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Medizin

Impfung mit Krebszellen hilft gegen Hirntumore

Studie: Patienten leben deutlich länger

Eine Impfung mit körpereigenen Krebszellen, die während einer Operation entnommen und dann verändert werden, kann die Überlebenszeit von Patienten mit bestimmten Hirntumoren verlängern. Dies haben Forscher der Universität Heidelberg gemeinsam mit Medizinern des Deutschen Krebsforschungszentrums in einer neuen Studie gezeigt.

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Das Glioblastom ist eine der bösartigsten Krebsarten überhaupt. Trotz aller Fortschritte der Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie bleibt die Prognose für Patienten mit einem Glioblastom schlecht. Ihre durchschnittliche Überlebenszeit beträgt nicht mehr als ein Jahr.

Glioblastome nehmen ihren Ausgang in den Zellen der Neuroglia, dem auch für die Immunabwehr wichtigen Unterstützungsgewebe der Nervenzellen des Gehirns. Sie durchdringen das umliegende Gewebe schnell und setzen dabei Substanzen frei, die dessen Immunabwehr hemmen, so dass es dem Angriff der Krebszellen fast wehrlos ausgesetzt ist. Eine Therapie, die die Immunabwehr wachrüttelt, damit sie den Tumor in Schach halten kann, scheint deshalb eine lohnende Strategie gegen Glioblastome zu sein.

Zehn Millionen Tumorzellen pro Dosis

Die Injektion der gleichen Tumorzellen, die es innerhalb des Körpers bisher übersehen oder toleriert hat, macht das Immunsystem schlagartig auf den Feind im Inneren aufmerksam, so dass es mit Antikörpern und Killerzellen den Kampf aufnehmen kann. Noch empfindlicher reagiert das Immunsystem auf diese Injektion, wenn der Impfstoff mit einem Adjuvans – es wirkt wie ein zusätzliches Gefahrensignal – aufgerüstet ist.

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Das war im Fall der Heidelberger Forscher um Privatdozent Dr. Hans-Herbert Steiner von der Neurochirurgischen Klinik ein für den Menschen normalerweise ungefährliches Vogelvirus, das sich nur in Tumorzellen vermehren kann und deren Erkennbarkeit für das Immunsystem erhöht. Mit diesem Virus wurden die Tumorzellen, die den Patienten nach der Operation entnommen worden waren, infiziert. Eine Dosis des Impfstoffs enthielt dann zehn Millionen derart modifizierter Tumorzellen des jeweiligen Patienten.

Zwischen Dezember 1995 und April 2001 impften die Heidelberger Forscher 23 Patienten mit Glioblastomen mit körpereigenen Tumorzellen.

Ihnen gegenüber stand eine Kontrollgruppe von 87 Patienten, die nicht geimpft wurde. Alle Patienten hatten nach der chirurgischen Resektion ihres Tumors an einer Strahlentherapie, viele von ihnen auch noch an einer Chemotherapie teilgenommen. Bis zu acht Mal wurden die 23 Patienten der Verumgruppe mit jeweils drei bis vier Wochen Abstand in die Haut ihres Oberschenkels geimpft.

Doppelte Überlebensrate auch in größeren Studien?

Die Impfungen wurden von den Patienten gut vertragen und riefen keine Nebenwirkungen hervor, die die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigt hätten. Bei den geimpften Patienten konnten deutlich erhöhte Zahlen von Anti-Tumor-Immunzellen nachgewiesen werden. Die durchschnittliche Überlebenszeit der geimpften Patienten betrug 100 Wochen – gegenüber einem durchschnittlichen Wert von 49 Wochen in der Kontrollgruppe. 39 Prozent der geimpften Patienten überlebten länger als zwei Jahre – während dies in der Kontrollgruppe nur elf Prozent gelang.

„Das ist eine hohe Überlebensrate, die bisher noch mit keiner anderen Behandlungsart erreicht wurde“, kommentiert Hans Herbert Steiner, erinnert aber gleichzeitig daran, dass die Ergebnisse der Pilotstudie nicht ohne weiteres zu verallgemeinern seien. Denn die Studie habe nur wenige Patienten eingeschlossen, die zudem nicht nach dem Zufallsprinzip den beiden Gruppen zugeteilt worden seien. Sie weise aber mit ihren bemerkenswerten Resultaten in Richtung eines vielversprechenden Behandlungskonzeptes für Glioblastome, dessen Effektivität nun in größeren, randomisierten Studien geprüft werden solle.

(idw – Universitätsklinikum Heidelberg, 21.11.2005 – DLO)

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