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Medizin

Krebsmittel aus Meerschwamm?

Potentielles Krebstherapeutikum wurde erstmals synthetisch hergestellt

Meereslebewesen sind eine wahre Fundgrube für neue Wirkstoffkandidaten. So etwa Dictyostatin, ein Stoff, der in Milligrammmengen aus einem Meeresschwamm isoliert wurde und bei Krebszellen den programmierten Zelltod auslöst. Die genaue Molekülstruktur der Substanz blieb zehn Jahre lang unklar, ein Strukturvorschlag bisher unbewiesen. Etwa zeitgleich ist es nun einem britischen und einem amerikanischen Team gelungen, eine Syntheseroute zur Herstellung von Dictyostatin im Labor zu entwickeln und auf diese Art zu beweisen, dass die vorgeschlagene Struktur der Realität entspricht.

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Dictyostatin ist ein starkes Cytostatikum, es lässt sich teilende Zellen in einem bestimmten Stadium des Zellzyklus regelrecht steckenbleiben und löst auf diese Weise deren Apoptose, den programmierten Zelltod, aus. Wesentlich empfindlicher als normales Gewebe reagieren Krebszellen auf Cytostatika, da sie sich sehr rasch teilen. Dabei wirkt Dictyostatin auch auf Tumorzellen, die gegenüber Taxol oder Paclitaxel resistent sind. Es scheint damit das Zeug zum Krebstherapeutikum zu haben. Um die pharmakologischen Wirkungen genauer zu untersuchen, sind jedoch größere Mengen nötig, der Stoff muss synthetisch hergestellt werden.

Molekülstruktur entschlüsselt

Das wurde allerdings erst jetzt mit genauer Kenntnis der Molekülstruktur möglich. Dictyostatin ist ein großer 22-gliedriger Ring, der allein elf so genannte Stereozentren enthält, vierbindige Kohlenstoffatome, die räumlich wie Bild und Spiegelbild aussehen – so vermutete man seit zehn Jahren. Doch es gibt über 2000 theoretisch denkbare Kombinationen dieser Stereozentren, die Aufklärung der Struktur gestaltete sich entsprechend schwierig. Die Wissenschaftler ermittelten nun eine Syntheseroute zur Herstellung von Dictyostatin. Anhand spektroskopischer Daten und Computersimulationen war es einem britischen Team um Ian Paterson von der Universität Cambridge kürzlich gelungen, einen Strukturvorschlag zu erarbeiten. Danach ist Dictyostatin ein ringförmig geschlossener, sehr enger Verwandter des offenkettigen Discodermolids, das ebenfalls als Cytostatikum bekannt ist.

Krebsforschung kann beginnen

Wenn Forscher eine Struktur eines organischen Moleküls beweisen oder fehlende Details aufklären wollen, greifen sie zur Methode der Totalsynthese, das heißt, sie „kochen“ die Verbindung von Grund auf im Labor nach und vergleichen dann die spektroskopischen Daten des Originals und des Nachbaus. Genau so konnte das Paterson-Team jetzt nachweisen, dass ihr Vorschlag stimmt. „Anhand unserer Syntheseroute können nun größere Mengen an Dictyostatin hergestellt werden, um dessen pharmakologische Wirkungen genauer zu untersuchen,“ sagt Paterson. „Diese Route ist zudem flexibel genug, um auch leicht abgewandelte Analoga einfach zugänglich zu machen.“

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Zusätzliche Bestätigung erhielt der Strukturvorschlag durch eine zweite, im Detail etwas anders verlaufende Totalsynthese, die ein amerikanisches Team um Dennis P. Curran von der Universität Pittsburgh parallel erarbeitet hat. „Dictyostatin hat im Vergleich zum offenkettigen Discodermolid drei Stereozentren weniger,“ sagt Curran „Seine Analoga sollten daher auf lange Sicht die leichter herstellbare Variante sein.“

(Gesellschaft Deutscher Chemiker, 10.09.2004 – ESC)

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