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Medizin

Erhöhen Säureblocker das Allergierisiko?

Studie liefert Indizien für allergiefördernde Wirkung der häufig eingenommenen Magenmittel

Säureblocker
Arzneimittel gegen Sodbrennen und zu viel Magensäure werden oft eingenommen. Doch sie könnten möglicherweise Allergien fördern. © Canonzoom/ iStock.com

Magenmittel mit Folgen: Die bei Sodbrennen und Magenbeschwerden millionenfach verschriebenen Säureblocker könnten eine unerkannte Nebenwirkung besitzen: Sie fördern offenbar Allergien. Hinweise darauf liefern nun die Gesundheitsdaten von mehr als acht Millionen Österreichern. Sie zeigen, dass Menschen, die regelmäßig Säureblocker einnnehmen, nach einiger Zeit signifikant häufiger unter Allergien leiden. Dies könnte frühere Hinweise aus Tierversuchen bestätigen, wie die Forscher berichten.

Sodbrennen und ein Überschuss an Magensäure sind heute fast schon Alltagsleiden: Sie treten inzwischen bei 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung auf. Häufig werden dagegen sogenannte Protonenpumpenhemmer (PPI) verschrieben – Wirkstoffe, die die Säureproduktion des Magens hemmen. Viele Patienten erhalten diese Medikamente auch vorbeugend zum Schutz der Magenschleimhaut.

Alltags-Medikament, aber nicht harmlos

Doch in jüngster Zeit mehren sich die Hinweise darauf, dass die beliebten Säureblocker langfristig möglicherweise doch mehr Nebenwirkungen haben als lange angenommen. So behindern sie unter anderem die Aufnahme von Kalzium und Vitamin B12 und können so Osteoporose, aber auch Nervenschäden fördern, wie Studien ergaben. „Die Sicht der Protonenpumpenhemmer als harmlose Co-Medikation gerät dadurch immer mehr in Zweifel“, erklären Galateja Jordakieva von der Medizinischen Universität Wien und ihre Kollegen.

Die Forscher haben nun eine weitere potenzielle Nebenwirkung der Säureblocker näher untersucht: die Förderung von Allergien. Vorversuche mit Zellkulturen und Mäusen hatten bereits den Verdacht geweckt, dass der Einfluss der Mittel auf Magenschleimhaut und Immunzellen allergische Reaktionen unter anderem gegen Lebensmittel hervorrufen kann. Demnach aktivieren die Säureblocker Mastzellen im Verdauungstrakt, verändern aber auch das Mikrobiom und beeinflussen darüber die Immunreaktion.

Fast doppelt so viele Allergien nach Säureblocker

Aber gibt es diese Nebenwirkung auch beim Menschen? Um das zu klären, haben Jordakieva und ihr Team die Gesundheitsdaten von mehr als acht Millionen in Österreich Krankenversicherten ausgewertet. Sie verglichen dabei, ob Menschen, denen regelmäßig Säureblocker verschrieben wurden, häufiger an Allergien erkrankten als Menschen, die keine oder nur wenige Säureblocker einnahmen.

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Das überraschende Ergebnis: Bei Patienten, die regelmäßig Säureblocker einnahmen, bekamen anschließend fast doppelt so häufig eine Allergie. Dies äußerte sich in den Gesundheitsakten daran, dass ihnen in den folgenden Jahren signifikant häufiger Allergiemittel verschrieben wurden. „Schon eine so geringe Menge wie sechs Tagesdosen pro Jahr reichten dabei aus, um das Risiko für eine Allergie zu erhöhen“, berichten die Forscher. „Mit steigender Dosis gab es dann auch ein klar steigendes Risiko.“

Stärkerer Effekt bei Älteren

Die Analysen ergaben zudem, dass die allergiefördernde Wirkung offenbar mit dem Alter zunimmt: Bei den über 60-Jährigen stieg das Allergierisiko gut zehnmal stärker an als bei den unter 20-Jährigen, wie Jordakieva und ihr Team feststellten. Bemerkenswert sei dies vor allem deshalb, weil Ältere insgesamt seltener neu an Allergien erkranken als Jüngere. Frauen waren zudem insgesamt stärker betroffen als Männer.

„Unsere Ergebnisse bestätigen damit einen epidemiologischen Zusammenhang zwischen der Hemmung der Magensäure und der Entwicklung allergischer Symptome“, konstatieren die Forscher. Wie sie erklären, trat dieser Effekt bei allen in der Studie erfassten Säureblocker-Typen auf. Es handelt sich demnach offenbar um einen allgemeinen Effekt, der unabhängig vom Wirkmechanismus der einzelnen Medikamente ist.

Steckt wirklich eine Kausalität dahinter?

Allerdings: Ob es sich bei dem beobachteten tatsächlich um einen kausalen Zusammenhang handelt, kann die Studie nicht eindeutig beweisen. „Die Ergebnisse der Studie zeigen eine Korrelation, belegen aber keine Kausalität“, betont der nicht an der Studie beteiligte Mediziner Munir Pirmohamed von der University of Liverpool. Ein entscheidender Schwachpunkt ist seiner Ansicht nach, dass die Forscher nicht alle Begleiterkrankungen und weitere potenzielle Einflussfaktoren berücksichtigt haben. Daher seien definitiv weitere Studien nötig.

„Trotz dieser Einschränkungen hat die Studie aber eine wichtige Botschaft: Auch oft verwendete Arzneimittel wie die Säureblocker können unvorhergesehene Nebenwirkungen haben“, sagt Pirmohamed. „Diese Medikamente sollten daher nur dann eingenommen werden, wenn es medizinisch wirklich nötig ist – und auch nur dann so kurz wie möglich.“ (Nature Comunications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-10914-6)

Quelle: Nature Communications, SMC

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