Lugdunin wird von einem harmlosen Bakterium in der menschlichen Nase produziert. © Martin Christoph Konnerth

Nasenbakterium als Antibiotika-Lieferant: Forscher haben ein neuartiges Antibiotikum an einem unerwarteten Ort entdeckt: in unserer Nase. Der Wirkstoff Lugdunin wird dort vom harmlosen Nasenbakterium Staphylococcus lugdunensis produziert. Wie Tests ergaben, tötet Lugdunin viele grampositive Krankheitserreger effektiv ab und wirkt sogar gegen den gefürchteten multiresistenten Krankenhauskeim MRSA, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Jeder Mensch trägt in seiner Nase eine kleine Lebenswelt mit sich herum. Denn auf den Nasenschleimhäuten siedeln Unmengen verschiedenster Mikroben. Die meisten von ihnen sind harmlos, andere jedoch können Krankheiten auslösen, wie beispielsweise das mehrfach resistente Bakterium Staphylococcus aureus (MRSA).

Das Problem: Der multiresistente Keim ist gegen viele der gängigen Antibiotika immun, weltweit suchen Forscher daher nach neuen Wirkstoffen gegen MRSA und andere krankmachende Bakterien. Meist wird man dabei bei Pilzen und Bodenbakterien fündig, die von Natur aus häufig antimikrobielle Wirkstoffe produzieren.

Unerwarteter Fund in der Nase

Jetzt jedoch haben Alexander Zipperer von der Universität Tübingen und seine Kollegen ein neuartiges Antibiotikum an unerwarteter Stelle entdeckt: in der menschlichen Nase. Fündig wurden sie, als sie die Nasenflora von 187 Patienten untersuchten. Dabei fiel ihnen auf, dass Staphylococcus aureus deutlich seltener selten vorkam, wenn in der Nase auch das Bakterium Staphylococcus lugdunensis lebte.

Das Bakterium Staphylococcus lugdunensis (weiß) lebt auf den Schleimhautzellen der Nase und tötet dort den Erreger Staphylococcus aureus (gelb) durch Bildung von Lugdunin ab. © Andreas Peschel

„Dass auch die menschliche Mikroflora eine Quelle für antimikrobielle Wirkstoffe sein kann, ist eine neue Erkenntnis“, erklärt Seniorautor Andreas Peschel von der Universität Tübingen. Nähere Untersuchungen ergaben, dass Staphylococcus lugdunensis eine Substanz produziert, die eine stark antimikrobielle Wirkung entfaltet. Chemisch gesehen besteht der Lugdunin getaufte Wirkstoff aus einem ringförmigen Peptid und gehört damit einer neuen, bisher unbekannte Klasse von antibiotischen Wirkstoffen an.

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Wirkt gegen mehrere gefährliche Krankheitserreger

In Zellkulturen und bei Mäusen tötete Lugdunin nicht nur MRSA-Erreger ab, sondern auch andere grampositive Bakterien, darunter Listerien, Enterokokken, Escherichia coli und Bacillis subtilis. „Lugdunin zeigt damit eine bakterientötende Wirkung gegen viele bedeutende Krankheitserreger“, berichten die Forscher. Eine MRSA-Infektion bei Mäusen klang innerhalb von Stunden ab, wenn sie mit Lugdunin behandelt wurde.

Und noch einen Vorteil scheint das neue Lugdunin zu besitzen: Obwohl es schon lange gemeinsam mit Krankheitserregern in unserer Nase vorkommt, scheint es keine Resistenzbildungen zu fördern. „Die Tatsache, dass alle getesteten Staphylococcus aureus-Isolate eine deutliche Sensibilität gegenüber Lugdunin aufwiesen, deutet darauf hin, dass es für Bakterien schwierig zu sein scheint, gegen diesen Stoff eine Resistenz zu entwickeln“, erklären die Forscher.

Gegen den gefürchteten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) sind viele Antibiotika wirkungslos. © Frank DeLeo, National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)

Mikrobiom als Wirkstoffquelle

Weil Staphylococcus lugdunensis ein normaler Teil unseres Mikrobioms ist, spricht vieles dafür, dass das von ihm erzeugte Lugdunin auf eine Wirkung gegen typische humanpathogene Erreger optimiert ist. Zudem könnte das neuartige Antibiotikum für uns Menschen gut verträglich sein. Ob das der Fall ist und wie sich Lugdunin beim Menschen einsetzen ließe, muss nun weiter erforscht werden.

Die Erkenntnisse der Tübinger Forscher eröffnen aber auch die Chance, noch weitere neuartige Wirkstoffe gegen krankmachende Bakterien zu finden. „Während es immer schwieriger wird, bei Bodenmikroben neue Wirkstoffstrukturen zu finden, könnten die Bakterien aus dem menschlichen Mikrobiom zu einer wertvolle Quelle für neuartige Antibiotika werden“, konstatieren die Forscher. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature18634)

(Eberhard Karls Universität Tübingen, 28.07.2016 – NPO)

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