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Neurobiologie

Gehirn speichert Stimmen unterschiedlich

Charakteristische Stimmen hinterlassen schon beim ersten Hören eine Gedächtnisspur

Charakteristische Stimmen verarbeitet das Gehirn beim ersten Hören anders. © freeimages

Das Gehirn hört zu: Besonders charakteristische Stimmen verarbeitet unser Gehirn offenbar schon beim ersten Hören anders als Stimmen, die schnell wieder in Vergessenheit geraten. Außerdem sind Menschen in der Lage, eine Stimme auch nach nur flüchtigem Hören erstaunlich gut wiederzuerkennen, wie eine Studie deutscher Wissenschaftler zeigt. Eine besonders wohlklingende oder ausgebildete Stimme bringt den Forschern zufolge daher Vorteile in der Alltagskommunikation.

Ob hoch oder tief, piepsig oder rauchig – die Stimme eines Menschen ist so individuell wie der Fingerabdruck. Beim Zuhören vermischt sich der Eindruck der Stimme mit den Sprachinformationen, also dem Inhalt des Gesagten, aber auch dem Dialekt des Sprechers. „Aber selbst der reine Klang der Stimme verrät vieles über ihren Besitzer, wie etwa über die Persönlichkeit, das Alter, das Geschlecht, die Stimmung und die Identität“, sagt Neuropsychologin Romi Zäske von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Vor allem die Stimmen von vertrauten Personen lassen sich leicht wiedererkennen: „Da reicht manchmal schon ein kurzes Räuspern oder Lachen.“

Stimmerkennung unabhängig vom gesprochenen Inhalt

Wie gut Menschen sich dagegen an ihnen kaum bekannte Stimmen erinnern, haben Zäske und ihre Kollegen nun genauer untersucht. Für ihre Studie ließen die Wissenschaftler zunächst 48 Personen mehrere kurze Sätze einsprechen. Diese Aufnahmen spielten sie anschließend 24 weiteren Testpersonen vor. Diese Lernphase wiederholten die Forscher mehrmals, so dass die Probanden insgesamt sechs Stimmen jeweils zwölfmal gehört hatten. Anschließend folgte die Testphase: Die Versuchspersonen hörten bekannte und unbekannte Stimmen, sowohl mit denselben als auch mit neuen Sätzen.

„Die Probanden waren erstaunlich gut in der Lage, die ihnen bekannten Stimmen von den fremden zu unterscheiden, obwohl sie von diesen zuvor nur wenige kurze Sätze gehört hatten“, sagt Zäske. Dabei konnten sie die Sprecher auch dann wiedererkennen, wenn die in Lern- und Testphase gesprochenen Texte voneinander abwichen. Das zeigt, dass die Studienteilnehmer tatsächlich die Stimme erkannten, unabhängig vom Inhalt des Gesagten.

Neuropsychologin Romi Zäske (hinten) bereitet eine Probandin vor, um mittels Elektroenzephalografie deren Gehirnaktivität beim Lernen von Stimmen zu messen. © Jan-Peter Kasper/FSU

Gleichzeitig zeichneten die Forscher mittels Elektroenzephalografie (EEG) die Gehirnaktivität der Testpersonen auf. Dabei zeigte sich: Gelernte und später wiedererkannte Stimmen verarbeitet das Gehirn anders als solche, die wieder vergessen werden – und das unabhängig vom Inhalt der Äußerungen. Denn sobald die Testpersonen eine Stimme hörten, an die sie sich später erinnern konnten, veränderte sich das gemessene EEG-Muster – für die Forscher ein Hinweis für eine veränderte Hirnaktivität.

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Gedächtnisspur für Stimmen mit Wiedererkennungswert

„Das Gehirn legt bereits in der Lernphase für bestimmte Stimmen eine Gedächtnisspur an“, erläutert Zäske. „Diese wird später wieder aktiviert, die Stimme erfolgreich aus dem episodischen Gedächtnis abgerufen und damit als bekannt identifiziert.“ Beim Lernen und Wiedererkennen von Gesichtern und Wörtern haben Forscher diesen Effekt bereits früher beobachtet. „Doch das ist das erste Mal, dass wir solche Gedächtnisspuren auch für das Lernen von Stimmen nachweisen konnten“, betont Koautor Stefan Schweinberger von der Uni Jena.

Von einer wohlklingenden Stimme mit Wiedererkennungswert profitieren demnach nicht nur Musiker und Schauspieler, sondern sie hilft auch in der alltäglichen Kommunikation. Warum sich aber manche Stimmen besser ins Gedächtnis einbrennen als andere, wollen die Jenaer Neuropsychologen in Zukunft untersuchen. Doch ihre Ergebnisse zeigen bereits jetzt: Stimmtraining lohnt sich, denn das Gehirn hört ganz genau zu.

(The Journal of Neuroscience, 2014; doi: 10.1523/JNEUROSCI.0581-14.2014))

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 15.08.2014 – AKR)

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