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Medizin

Kosmetik hilft gegen Tuberkulose

Neue Waffe im Kampf gegen Erreger entdeckt

Ein unerwarteter Erfolg ist Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) gelungen. Die Forscher haben in einem Kosmetikprodukt einen Wirkstoff gegen den Tuberkulose-Erreger entdeckt, der das Wachstum der Bakterien hemmt. Erste Tests mit der Substanz am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie an lebenden menschlichen Wirtszellen waren erfolgreich.

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Der gefundene Wirkstoff, so die Ergebnisse der Wissenschaftler um Dr. Jens Peter von Kries, greift die Tuberkulose-Erreger ausgerechnet in Fresszellen des Immunsystems an. Diese Zellen stellen die primäre Abwehrfront gegen bakterielle Eindringlinge im menschlichen Organismus dar. In diesen so genannten Makrophagen wachsen die Krankheitskeime und blockieren zugleich die Fresszellen, um unerkannt zu bleiben.

Derzeit läuft ein Patentsicherungsverfahren, mit dem die Entdeckung geschützt werden soll. „Es handelt sich um einen Stoff, der bereits für andere Zwecke klinisch getestet wurde. Völlig neu ist jedoch, dass diese Substanz auch gegen Tuberkulose wirksam sein könnte“, erläutert von Kries. Nähere Angaben zur bisherigen Verwendung will von Kries momentan nicht machen, um das Patent nicht zu gefährden. Nur so viel: „Tagtäglich kommen Menschen über Kosmetikprodukte mit der von uns identifizierten Substanz in Berührung.“

Aber wie hat er überhaupt diesen Treffer erzielt? „Wirkstoff-Screening zur Entwicklung von Arzneimitteln ist in der Pharmaindustrie gang und gäbe“, sagt von Kries. In der akademischen Forschung aber sei die systematische Nutzung von synthetischen Substanzen ein Novum. Der Forscher hat zusammen mit Kollegen vor mehr als einem Jahr das Screening-Labor am FMP aufgebaut – und ist damit auch an dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Tuberkulose-Projekt beteiligt.

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„Ein Fünfer im Lotto“

Eine Untersuchungsmethode ist die Absorptions-Spektroskopie. Mit diesem Verfahren vergleichen die Forscher Kennlinien von Substanzen mit Referenz-Kennlinien, die von bereits bekannten Wirkstoffen stammen. Die Spektrallinien entstehen, wenn Licht einer ganz bestimmten Wellenlänge auf die Probe trifft und dann von einer Spezialkamera aufgefangen wird.

„Finden wir ähnliche Muster, schauen wir uns die Stoffe genauer an“, erläutert von Kries. Aus einer Substanzbibliothek von rund zwanzigtausend Stoffen erzielte er auf diese Weise sechzehn oder siebzehn Treffer. „Vier habe ich dann ausgewählt, sozusagen per Hand, und zum Testen an die Kollegen aus dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie gegeben“, berichtet der FMP-Forscher. Und eine davon war tatsächlich wirksam gegen die Tuberkulose-Bakterien. Jens Peter von Kries: „Das ist wie ein Fünfer im Lotto.“

Die systematische Suche hatte sich auf einen ganz bestimmten grundlegenden Wirkmechanismus in Zellen konzentriert. „Es geht um die Signalübertragung von außen in die Zelle und weiter in den Zellkern“, erläutert von Kries. Es gibt nun bereits bekannte Substanzen, die in diese Signalkaskade eingreifen und die Übertragung stoppen können.

Neues gerät kann 30.000 Proben am Tag untersuchen

Zwei dieser Substanzen nahmen die FMP-Forscher als Referenzmaterial und verglichen per Absorptions-Spektroskopie deren Kennlinien mit all den anderen Stoffen aus der Substanzbibliothek. „Auch künftige Screenings sollen gezielt die Signalübertragung und beteiligte Enzyme ins Visier nehmen“, sagt von Kries.

Hierfür verfügt die Screening Unit am FMP seit kurzem über ein neues Gerät. Es handelt sich um ein vollautomatisches Screening-System, das bis zu 30.000 Proben am Tag untersuchen kann. Neben dem hohen Durchsatz gibt es einen weiteren Vorteil: „Mit dem Roboter von Caliper untersuchen wir Enzyme auf einem Substrat, das der natürlichen Umgebung der Zelle sehr ähnelt“, sagt von Kries. Die Ergebnisse seien dadurch viel genauer.

Lab-on-a-Chip- Technologie

Der FMP-Forscher: „Wir hoffen, dass wir mit der neuen Technik auch schwach wirksame Substanzen identifizieren können, die bei herkömmlichen Screening-Verfahren unentdeckt bleiben würden.“ Auf diese Weise könne man neue Wirkstoffklassen finden und Pharmaunternehmen zur Entwicklung womöglich verträglicherer Arzneien anbieten.

Eben erst wurden die letzten Umbauten am Labor vorgenommen, sodass die Maschine bald an die Arbeit gehen kann. Das FMP wird dann das erste Forschungsinstitut weltweit sein, das diese moderne Lab-on-a-Chip- Technologie einsetzt.

(idw – Forschungsverbund Berlin, 20.12.2005 – DLO)

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