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Mikrobiologie

In unserem Mund leben Amöben

Parasitische Einzeller zerstören Gewebe und tragen zu schweren Zahnfleischentzündungen bei

Zahnfleisch
Ein enger Verwandter des Amöbenruhr-Erregers tummelt sich auch in unserem Mund – vor allem, wenn wir unter Zahnfleischentzündungen leiden.© Batke/ iStock.com

Nicht lecker: Im Mund vieler Menschen tummeln sich parasitische Amöben, wie nun eine Studie enthüllt. Diese Einzeller sind enge Verwandte des Amöbenruhr-Erregers und kommen bei rund 80 Prozent der Patienten mit Zahnfleischentzündung vor, aber auch bei manchen Gesunden. Die Parasiten dringen in die Mundschleimhaut ein und zerstören dort das Gewebe. Das könnte erklären, warum viele Zahnfleischentzündungen so hartnäckig und kaum zu beseitigen sind.

Unsere Mundhöhle ist alles andere als steril – so viel ist klar. Denn auf unserer Zunge, am Zahnfleisch, an den Schleimhäuten und im Speichel leben Unmengen verschiedenster Mikroben. Allein ein Kuss kann rund 80 Millionen Bakterien übertragen. Ein Großteil dieser Mitbewohner sind zwar völlig harmlos, es sind aber auch Krankheitserreger darunter, die unter anderem Zahnfleischentzündungen verursachen.

Entamoeba gingivalis
Die parasitische Amöbe Entamoeba gingivalis im Zahnfleischgewebe. © Schäfer/ Charité

 Parodontitis-Patienten stärker betroffen

Doch wie sich nun zeigt, gibt es noch andere, unappetitliche Mitbewohner in unserem Mund: Amöben der Spezies Entamoeba gingivalis. Diese einzelligen Parasiten sind enge Verwandte der Amöbe, die die berüchtigte Amöbenruhr auslöst – eine der weltweit häufigsten Todesursachen durch Parasiten. Bei dieser Erkrankung fressen sich die Parasiten in die Darmschleimhaut, lösen schwere Durchfälle aus und zerstören letztlich das Gewebe.

Wegen dieser wenig appetitlichen Verwandtschaft hat nun ein Forscherteam um Arne Schäfer von der Charité – Universitätsmedizin Berlin näher untersucht, wie häufig der Parasit Entamoeba gingivalis in der Mundhöhle vorkommt. Dabei zeigte sich: Vor allem im Mundraum von Menschen mit Zahnfleischentzündungen sind diese Amöben sehr häufig und in hoher Zahl vorhanden. Bei 80 Prozent der 158 untersuchten Patienten mit Parodontitis und 15 Prozent der gesunden Kontrollprobanden wiesen die Forscher Entamoeba gingivalis in den Zahnfleischtaschen nach.

Ähnlich zerstörerisch wie der Amöbenruhr-Erreger

Was aber tut diese Amöbe im Zahnfleisch? Wie die Forscher mithilfe von Zellkultur-Experimenten herausgefunden haben, siedelt dieser Einzeller nicht nur auf unseren Schleimhäuten, er dringt auch in das Zahnfleischgewebe ein. Dort zerstört die Amöbe die Zellen, nimmt ihren Inhalt in sich auf und tötet sie dadurch ab. „In der Folge können vermehrt Bakterien eintreten und die Entzündung und Gewebezerstörung weiter verstärken“, erklärt Schäfer. Im Laufe der Zeit wird dadurch das Gewebe zerstört.

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Damit verhält sich die Mundamöbe ähnlich wie ihr Amöbenruhr auslösender Verwandter. “ Entamoeba gingivalis trägt im Zahnfleisch aktiv zur Gewebszerstörung bei und aktiviert dieselben Abwehrmechanismen des menschlichen Wirtes wie E. histolytica während der Invasion in die Darmschleimhaut“, erklärt Schäfer. „Der durch einfache Tröpfcheninfektion übertragbare Parasit ist somit ein möglicher Verursacher schwerwiegender oraler Entzündungskrankheiten“, sagt Schäfer.

Erklärung für hartnäckige Zahnfleischentzündungen

Diese zerstörerische Wirkung der Mundamöbe könnte auch erklären, warum viele schwere Zahnfleischentzündungen so hartnäckig und schwer zu heilen sind: Bekämpft man nur die Bakterien, kann die Amöbe trotzdem weiter das Gewebe zerstören. „Bislang werden weder die Infektion noch die erfolgreiche Eliminierung dieses Parasiten in der Therapie einer Parodontitis berücksichtigt“, sagt Schäfer. Erschwerend kommt hinzu, dass Entamoeba-Arten oft resistent gegenüber körpereigenen Abwehrzellen und antimikrobiellen Peptiden sind. Auch Antibiotika wirken häufig nicht.

Die Wissenschaftler wollen nun in einer Folgestudie klären, ob die gezielte Bekämpfung und Beseitigung der Mundamöben effektiver gegen wiederkehrende Zahnfleischentzündungen wirken. (Journal of Dental Research, 2020; doi: 10.1177/0022034520901738)

Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin

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