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Zellbiologie

Erster Zellatlas des Herzens

Forscher entdecken neue Zelltypen und unerwartete Unterschiede zwischen Mann und Frau

Herzmuskelzellen
Der neue Zellatlas enthüllt unter anderem, dass es verschiedene Subtypen von Herzmuskelzellen (grün) gibt. © Howard Hughes Medical Institute, Seidman Lab

Einzigartige Einblicke: Forscher haben erstmals fast 500.000 Zellen des menschlichen Herzens kartiert und ihre Genaktivität bestimmt. Dieser erste Herzzell-Atlas enthüllt zuvor unbekannte Subtypen bekannter Zellsorten, aber auch überraschende Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Demnach besitzen letztere mehr Herzmuskelzellen. Der Einblick in den zellulären Aufbau des Pumporgans kann die Erforschung von Herzkrankheiten voranbringen, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.

Unser Herz ist ein komplexes Organ – der Motor unseres Lebens. Mehr als 100.000 Mal pro Tag zieht es sich zusammen und pumpt sauerstoffreiches Blut durch unsere Adern. Wie in einem Orchester müssen dafür tausende von Herzzellen ihre Aktivität koordinieren. Doch wie dies passiert und welche Zellen wie arbeiten, ist erst in Teilen geklärt. Denn die meisten Herzzellen können nur begrenzt im Labor gezüchtet werden und Herzen von Tieren unterscheiden sich in vielen Aspekten vom menschlichen Pumporgan.

Fast 500.000 Zellen aus 14 menschlichen Herzen

Jetzt liefert der erste Zellatlas des Herzens mehr Einblick. Drei Jahre lang haben Forscher um Sarah Teichmann vom britischen Wellcome Sanger Institute und Norbert Hübner vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin an ihm gearbeitet. Als Studienobjekte dienten 14 menschlichen Herzen – sieben von Männern und sieben von Frauen – die zur Organspende, aber nicht transplantiert worden waren.

Die Forscher entnahmen Zellproben aus sechs Bereichen der Herzen und bestimmten zunächst deren individuelle genetische Merkmale. „Damit haben wir zum ersten Mal eine Art Postleitzahl, die uns für jede Zelle verrät, zu welcher Population sie gehört“, erklärt Koautorin Christine Seidman von der Harvard University. Im nächsten Schritt analysierten die Wissenschaftler die RNA in den Zellen und damit die Genaktivität.

Unerwartete Vielfalt und unbekannte Subtypen

Das Ergebnis ist ein Herzatlas, der Zelltyp, Position und Aktivität von fast einer halben Million verschiedenen Herzzellen zeigt. „Ich kann diese Leistung nur in einem Wort zusammenfassen: monumental“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Douglas Mann von der Washington University in St. Louis. Konkret enthüllten die Analysen eine unerwartete zelluläre Vielfalt im Pumporgan. In jedem Herzbereich fanden sich jeweils spezifische Kombinationen verschiedener Zelltypen.

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Die verschiedenen Zellen des Herzens besitzen außerdem zahlreiche zuvor unbekannte Subtypen. So gibt es viele verschiedene Herzmuskelzellen mit teilweise ganz unterschiedlichen Funktionen. Die Genexpressionsmuster legen nahe, dass manche von ihnen mit einer viel höheren Stoffwechselrate umgehen können als andere. Warum das so ist, können die Wissenschaftler noch nicht sagen. Auch bei den Fibroblasten, den Bindegewebszellen des Herzens, gab es unterschiedliche Aktivitätsmuster.

Frauen haben mehr Herzmuskelzellen

Überraschend auch: Frauen haben in ihren Herzkammern mehr Muskelzellen und weniger Bindegewebszellen als Männer – obwohl weibliche Herzen in der Regel kleiner sind als männliche. Möglicherweise könnte dies erklären, warum Frauen seltener als Männer an Herz-Kreislauf-Leiden erkranken. „Das ist faszinierend, aber das Ergebnis basiert auf nur sieben Herzen jedes Geschlechts“, betont Hübners Kollegin Henrike Maatz. . „Wir müssen mal schauen, ob dieses Ergebnis weiteren Untersuchungen standhält.“

Nach Ansicht der Wissenschaftler bietet ihr Herzatlas nun viele neue Anknüpfungsstellen für die Erforschung von Herzkrankheiten. „Der Atlas wird zu einem neuen Verständnis von Herzgesundheit und -krankheit, zu neuen Behandlungen und möglicherweise sogar zu neuen Wegen führen, geschädigtes Herzgewebe zu regenerieren“, sagt Teichmann. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2797-4)

Quelle: Howard Hughes Medical Institute, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

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