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Medizin

Frühwarnsignal für gefährliches Vorhofflimmern aufgespürt

Neue Strategie vermindert Hirnschlag-Risiko

Knapp ein Viertel aller Hirnschlagpatienten ist aufgrund von elektrischen „Gewittern“ im Vorhof des Herzens, dem so genannten Vorhofflimmern, von einem erneuten Hirnschlag bedroht. Wissenschaftler haben nun eine neue Strategie entwickelt, um diese Risikogruppe rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.

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Der Hirnschlag ist in manchen Ländern Europas dritthäufigste Todesursache und häufigster Grund für eine vorzeitige Invalidität. Personen, die einen Hirnschlag erlitten haben, sind außerdem der besonderen Gefahr ausgesetzt, zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Mal einen Schlaganfall zu erleiden, wobei die Gründe dafür verschieden sein können. Eine relativ häufige Ursache für das neuerliche Auftreten eines Hirnschlags ist das so genannte Vorhofflimmern. Dadurch kann sich im linken Herzvorhof ein Blutgerinnsel bilden, das zu einem Schlaganfall führt. Die Gefahr kann mit der Einnahme von Blutverdünnungsmitteln reduziert werden.

Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass ein plötzlich auftretendes Vorhofflimmern von den Betroffenen höchst unterschiedlich wahrgenommen wird: Während die einen beim Auftreten einer solchen Störung fast in Panik geraten, merken andere nicht einmal, dass sich in ihrem Körper etwas Außergewöhnliches ereignet hat. Doch auch für die Medizin ist es nicht einfach, ein bestehendes Vorhofflimmern nachzuweisen und als Ursache eines Hirnschlagrisikos zu erkennen.

Bisheriges Zeitfenster war zu klein

Bislang war es üblich, dass man bei Patienten drei bis vier Tage nach dem Hirnschlag ein 24-Stunden-Elektrokardiogramm (EKG) durchführte, um den Herzrhythmus zu kontrollieren. „Doch dieses Vorgehen allein bringt nicht viel, da 24 Stunden zu kurz sind“, sagt der Kardiologe Etienne Delacrétaz, Professor für Rhythmologie und Elektrophysiologie am Inselspital Bern. Der Grund liegt darin, dass es nicht nur ein chronisches Vorhofflimmern gibt, sondern auch ein anfallartiges: Der Herzrhythmus kann zum Beispiel während einer Woche in Ordnung sein, anschließend zwei Tage abnormal, dann wieder normal.

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Eine frühere Berner Pilotstudie hatte bereits Frühwarnsignale für das Vorhofflimmern angedeutet: Patienten, die in einem 24-Stunden-EKG mehr als 70 Extrasystolen – frühzeitige elektrische Impulse – aufwiesen, waren auch häufiger vom Vorhofflimmern betroffen. Aufgrund dieser Resultate entwickelten die Berner Kardiologen eine neue Strategie, um Hirnschlagpatienten mit Vorhofflimmern besser aufzuspüren: Zusätzlich zum 24-Stunden-EKG werden die Risikopatienten – jene mit mehr als 70 Extrasystolen im 24-Stunden-EKG – innerhalb von sechs Monaten drei Mal einem 7-Tage-EKG unterzogen.

Dass diese Strategie sinnvoll ist, haben die Forscher nun an 127 Patienten nachgewiesen: Bei den Risikopatienten erlaubten die Langzeit-EKG, in 26 Prozent der Fälle ein Vorhofflimmern zu diagnostizieren. Bei den anderen waren nur sechs Prozent betroffen. Die Resultate sind kürzlich in der Fachzeitschrift „Stroke“ erschienen.

Neue Strategie mit alten Werkzeugen

Mit dieser Untersuchungs- und Behandlungsmethode wurde am Inselspital zwar nicht das Rad neu erfunden: „Wir haben keine neuen Werkzeuge erfunden, aber aufgrund unserer Studienergebnisse konnte mit alten Werkzeugen eine neue Strategie entwickelt werden, die das Hirnschlagrisiko bei gewissen Patienten senken kann“, sagt Delacrétaz. Nun hoffen die Berner Mediziner natürlich, dass diese Strategie auch in anderen Städten und Ländern zum neuen Standard wird.

Vorhofflimmern: Elektrisches Gewitter im Vorhof des Herzens

Jeder Herzschlag, der das Blut in die Arterien pumpt, wird durch einen elektrischen Impuls ausgelöst, wobei eine Gruppe von Zellen (Sinusknoten) im rechten Vorhof den Takt angibt. Wird dieser Takt gestört oder halten sich die Zellen nicht an den vorgegebenen Takt, beginnt das Herz unregelmäßig zu schlagen. Beim so genannten Vorhofflimmern, der häufigsten Herzrhythmusstörung, kommt es gar zu einem eigentlichen „elektrischen Gewitter“.

Im Vorhof des Herzens entwickelt sich laut Delacrétaz „eine chaotische Aktivität“. Glücklicherweise überträgt sich dieses Chaos – dank eines im Körper vorhandenen elektrischen Filters – nicht sofort auf die Herzkammern, denn sonst würde dies zu einem sofortigen Herzstillstand führen. Bis heute ist nicht genau bekannt, wodurch das Vorhofflimmern verursacht wird. Vor wenigen Jahren wurde allerdings festgestellt, dass die „elektrischen Störenfriede“ (Trigger), die durch ihre Impulse ein Vorhofflimmern auslösen, ihren Ursprung am Übergang zwischen den Lungenvenen und dem Vorhof haben. Die dortigen Übergangszellen, so Delacrétaz, „warten nicht auf den Orchestermeister“, sondern verursachen im Vorhof frühzeitige elektrische Impulse.

(Schweizerischer Nationalfonds, 06.08.2007 – DLO)

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