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Evolution

Frühmenschen: Schlau durch Stärke?

Kohlenhydrate lieferten die nötige Energie für die Entwicklung des Gehirns

Stärkereiche Nahrung: Mais gab es damals zwar noch nicht, aber gegartes Essen lieferte unseren Vorfahren die für das große Gehirn nötigen Kohlenhydrate. © FreeImages.com / Santiago Arce

Doch nicht nur Fleisch: Im Gegensatz zur heute verbreiteten „Steinzeitdiät“ ohne Kohlenhydrate waren unsere frühen Vorfahren in der Altsteinzeit auf pflanzliche Stärke angewiesen. Denn erst diese Kohlenhydrate aus gekochter Nahrung konnten den gestiegenen Energiebedarf des wachsenden Gehirns decken, meinen Wissenschaftler. Demnach deuten die auf Zucker angewiesenen und spezialisierten Stoffwechselwege noch heute darauf hin. Dies steht

Wie wir Menschen unser großes Gehirn entwickeln konnten, ist in weiten Teilen noch rätselhaft. Die Ernährung spielte dabei wahrscheinlich eine große Rolle, insbesondere wie sie sich im Verlauf der letzten drei Millionen Jahre veränderte. Vor allem gekochtes Essen wirkte sich entscheidend aus: Zuvor erhitzte Nahrung ist leichter verdaulich und die Nährstoffe sind zugänglicher. Dadurch erhöht sich auch die Energie, die ein Mensch aus einer Portion Essen gewinnen kann.

Stärke als Energiequelle

Der Verzehr von Fleisch ist in diesem Zusammenhang viel diskutiert worden. Die Ansicht, mehr Fleisch zu essen habe den frühen Menschen das größere Gehirn ermöglicht, ist weit verbreitet. Der hohe Fleischkonsum unserer Vorfahren inspirierte auch moderne Diäten wie die kohlenhydrat-arme Steinzeitdiät.

Wissenschaftler um Karen Hardy von der Autonomen Universität Barcelona argumentieren anders: Ihnen zufolge deuten verschiedene archäologische, anthropologische, genetische, physiologische und anatomische Details darauf hin, dass Kohlenhydrate einen kritischen Anteil an der schnellen Entwicklung des menschlichen Gehirns hatten. Insbesondere Stärke als Energiequelle sei in der Forschung lange vernachlässigt worden.

Unser Gehirn braucht Zucker

Einen ersten Hinweis, wie wichtig Kohlenhydrate sind, liefert bereits die Hauptenergiequelle unseres Gehirns: Es verbraucht ein Viertel unseres täglichen Energiebedarfs, aber 60 Prozent der im Blut gelösten Glukose. Auch während der Schwangerschaft und beim Stillen ist der Glukosebedarf hoch, und ein Mangel beeinträchtigt die Gesundheit von Mutter und Kind. Dieser Zucker lässt sich zwar auch im Körper aus anderen Quellen synthetisieren. Die Aufnahme von Glukose mit der Nahrung ist jedoch viel effizienter.

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Weizen liefert wertvolle Nährstoffe, sofern er nicht zu stark vorverarbeitet wird. © Bluemoose / (CC BY-SA 3.0)

Die beste Quelle für Glukose ist den Forschern zufolge Stärke, die viele Pflanzen als Speicherstoff einlagern. Sie besteht aus langen Ketten verknüpfter Glukosemoleküle. Für unsere Vorfahren wäre sie aus verschiedenen Wurzeln, Samen und Nüssen leicht verfügbar gewesen. Rohe Stärke ist für Menschen allerdings nicht sehr gut zu verdauen. Mit dem Erhitzen verliert sie jedoch ihre kristalline Struktur und lässt sich auch in unseren Verdauungsorganen aufschließen.

Erst wirklich schlau durch Stärke

Diese zentrale Bedeutung der Stärke zeigt sich auch in unseren Genen: Das für die Spaltung der Stärkeketten zuständige Enzym Amylase ist im Menschen durchschnittlich gleich sechsmal im Erbgut codiert. Andere Primaten haben bloß zwei Kopien dieses Gens. Wann genau die frühen Menschen die zusätzlichen Amylase-Kopien erhielten, ist unklar. Genetische Untersuchungen deuten jedoch auf einen Zeitraum innerhalb der letzten eine Million Jahre hin.

Hardy und Kollegen sind der Ansicht, das Kochen von Nahrung und der Zuwachs an Amylase-Genen haben in einer Art Ko-Evolution stattgefunden. Dies wiederum erhöhte die Menge der für das Gehirn verfügbaren Glukose, insbesondere während der Entwicklung im Mutterleib. Vor rund 800.000 Jahren setzte dadurch ein Entwicklungsschub der menschlichen Intelligenz ein: Fleisch zu essen könne demnach gut der erste Auslöser dafür gewesen sein. Aber erst gekochte, stärkehaltige Nahrung zusammen mit den zusätzlichen Amylase-Genen hat uns wirklich schlau werden lassen. (The Quarterly Review of Biology, 2015; doi: 10.1086/682587)

(University of Chicago Press Journals, 07.08.2015 – AKR)

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