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Medizin

Hilft ein Naturstoff gegen Alzheimer?

Von Bakterien an der Ginseng-Wurzel erzeugte Substanz löst Protein-Ablagerungen auf

Ginseng
Nicht der Ginseng selbst, aber eine Mikrobe, die an der Wurzel dieser Heilpflanze lebt, produziert einen neuartigen Wirkstoffkandidaten gegen Alzheimer. © beemore/ iStock.com

Neuer Ansatz gegen die Demenz: Ein an Ginsengwurzeln entdeckter Naturstoff könnte Hoffnung für effektivere Alzheimer-Therapien bieten. Das von Wurzelbakterien erzeugte Rhizolutin löst die für die Demenzerkrankung typischen Proteinablagerungen auf und hemmt Entzündungen, wie Versuche mit Mäusen und Zellkulturen ergaben. Der Wirkmechanismus ist dabei ähnlich wie bei einigen zurzeit getesteten Imuntherapien gegen die Plaques

Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen, doch bisher gibt es kein Heilmittel gegen die Demenz. Zwar können einige Medikamente das Fortschreiten verlangsamen und auch eine magnetische Hirnstimulation könnte zumindest vorübergehend helfen. Stoppen oder sogar dauerhaft rückgängig machen lässt sich die Zerstörung der Hirnzellen aber bislang nicht.

Mikrobe macht aus Ginseng was ganz Neues

Neue Hoffnung macht nun eine Entdeckung von Forschern um Yun Kwon von der Nationaluniversität Seoul. Sie hatten Bakterien untersucht, die im Boden nahe der Ginsengwurzel leben – einer asiatischen Heilpflanze, deren Wurzeln als Stärkungsmittel gelten. Dabei zeigte sich: Eine zur Gattung Streptomyces gehörende Spezies dieser Wurzelmikroben nutzt offenbar Rohstoffe des Ginsengs, um daraus einen zuvor unbekannten Naturstoff zu produzieren – das Rhizolutin.

Um mehr über diesen Naturstoff zu erfahren, kultivierten die Forscher diese Bakterien auf einem mit Ginseng-Pulver versetzten Nährmedium im Labor. Dies brachte die Mikroben dazu, zehnmal mehr Rhizolutin zu produzieren als im Erdreich – und damit genug, um seine chemische Struktur zu aufzuklären. Wie die Analysen ergaben, hat das Rhizolutin-Molekül einen zuvor noch nie beobachteten Aufbau. Es besteht aus drei verknüpften Ringen, die von einem sieben- und einem sechsgliedrigen Ring flankiert werden.

Alzheimer-Plaques bei Mäusen aufgelöst

Das Spannende daran: Als Kwon und sein Team in Naturstoff-Datenbanken nach ähnlichen Molekülen suchten, wurden sie fündig. Die Vergleiche legten nahe, dass Rhizolutin sich als Ausgangsstoff für ein Alzheimer-Medikament eignen könnte. Denn seiner Chemie nach könnte es ähnlich wirken wie Mittel, die die für Alzheimer typischen Ablagerungen aus fehlgefalteten Amyloid-Beta- und Tau-Proteinen auflösen.

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Rhizolutin-Wirkung
Rhizolutin (hier als Formel) löst bei Mäusen verklumpte Amyloid- und Tau- Proteine in ihre Grundeinheiten auf. © Wiley-VCH

Aber ist dies auch der Fall? Um das zu prüfen, führten die Wissenschaftler Tests mit an Alzheimer leidenden Mäusen und mit Zellkulturen von menschlichen Neuronen und Gliazellen durch. Das Ergebnis: „Die Behandlung der Mäuse mit Rhizolutin führte zu einer signifikanten Auflösung von Proteinplaques im Hippocampus der Tiere“, berichten Kwon und seine Kollegen. Der Naturstoff löste dabei sowohl die Amyloid-Plaques als auch die verknäulten Tauproteine. In den Zellkulturen hemmte Rhizolutin die durch Amyloid-Beta verursachten Entzündungen und das Absterben der Zellen.

Wirkungsweise ähnlich wie Immuntherapien

„Unsere Ergebnisse belegen, dass diese einzigartige chemische Verbindung sowohl die Amyloid-Plaques als auch die Tau-Proteine angreift“, schreiben die Forscher. Auf Basis von Computersimulationen vermuten sie, dass das Rhizolutin in wasserabweisende Bereiche der fehlgefalteten Proteine eindringt und dadurch die Klumpen löst.

Damit wirkt das Rhizolutin an ähnlicher Stelle und auf ähnliche Weise wie einige in klinischen Studien getesteten Immuntherapien, wie Kwon und sein Team erklären. Bei diesen sollen unter anderem spezielle Antikörper an die Proteine in den Plaques binden und sie so zersetzen. Die Parallelen bieten eröffnen die Chance, dass sich auch Rhizolutin als Wirkstoff gegen Alzheimer eignen könnte.

Ob das so ist, muss aber erst in weiteren Studien überprüft werden. Denn schon viele in Mäuseversuchen erfolgreiche Mittel haben sich dann doch als beim Menschen unwirksam erweisen. (Angewandte Chemie, 2020; doi: 10.1002/ange.202009294)

Quelle: Wiley, Angewandte Chemie

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