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Medizin

„Kinderstube“ der T-Zellen erneuerbar

Bipotente Vorläuferzellen des Immunorgans Thymus entdeckt

Der Thymus ist ein kleines, aber sehr wichtiges Organ unseres Immunsystems, denn er liefert die Umgebung für die Entwicklung und Reifung der T-Abwehrzellen. Wie nun eine in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienene Studie zeigt, lässt sich die für die Thymusentwicklung notwendige Mikroumgebung auch noch nach der Geburt aus einzelnen epithelialen Zellen neu aufbauen. Zudem konnten die Forscher nachweisen, dass sich beide Zelltypen des Thymus aus den gleichen Vorläuferzellen bilden – sie sind also bipotent. Diese Ergebnisse lassen auf neuartige Behandlungsmöglichkeiten für Autoimmunerkrankungen hoffen.

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Der Thymus ist ein unscheinbares hinter dem Brustbein gelegenes Organ. Erst seit etwa 50 Jahren ist bekannt, dass dieses Organ für die Funktion des Immunsystems unverzichtbar ist. Es sorgt für die Ausbildung der so genannten T-Zellen, die Virus-infizierte Zellen und Tumorzellen aufspüren und vernichten. Entscheidende Schritte in der Ausbildung dieser T-Zellen sind abhängig von der Umgebung, auch Stroma genannt, in der sie sich entwickeln. Der Thymus stellt diese Umgebung bereit, die dabei hilft, selbstreaktive Zellen zu eliminieren oder zu inaktivieren.

Qualitätskontrolle im Immunsystem

Wie fehleranfällig die Ausbildung der Selbsttoleranz ist, also die Fähigkeit zwischen körperfremden und körpereigenen Stoffen unterscheiden zu können, zeigen die vielen Menschen, die unter Autoimmunerkrankungen wie Diabetes, Rheuma oder Multiple Sklerose leiden. Das Stroma im Thymus ist somit der wesentliche Teil einer hochkomplexen Qualitätskontrolle im Immunsystem, das für die Herausbildung und Erhaltung eines selbst-toleranten Repertoirs an T-Zellen erforderlich ist.

Nun hat eine Forschergruppe am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg herausgefunden, dass sich Vorläuferzellen für das Stroma des Thymus auch nachgeburtlich nachweisen lassen – sie kommen also auch im adulten Thymus vor. Darüber hinaus konnten die Forscher mit einem speziellen genetischen Modell zeigen, dass einzelne Vorläuferzellen auch nach der Geburt die Bildung eines vollständigen Thymus initiieren können.

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Eine wesentliche Komponente des Stromas im Thymus sind Epithelzellen, die in verschiedenen Formen vorkommen – jede mit einer genau festgelegten Funktion für die Entwicklung der T-Zellen und für die Ausbildung der Selbsttoleranz. Doch wesentliche Fragen waren bislang nicht beantwortet: So wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, ob sich die unterschiedlichen Epithelzelltypen aus einer gemeinsamen oder verschiedenen Vorläuferzellen entwickeln. Diese Information ist wichtig für alle Versuche, bei denen aus einzelnen Vorläuferzellen ein Thymusstroma künstlich herangebildet wird. Eine weitere wichtige Frage ist, ob solche Vorläuferzellen nur im embryonalen oder auch noch im adulten Thymus vorkommen – dort wären die Zellen für ihre Gewinnung von entscheidender Bedeutung.

Zukünftig wollen sich die Wissenschaftler daher auf die Isolierung und Vermehrung epithelialer Vorläuferzellen konzentrieren. Ihr Ziel ist es, in geeigneten Modellen genetisch bedingter Autoimmunität zu prüfen, ob die gezielte Veränderung der epithelialen Vorläuferzellen zu einer Verbesserung der Selbsttoleranz eines Organismus führt. Sollte sich das bewahrheiten, könnte ein neues Verfahren zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten beim Menschen entwickelt werden.

(MPG, 27.06.2006 – AHE)

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