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Genetik

Kurzschläfer-Gen entdeckt

Eine Genvariante verkürzt bei manchen Menschen das natürliche Schlafbedürfnis

Schlaf
Dass manche Menschen mit weniger Schlaf auskommen als andere, könnte auch an ihren Genen liegen. © Michael Jung/ iStock.com

Fit trotz wenig Schlaf: Wenn jemand mit extrem wenig Schlaf auskommt, liegt das möglicherweise an seinen Genen. Denn Forscher haben eine Genmutation entdeckt, die offenbar das natürliche Schlafbedürfnis verkürzt. Wie Experimente mit Mäusen nahelegen, steigert diese Mutation die Aktivität bestimmter Neuronen, die das Wachsein fördern. Die Entdeckung könnte in Zukunft auch neue Erkenntnisse über das Geheimnis guten und effizienten Schlafs liefern.

Ausreichend Schlaf ist für unseren Organismus lebenswichtig. Doch wie viel Schlummerzeit brauchen wir eigentlich, um gesund zu bleiben und uns erholt zu fühlen? Im Mittel schlafen Erwachsene sieben bis acht Stunden pro Tag. Allerdings kann das Schlafbedürfnis je nach Alter und auch individuell sehr unterschiedlich sein: Während manche Menschen mehr Schlaf benötigen als das Gros ihrer Altersgruppe, kommen manche mit deutlich weniger aus. Woran aber liegt das?

Spurensuche im Erbgut

„Es ist erstaunlich, wie wenig wir über Schlaf wissen, wenn man bedenkt, dass wir immerhin ein Drittel unseres Lebens damit verbringen“, konstatiert Louis Ptáček von der University of California in San Francisco. Der Neurologe und seine Kollegen um Erstautor Guangsen Shi haben nun nach einer möglichen Erklärung für die individuellen Unterschiede in Sachen Schlafbedürfnis gesucht: in den Genen.

Vor einigen Jahren hatten die Forscher bereits eine erste Genmutation identifiziert, die Menschen zu Kurzschläfern macht. Um weitere genetische Einflussfaktoren zu finden, analysierten sie für ihre aktuelle Studie DNA-Daten einer Familie, in denen dieser Hang zum Kurzschlafen gehäuft auftritt. Diese Personen kommen mit deutlich weniger Schlaf aus als der Durchschnitt. Sie schlafen regelmäßig nur vier bis sechs Stunden pro Nacht und haben im Alltag trotzdem keine Probleme.

Mutiertes Rezeptorprotein

Die Ergebnisse enthüllten: Keiner der Kurzschläfer verfügte über die bereits bekannte Mutation. Stattdessen identifizierte Shis Team bei ihnen eine auffällige Variante in dem ADRB1-Gen auf Chromosom 10. Dieser Erbgut-Abschnitt enthält die Bauanleitung für den sogenannten Beta-1-Adrenorezeptor, der durch das Stresshormon Adrenalin aktiviert wird. Bisher war der Rezeptor vor allem für seine Rolle für das Herz und die Festigung von Erinnerungen im Gehirn bekannt.

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Wie sich die nun identifizierte Mutation im ADRB1-Gen auf den Rezeptor auswirkt, testeten die Wissenschaftler in Laborexperimenten. „Dabei stellten wir fest, dass die mutierte Version des Rezeptorproteins weniger stabil ist. Dadurch könnte auch seine Funktion beeinflusst werden – mit möglichen Konsequenzen für funktionelle Prozesse im Gehirn“, berichtet Mitautorin Ying-Hui Fu.

Mäuse als Kurzschläfer

Um mehr über die potenziellen Effekte des veränderten Rezeptors zu erfahren, untersuchte das Forscherteam anschließend Mäuse mit dieser genetischen Besonderheit. Es zeigte sich: Die Nager schliefen im Schnitt 55 Minuten weniger als ihre nicht gentechnisch veränderten Artgenossen. Dabei verringerte sich sowohl die Zeit des REM-Schlafs als auch die des Non-REM-Schlafs.

Wie die Forscher berichten, kam dies nicht durch eine Verkürzung der einzelnen Schlafphasen zustande. Stattdessen durchliefen die Mäuse pro Nacht weniger Schlafzyklen. Zur Erklärung: Viele Tiere und auch wir Menschen durchlaufen nachts mehrere Schlafrunden, die sich aus unterschiedlichen Stadien zusammensetzen – vom Leichtschlaf über den Tiefschlaf bis hin zum Traumschlaf.

Schneller wach

Weitere Untersuchungen offenbarten, dass der Beta-1-Adrenorezeptor in großen Mengen von Neuronen im dorsalen Pons im Hirnstamm exprimiert wird – einer an unbewussten Aktivitäten wie der Atmung und den Augenbewegungen, aber auch am Schlaf beteiligten Region des Denkorgans. Dabei stellten die Wissenschaftler fest: Diese Neuronen sind während Wachphasen und dem REM-Schlaf aktiv, nicht aber während des Non-REM-Schlafs.

Wurden die Hirnzellen mithilfe optogenetischer Methoden künstlich stimuliert, wachten schlafende Mäuse zudem umgehend auf. Die Neuronen mit dem Adrenorezeptor scheinen demnach das Wachsein zu fördern. Der entscheidende Unterschied ist nun, dass die Neuronen durch die Mutation leichter in Erregung versetzt werden können und insgesamt eine gesteigerte Aktivität zeigen, wie das Forscherteam berichtet.

Schlüssel für guten Schlaf?

„Die mutierte Form des Adrenorezeptors fördert den natürlichen Kurzschlaf. Denn er hilft dabei, Gehirne aufzubauen, die schneller geweckt werden können und länger wach bleiben“, resümieren Shi und seine Kollegen in einer Mitteilung. „Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig Beta-1-Adrenorezeptoren für die Regulierung von Schlafen und Wachen sind.“

Noch ist zwar unklar, ob die Ergebnisse aus den Mausexperimenten auf den Menschen übertragbar sind. Die Wissenschaftler hoffen jedoch, dass ein besseres Verständnis der Rolle der nun identifizierten Genmutation und weiteren Einflussfaktoren in Zukunft auch neue Hinweise darauf liefert, was guten Schlaf ausmacht.

„Natürliche Kurzschläfer schlafen besser und effizienter als andere Menschen“, sagt Fu. Denn obwohl sie wenig schlafen, leiden sie nicht unter den bekannten Nebenwirkungen von Schlafmangel. „Indem wir diese Menschen untersuchen, wollen wir herausfinden, was für eine gute Schlafqualität wichtig ist – sodass alle von uns zu besseren Schläfern werden können.“ (Neuron, 2019; doi: 10.1016/j.neuron.2019.07.026)

Quelle: Cell Press/ University of California San Francisco

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