Keine Königstochter, aber wer dann? Das Rätsel um die thüringische „Dunkelgräfin“ bleibt weiter bestehen. DNA-Analysen und eine Gesichts-Rekonstruktion belegen nun, dass es sich bei der bis 1837 in Thüringen lebenden Frau wohl doch nicht um die französische Königstochter Marie Thérèse handelte. Das wurde lange vermutet, weil sie kurz nach der französischen Revolution auftauchte und extrem zurückgezogen lebte. Wer die geheimnisvolle Frau wirklich war, ist demnach weiterhin offen.
Sie sorgte schon zu Lebzeiten für Rätselraten: Die „Dunkelgräfin“ lebte gemeinsam mit ihrem genauso geheimnisvollen „Dunkelgraf“ von 1807 bis 1837 auf Schloss Eishausen bei Hildburghausen in Thüringen. Sie zeigten sich in der Öffentlichkeit nur verschleiert und auch ihre Herkunft war unklar. Sie erschien einfach eines Tages, richtete sich im Schloss ein und lebte dann dort zurückgezogen bis sie starb. Da die Dunkelgräfin reichlich Geld ausgab, muss sie nach Ansicht von Historikern begütert und wahrscheinlich von Stand gewesen sein.
Französische Königstochter inkognito?
Das weckte den Verdacht, es könnte sich bei der geheimnisvollen Gräfin um Marie Thérèse Charlotte handeln, die Tochter des bei der französischen Revolution hingerichteten französischen Königs Ludwig XVI. Möglicherweise, so die Vermutung, wurde sie nach Thüringen geschmuggelt, um sie vor Verfolgung und Tod zu schützen. Zeugen wollen damals auch eine Ähnlichkeit mit der französischen Königstochter ausgemacht haben.
Um diesen seit Jahrhunderten bestehenden Verdacht zu prüfen, haben Forscher im Auftrag des MDR nun erstmals genauerer Untersuchungen dazu angestellt. Sie analysierten dazu die in Hildburghausen bestatteten Überreste der Dunkelgräfin und verglichen ihre DNA mit der des Sohnes von Ludwig XVI., den Dauphin Louis Joseph. Sein Herz wird in der Basilika St. Denis in Paris aufbewahrt, bereits im Jahr 2000 waren davon Proben entnommen und genetisch untersucht worden. Parallel dazu verglichen die Forscher die DNA der Dunkelgräfin mit dem heute noch lebenden Nachkommen der Bourbonen, Alexander Prinz von Sachsen.
DNA stimmt nicht überein
Das Ergebnis: Die DNA der Dunkelgräfin stimmt weder mit der des Dauphins noch mit der des Sachsenprinzen überein. „Damit können wir ganz eindeutig sagen: Die Dunkelgräfin kann nicht die Prinzessin sein“, konstatiert Walther Parson von der Medizinischen Universität Innsbruck. Ihr Erbgut könnte aber vielleicht doch noch Aufschluss über ihre wahre Herkunft geben. Denn wie die Forscher berichten, handelt es sich um eine nicht alltägliche DNA-Sequenz. „Wir haben vielleicht die Chance, mit dieser Sequenz die mütterliche Linie der Dunkelgräfin zu finden“, hofft Sabine Lutz-Bonengel vom Institut für Gerichtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg.
Neben der Genanalyse ließ der MDR Thüringen die sterblichen Überreste der Dunkelgräfin auch anthropologisch analysieren. Forscher begutachteten dafür das Skelett der Frau und rekonstruierten ihre Gesichtszüge anhand ihres Schädels. Ziel: Herauszufinden, ob die Dunkelgräfin äußerlich der Königstochter Marie Thérèse ähnelte. Dafür verglichen die Forscher die Rekonstruktion des Gesichts der Dunkelgräfin mit Jugendbildnissen der Königstochter und ließen dabei mit Hilfe spezieller Software deren Gesicht altern.
Gesichtszüge passen ebenfalls nicht
Die Gesichtsvergleiche ergaben auch hier Unstimmigkeiten: Die Proportionen des rekonstruierten Gesichts sind mit den Porträts von Marie Thérèse nicht vereinbar, wie Anthropologen der Universität Freiburg berichten. Das wecke erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei der Dunkelgräfin und er Königstochter um die gleiche Frau gehandelt habe.
Das aber bedeutet: Die Identität der Dunkelgräfin und das Motiv für ihr seltsames Verhalten bleiben weiterhin ungeklärt. „Aber mit diesem Gesicht und den molekulargenetischen Erkenntnissen, die nun vorliegen hat man nun die Möglichkeit, weiter zu recherchieren“, so Ursula Wittwer-Backofen von der Universität Freiburg. „Denn das Geheimnis bleibt weiterhin bestehen.“
(MDR Thüringen, 29.07.2014 – NPO)