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Medizin

Hauttransplantation gegen Diabetes?

Einpflanzen eines genveränderten Hautstücks verhindert Diabetes und Übergewicht bei Mäusen

Ein genverändertes Hautstück könnte künftig gegen Krankheiten wie Diabetes Typ-2 oder Übergewicht helfen. © sciencestock/ iStock.com

Ungewöhnliche Therapie: Diabetes und Übergewicht könnten sich künftig durch eine verblüffend simple Methode behandeln lassen: durch das Einpflanzen eines kleinen, genveränderten Hautstücks. Bei Mäusen hat dies jetzt erstaunlich gut funktioniert. Trotz fettreicher Kost nahmen die Tiere weder zu, noch entwickelten sie Diabetes. Diese Methode könnte auch beim Menschen funktionieren und dann auch gegen andere Krankheiten eingesetzt werden, wie die Forscher erklären.

Als Folge unserer Lebensweise werden Diabetes Typ-2 und Übergewicht bei uns immer häufiger. Durch falsches und zu reichliches Essen, Süßigkeiten am Abend, zuckerhaltige Limonaden und zu wenig Bewegung tragen schon ein Drittel der Weltbevölkerung zu viele Pfunde mit sich herum. Oft jedoch spielt auch die genetische Veranlagung eine Rolle. Bestimmte Genvarianten fördern das Risiko für Übergewicht und als Folge auch Diabetes.

Hautstück als Therapeutikum

Genau an diesem Punkt setzt nun eine ganz neue Form der Therapie an: Xiaoyang Wu und sein Team von der University of Chicago wollen Diabetes, Übergewicht und weitere Krankheiten künftig mit einer speziellen Gentherapie bekämpfen. Der Clou: Die Behandlung erfolgt einfach durch die Transplantation eines kleinen, genveränderten Hautstücks.

Möglich wird dies, weil die Zucht menschlicher Haut aus Vorläuferzellen inzwischen Routine ist. Sie wird beispielsweise genutzt, um Verbrennungsopfern neue, eigene Haut transplantieren zu können. „Solche autologen Hauttransplantationen sind relativ günstig, die Prozedur ist minimal-invasiv und sicher und wird schon seit Jahrzehnten in der Klinik eingesetzt“, erklären Wu und seine Kollegen.

Die Methode

Wie aber wird ein Hautstück zum Therapeutikum? Die Forscher dafür zunächst die Genschere CRISPR/Cas9, um in Hautzellkulturen von Mäusen das Gen mit der Bauanleitung für das sogenannte Glukagon-ähnliche Peptid 1 (GLP1) zu verändern. Aus früheren Studien ist bekannt, dass dieses Peptidhormon die Bauchspeicheldrüse zu einer vermehrten Produktion von Insulin animiert. Gleichzeitig hemmt das Hormon den Appetit und beugt Übergewicht vor.

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Die mittels Haut-Transplantation behandelte Maus (links) blieb schlank und gesund, die Kontrollmaus dagegen nicht. © Wu Laboratory/ University of Chicago

Die Forscher schleusten in zuvor entnommene Hautvorläuferzellen einen Code ein, der bei Kontakt mit einem Antibiotikum zu einer Überproduktion dieses Peptidhormons führt. Aus den solcherart genveränderten Zellen züchteten sie ein für die Transplantation geeignetes Hautstück und pflanzten es Mäusen ein. Diese Mäuse und eine unbehandelte Kontrollgruppe bekamen nun besonders fettreiches Futter.

Schlank und gesund trotz fettem Futter

Das Ergebnis: Alle unbehandelten Mäuse wurden dick und entwickelten erste Vorstufen eines Diabetes. Doch die Mäuse mit dem genveränderten Hautstück blieben schlank und gesund – wenn das veränderte Gen im Hautstück mittels Antibiotikagabe angeschaltet wurde. „Damit haben wir Haut in einen in vivo-Reaktor umgewandelt, der GLP1 in kontrollierter Weise produziert“, so Wu und seine Kollegen.

Nähere Analysen zeigten, dass die behandelten Mäuse dadurch Zucker besser verstoffwechseln konnten und auch weniger dazu neigten, eine Insulin-Resistenz zu entwickeln. „Dies spricht dafür, dass eine solche Haut-Gentherapie zur Behandlung und Vorbeugung von Übergewicht und den damit verbundenen Erkrankungen geeignet ist“, konstatieren die Forscher.

Auf den Menschen übertragbar?

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte diese Methode künftig auch beim Menschen relativ problemlos eingesetzt werden. Wie sie ausrechneten, könnte ein 20×20 Zentimeter großes Hautstück für die Therapie ausreichen. Der große Vorteil: Die Züchtung und Herstellung menschlicher Haut ist etablierter und einfacher als bei Mäusen. Gleichzeitig ist es leicht, die Gentherapie bei Komplikationen sofort wieder zu beenden: Man entfernt einfach das transplantierte Hautstück wieder.

„Wir glauben, dass diese Plattform das Potenzial hat, eines Tages eine sichere und nachhaltige Gentherapie für den Menschen zu ermöglichen“, sagt Wu. „Diese Methode könnte zudem für die Behandlung vieler Krankheiten eingesetzt werden. Man könnte so therapeutische Proteine verabreichen oder fehlende Proteine bei einem Gendefekt wie der Bluterkrankheit ersetzen.“ (Cell Stem Cell, 2017; doi: 10.1016/j.stem.2017.06.016)

(University of Chicago Medical Center, 07.08.2017 – NPO)

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