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Medizin

HIV: Antikörper-Erfolg macht Hoffnung

Antikörper-Therapie hemmt bei SIV bei Rhesusaffen auch nach Ende der Therapie

HI-Viren auf einer Zelle. Bisher lässt sich ihre Vermehrung nur durch ständige Einnahme antiviraler Mittel eindämmen. © NIAID/NIH

Neue Hoffnung für HIV-Infizierte: Ein gegen Darmkrankheiten eingesetztes Antikörper-Präparat könnte gegen HIV wirken – und das effektiver und nachhaltiger als herkömmliche antivirale Therapien. In Versuchen mit Affen hemmten die Antikörper die Vermehrung der HIV-ähnlichen SI-Viren noch zwei Jahre nach Ende der Behandlung, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Erste klinische Studien mit HIV-Patienten sind in den USA bereits angelaufen.

Rund 36 Millionen Menschen sind weltweit mit HIV infiziert, in Deutschland sind es rund 80.000. Ein Heilmittel gegen die tödliche Virusinfektion gibt es bislang nicht, HIV-Positive müssen daher ihr Leben lang antivirale Medikamente schlucken. Die Mittel blockieren die Vermehrung der HI-Viren in den befallenen Zellen und verzögern so den Ausbruch der Krankheit. Ihre ständige Einnahme geht jedoch mit Nebenwirkungen wie chronischen Entzündungen, Vergiftungserscheinungen und beschleunigter Alterung einher.

Antikörper statt antivirale Mittel

Doch jetzt haben Siddappa Byrareddy von der Emory University in Atlanta und seine Kollegen einen ganz neuen Ansatz für die HIV-Therapie getestet. Sie setzten statt antiviraler Mittel einen Antikörper ein, um die Vermehrung und Ausbreitung der HI-Viren im Körper zu verhindern. „Ziel der Studie war es, einen neuen Therapieansatz gegen Immundefizienz-Viren zu finden, der auch nach nur vorübergehender Anwendung die Vermehrung der Viren dauerhaft verhindert“, erklärt Koautor Lutz Walter vom Deutschen Primatenzentrum.

Für ihre Studie nutzten die Forscher Rhesusaffen, die mit dem Simianen Immundefizienz-Virus (SIV) infiziert worden waren – einem engen Verwandten der HI-Viren und ihr möglicher Vorläufer. Fünf Wochen nach ihrer Infektion wurden die Affen 90 Tage lang mit einem gängigen antiretroviralen Medikament behandelt. Ein Teil von ihnen bekam zusätzlich knapp ein Jahr lang alle drei Wochen eine Dosis des alpha4-beta7- Antikörpers, eine Kontrollgruppe erhielt einen unwirksamen Pseudo-Antikörper.

Rhesusaffen im Freigehege des Deutschen Primatenzentrums. © Anton Säckl

Virenfrei auch nach Therapieende

Das Ergebnis: Nach Ablauf der Therapie waren Blut und Darmgewebe der mit dem Antikörper behandelten Tiere nahezu virenfrei – ihre Virenlast lag unter der Nachweisgrenze, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig hatte die Zahl der für das Immunsystem wichtigen CD4+-T-Zellen bei diesen Affen wieder zugenommen und blieb auch nach Ende der Therapie stabil.

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Das Überraschende und Erstaunliche aber: Selbst zwei Jahre nach der letzten Antikörper-Gabe blieben die Rhesusaffen gesund. Noch immer waren in ihren Geweben keine HI-Viren nachzuweisen und das Immunsystem funktioniert weiterhin normal, wie die Forscher berichten. „Diese Ergebnisse machten uns sprachlos, sie waren einfach erstaunlich“, sagt Koautor Anthony Fauci vom U.S. National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in Bethesda.

Übertragbar auf den Menschen?

Noch ist diese Antikörper-Therapie nur bei Rhesusaffen und gegen SIV getestet. Doch die Forscher sind zuversichtlich, dass das Prinzip auch beim Menschen HIV dauerhafter eindämmen kann als bisherige Therapien. „Wir haben guten Grund zur Hoffnung, dass die Therapie im Menschen ganz ähnlich funktioniert“, sagt Lutz Walter. „Es wäre ein Durchbruch für die zukünftige Behandlung von HIV-Patienten.“

In den USA hat vor drei Wochen bereits eine klinische Studie mit zunächst 20 HIV-Patienten begonnen. Möglich wurde dies, weil der Antikörper als Präparat Vedolizumab in Europa und den USA bereits zugelassen ist. Mit ihm werden chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa behandelt. Deshalb ist bereits bekannt, dass er verträglich und sicher ist.

Wirkmechanismus erst in Teilen klar

Wie genau der alpha4-beta7-Antikörper seine anhaltende Wirkung gegen das HI-Virus erzielt, ist bislang unklar. Die Wissenschaftler vermuten aber, dass es mit der Präsenz von alpha4-beta7- Rezeptoren auf den Zellen der Darmschleimhaut zusammenhängt. Diese Rezeptoren ermöglichen es den T-Zellen des Immunsystems, in die Darmzellen einzuwandern. Dort werden sie dann normalerweise Opfer der HI-Viren und bilden gleichzeitig deren Depots.

„Es ist bekannt, dass die SI- und HI-Viren sich insbesondere in den CD4+-T-Zellen in der Darmschleimhaut vermehren und eine chronische Infektion etablieren“, erklärt Walter. „Der Antikörper verhindert das Einwandern dieser Immunzellen in die Darmschleimhaut. Eine weitere Ausbreitung der Viren wird dadurch effektiv unterbunden.“

Noch allerdings bleiben einige Fragen offen. Die Details des Wirkmechanismus sind ungeklärt, ebenso wie die Frage, wie lange die Wirkung dieser Antikörper-Therapie anhalten kann. Die jetzt laufende Studie mit Vedolizumab soll zudem zeigen, ob und welche Unterschiede es möglicherweise in der Wirkung auf SIV und HIV gibt. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aag1276)

(AAAS/ Deutsches Primatenzentrum/ Emory Health Sciences, 14.10.2016 – NPO)

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