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Neurobiologie

Dopamin hilft beim Rechnen auf die Sprünge

Botenstoff stimuliert bestimmte Nervenzellen bei der Verarbeitung von Regeln

Dopamin hilft bei kniffligen Denkaufgaben, indem es die Regelzellen im Gehirn unterstützt. © freeimages

„Glückshormon“ als Rechenhilfe: Der Botenstoff Dopamin unterstützt das Gehirn auch beim Erkennen und Anwenden von mathematischen Regeln. Diesen Effekt haben deutsche Wissenschaftler entdeckt, indem sie Rhesusaffen Rechenaufgaben der Art „größer oder kleiner als“ beibrachten. Wie sich zeigte, hilft das Dopamin dabei auf gleich zwei Wegen, die
kognitive Aufgabe zu lösen, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Neuron“.

Das sogenannte „Glückshormon“ Dopamin sorgt für mehr als nur Glücksgefühle. Viele seiner Funktionen zeigen sich besonders dramatisch, wenn der Dopamin-Haushalt aus dem Gleichgewicht gerät: Bei der Parkinsonschen Krankheit beispielsweise zieht dies vor allem Bewegungsvorgänge in Mitleidenschaft, aber auch geistige Funktionen sind betroffen. Denn gerade unser höchstes kognitives Steuerzentrum, der sogenannte Präfrontalkortex im Stirnbereich, wird besonders intensiv mit Dopamin versorgt. In diesem Bereich denken wir abstrakt, treffen logische Schlussfolgerungen und Entscheidungen auf der Grundlage bekannter Regeln.

Regelzellen unterscheiden „größer“ und „kleiner“

Obwohl Dopamin sowohl medizinisch als auch physiologisch ein wichtiger Botenstoff ist, ist sein Effekt auf die Informationsverarbeitung von Nervenzellen im gesunden Gehirn kaum verstanden. Wissenschaftler um Torben Ott von der

Eberhard Karls Universität Tübingen wollen diese Wissenslücke schließen. Dazu trainierten sie Rhesusaffen darauf, Rechenaufgaben nach der Regel „größer als“ oder „kleiner als“ zu lösen.

Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass bestimmte Hirnzellen im Präfrontalkortex diese Regeln beantworten: Eine Hälfte dieser sogenannten Regelzellen wird nur dann aktiv, wenn die Regel „größer als“ gilt, die andere Hälfte nur dann, wenn das Versuchstier die Regel „kleiner als“ anwenden musste. Für die aktuelle Studie stimulierten die Forscher nun die Dopamin-Rezeptoren der Regelzellen mit spezifischen Wirkstoffen. Diese wirkten entweder genau wie der eigentliche Botenstoff oder sie blockierten die Rezeptoren.

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Auch Rhesusaffen können Rechenaufgaben mit einfachen Regeln lösen. © J.M.Garg / (CC BY-SA 4.0)

Zusammenarbeit von zwei Rezeptoren

Dabei zeigte sich zunächst: Das Dopamin macht die Regelzellen deutlich leistungsfähiger, die Affen schnitten bei ihren Rechenübungen besser ab. Die Forscher entdeckten darüber hinaus jedoch, dass dies durch zwei verschiedene Mechanismen geschieht, die sich perfekt ergänzen. Verantwortlich sind die zwei verschiedenen Arten von Dopamin-Rezeptoren, die in den Zellen vorkommen.

Wird der Rezeptor D1 mit Dopamin oder einem ähnlichen Stoff angeregt, so bremst er die Signale der Nervenzellen, steuert dadurch aber die Entscheidung auf die zutreffende Regel hin. Rezeptor D2 tut das genaue Gegenteil: Er regt die Nervenpulse an, unterdrückt aber die Entscheidung für die falsche Regel. Beide Signalwege zusammen lassen also deutlicher zwischen den Regeln „größer als“ und „kleiner als“ unterscheiden, und die Regelzellen arbeiten effektiver.

Besseres Verständnis für Medikamente

Die Studie liefert den Forschern Erkenntnisse darüber, wie Dopamin abstrakte Denkprozesse beeinflusst, mit denen wir zum Beispiel Rechenregeln korrekt anwenden können. „Wir beginnen mit den neuen Befunden zu verstehen, wie Nervenzellen des Präfrontalkortex komplexes zielgerichtetes Verhalten hervorbringen“, erklärt Erstautor Ott.

Dieses bessere Verständnis ist nicht nur für die neurologische Grundlagenforschung interessant, sondern könnte auch für die Medizin relevant sein. „Die neuen Erkenntnisse helfen uns, die Wirkung bestimmter Medikamente besser zu interpretieren, die etwa bei schweren psychischen Störungen zum Einsatz kommen“, sagt Studienleiter Andreas Nieder: „Denn solche Medikamente beeinflussen das Dopaminsystem im Präfrontalkortex auf eine bisher schlecht verstandenen Weise.“(Neuroscience, 2014; doi: 10.1016/j.neuron.2014.11.012)

(Eberhard Karls Universität Tübingen, 05.12.2014 – AKR)

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