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Medizin

Die Pest hat eine doppelte Wurzel

Bis vor 2.500 Jahren gab es zwei verschiedene Pestformen in Eurasien

Yersinia pestis
Von Yersinia pestis, dem Erreger der Pest, gab es 2.500 Jahre lang zwei verschiedene Varianten. © CDC/ Larry Stauffer, Oregon State Public Health Laboratory

Parallele Entwicklung: Schon in der Jungsteinzeit existierten zwei verschiedene Varianten des Pest-Erregers parallel nebeneinander in Eurasien, wie DNA-Analysen enthüllen. Eine dieser Linien wurde über Flöhe übertragen, während der anderen das Gen für diesen besonders effektiven Übertragungsweg fehlte. Dennoch konnten sich beide Varianten des Bakteriums Yersinia pestis mehr als 2.500 Jahre lang parallel in der europäischen Bevölkerung halten. Erst in der Eisenzeit starb die nicht an Flöhe angepasste Pestvariante aus.

Das Bakterium Yersinia pestis hat im Laufe der Geschichte zahlreiche Pest-Epidemien verursacht, darunter den berüchtigten Schwarzen Tod im Mittelalter. DNA-Analysen belegen, dass der Erreger den Menschen schon mindestens seit der Steinzeit infizieren kann. Allerdings fehlte diesen frühen Peststämmen noch eine entscheidende Anpassung zum Seuchenbringer: das YmT-Gen, das es ihnen erlaubt, Flöhe als effektive Überträger zu nutzen. Erst als in der Bronzezeit ein Yersinia-Stamm dieses Gen entwickelte, entstand die Beulenpest und damit die bis heute verbreitete Form des Erregers.

Fahndung in alter DNA

Doch was passierte mit der ursprünglichen Form des Pesterregers? Befiel auch diese Variante von Yersinia pestis weiterhin Menschen? Und wann starb diese Pestform aus? Um das zu klären, haben Aida Andrades Valtuena vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und ihre Kollegen die DNA von 252 Toten aus der Zeit vor 5.000 bis 2.500 Jahren auf Spuren des Pesterregers hin untersucht. Die Verstorbenen stammten aus unterschiedlichsten Regionen, von Westeuropa bis in die eurasische Steppe.

Bei 17 dieser Toten wurden die Forschenden fündig: Aus dem Erbgut der Proben konnte sie die DNA des Pesterregers isolieren und sein Genom rekonstruieren. Dadurch konnten sie auch feststellen, um welche Variante es sich handelte und wann und wie sich die beiden Pestversionen auseinanderentwickelt haben müssen. Den DNA-Vergleichen zufolge trennte sich demnach die noch nicht an Flöhe angepasste Linie von Yersinia pestis vor rund 6.000 Jahren vom Rest der Pesterreger ab.

2.500 Jahre der Koexistenz

Überraschend jedoch: Obwohl die flohadaptierte Pestvariante deutlich leichter und schneller übertragbar war, wurde die ursprüngliche Erregerform nicht verdrängt. Stattdessen gab es zwischen beiden eine 2.500 Jahre andauernde Koexistenz in Europa und dem westlichen Eurasien. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es schon kurz nach dem Auftreten der verschiedenen Peststämme eine große Vielfalt an Pestvarianten in Eurasien gab“, berichten Valtuena und ihr Team.

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Den Beleg dafür liefern DNA-Nachweise der an Flöhe angepassten Form schon vor gut 5.000 Jahren in Spanien und auch in Russland. Sie stellen die frühesten Belege für die Beulenpest in Europa dar. Gleichzeitig jedoch stammte die Mehrheit der restlichen Proben noch von der ursprünglichen Form. Entgegen früheren Annahmen hielt sich diese Pestvariante noch bis in die Zeit vor rund 2.500 Jahren, wie eine DNA-Probe aus dem eisenzeitlichen Kasachstan belegte.

Erst danach starb die nicht an Flöhe angepasste Variante von Yersinia pestis in Eurasien endgültig aus. Heute existiert diese ursprüngliche Form der Pest wahrscheinlich nicht mehr – sie wurde von den erfolgreicheren Stämmen des Pesterregers verdrängt.

Nutztiere als Übertragungshelfer?

Doch wie schaffte es die weniger gut übertragbar Pestvariante, sich trotz ihrer Nachteile so lange und weit auszubreiten? „Die Tatsache, dass wir diese Variante überall in Eurasien nachgewiesen haben, wirft die Frage auf, ob diese Ausbreitung über den Menschen passierte“, so das Team. Zwar gab es in der Zeit vor rund 5.000 Jahren große Wanderungsbewegungen vor allem der viehzüchtenden Nomaden aus den Steppengebieten. Die Wissenschaftler vermuten aber, dass auch Tiere damals verstärkt zur Pestausbreitung beitrugen.

„Yersinia pestis kann eine breite Palette an Säugetieren befallen“, erklären sie. Nutztiere wie Rinder, Ziegen und Schafe könnten daher als Reservoirwirte des Erregers gedient haben. Über infizierte Milch, Fleisch oder auch Tierkot könnte sich die Menschen dann angesteckt haben. „Die sich ausbreitende Viehhaltung in dieser Periode verstärkte die Kontakte und die Habitatüberlappung zwischen Wildtieren wie Nagern, Menschen und ihren Nutztieren“, erklären Valtuena und ihre Kollegen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2116722119)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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