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Medizin

Haaranalyse kein Beweis für Cannabis-Konsum

Cannabinoide können über Schweiß auf andere Personen übertragen werden

Eindeutig nachweisbar? Schon mit dem Rauch von Cannabisprodukten gelangen vermeintlich eindeutige Bestandteile auf die Haare. © iStock.com / agafapaperiapunta

Zweifelhafter Nachweis: Kiffen oder Haschisch-Kekse hinterlassen weniger zuverlässige Spuren in den Haaren als bisher angenommen. Der Grund: Die verräterischen Cannabinoide werden mit Schweiß und Talg ausgeschieden und könnten so auch auf andere Personen übertragen werden, wie deutsche Wissenschaftler in einem Selbstversuch herausgefunden haben. Die Haaranalyse liefert demnach keinen eindeutigen Beweis für den Konsum von Cannabis-Produkten, schreiben die Forscher im Journal „Scientific Reports“.

Haare bilden oft die Grundlage für Drogentests, ob bei forensischen Ermittlungen oder beim Prüfen der Fahrtauglichkeit im Straßenverkehr. Der Konsum von Marihuana oder Haschisch soll sich so zum Beispiel nachweisen lassen: Das THC, der Wirkstoff aus den Cannabisprodukten, sowie dessen spezifische Abbauprodukte lagern sich in den Haaren an. An diesen Cannabinoiden lässt sich nicht nur der Konsum selbst erkennen, sondern es ist auch ungefähr abschätzbar, wann jemand seinen letzten Joint geraucht hat – soweit die Theorie.

Cannabinoide aus dem Rauch auf die Haare

In der Praxis sieht dies jedoch komplizierter aus: THC in den Haaren zu finden, beweist nach Erkenntnissen von Forschern um Volker Auwärter vom Universitätsklinikum Freiburg noch gar nichts. Schon durch Cannabis-Rauch gelangt eine größere Menge des Wirkstoffs auf die Haare und bleibt dort auch nach zahlreichen Haarwäschen erhalten, fanden die Forscher in früheren Studien heraus.

Auch durch das bloße Hantieren mit Cannabis gelangen leicht nachweisbare Mengen von Cannabinoiden oder dessen Vorläufer von den Händen auf die Haare. Die Ergebnisse einer Haaranalyse werden dadurch verzerrt oder sogar falsch positiv. Aus diesem Grund galten bislang die Abbauprodukte des THC als zuverlässiger: Da der Abbau im Körper stattfindet, sollten sie nur in den Haaren desjenigen auftauchen, der tatsächlich gekifft hat. Auwärter und Kollegen hatten jedoch auch an der Verlässlichkeit dieses Tests ihre Zweifel.

Cannabis-Test im Selbstversuch

Die Forscher überprüften die Qualität der Haaranalyse darum in einem Selbstversuch: Zwei Freiwillige schluckten über einen Zeitraum von 30 Tagen dreimal täglich 2,5 Milligramm Dronabinol. Dabei handelt es sich um halbsynthetisch hergestelltes THC. Durch die orale Einnahme des Wirkstoffs konnten sie ausschließen, dass Cannabinoide über Rauch, angefasstes Haschisch oder ähnliche Quellen indirekt auf die Haare gelangt.

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Die anschließende Analyse zeigte: Der Wirkstoff THC war zwar im Blut der Probanden nachweisbar, tauchte aber zu keinem Zeitpunkt in Kopf- und Barthaaren oder in der Körperbehaarung auf. Das Abbauprodukt THC-COOH, das ausschließlich im Körper gebildet wird, fanden die Forscher hingegen schon – allerdings auch in Teilen der Haare, die schon drei bis vier Wochen vor Versuchsbeginn gewachsen waren.

Woher konnten diese Spuren stammen? Die Antwort brachte eine Analyse von Schweiß und Hauttalg der Probanden: Diese enthielten ebenfalls deutlich nachweisbare Mengen von THC-COOH. Offenbar wird das Abbauprodukt über die Schweiß- und Talgdrüsen ausgeschieden und gelangt so auf die Oberfläche der Haare. Den Forschern zufolge wird es nicht über den Blutstrom in die Haare transportiert wie bisher angenommen.

Schwerwiegende Folgen bei falschem Drogentest

Auf diesem Wege lässt sich auch nicht mehr ausschließen, dass der Stoff zum vermeintlich eindeutigen Nachweis auf andere Personen übertragen wird, beispielsweise beim engen Kontakt zu Kindern oder Partnern. Das kann schwerwiegende Folgen haben, denn bei Drogentests in Haaren geht es unter Umständen um viel mehr als einen Führerschein: „Die neuen Erkenntnisse sind insbesondere bei Analysen von Kinderhaarproben im Rahmen von Sorgerechtsfragen von Bedeutung“, betont Auwärter, „da eine Cannabinoid-Übertragung bei engem Körperkontakt besonders wahrscheinlich ist und zu völlig falschen Rückschlüssen führen kann.“

In Ländern, in denen bei Arbeitnehmern oder Bewerbern Drogenkontrollen durchgeführt werden, könnten die falsch interpretierten Ergebnisse einer Haaranalyse zum Verlust des Arbeitsplatzes oder zum Ausschluss vom Bewerbungsverfahren führen, so der Experte. (Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep14906)

(Universitätsklinikum Freiburg, 08.10.2015 – AKR)

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