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Genetik

Dickmacher-Gen entdeckt

Verbreitete Genvarianten kurbeln Energiespeicherung in Fettzellen an

Übergewicht ist auch Veranlagungssache. © AmanaimagesRF/ iStock.com

Genetische Veranlagung: Forscher haben Genvarianten entdeckt, die bei vielen Menschen die Entstehung von Übergewicht begünstigen könnten. Demnach führen Mutationen in einem bestimmten Gen dazu, dass Fettzellen mehr Glucose aufnehmen – und in Form von Fett als Vorrat für „harte Zeiten“ speichern. Den Forschern zufolge tragen allein in den USA Millionen Menschen solche Übergewicht fördernden Varianten in ihrem Erbgut.

Weltweit sind rund zwei Milliarden Menschen übergewichtig – dies entspricht einem Drittel der Weltbevölkerung. Knapp 108 Millionen Kinder und 600 Millionen Erwachsene gelten demnach sogar als fettleibig. Tendenz steigend. Dass dafür die Lebensweise eine Rolle spielt, ist naheliegend. Denn wer sich falsch ernährt und wenig bewegt, wird über kurz oder lang fast zwangsläufig an Gewicht zulegen.

Doch auch die genetische Veranlagung scheint in Sachen Übergewicht mitzumischen. So haben Forscher in den vergangenen Jahren mehrere Genregionen identifiziert, deren Veränderung überflüssige Pfunde begünstigen kann. Seit einiger Zeit haben sie in diesem Zusammenhang auch das sogenannte Ankyrin-B-Gen, das in nahezu jedem Körpergewebe vorkommt, als möglichen Schalter für Übergewicht im Visier. Über welchen Mechanismus dieses Gen dick machen kann, blieb bislang aber unklar.

Dicke Mäuse

Bekannt war nur: Mäuse, die mit einer bestimmten Variante dieses Gens leben, sind oft deutlich dicker als ihre Artgenossen. Ihr Körper scheint Fett eher zu speichern als zu verbrennen. Dieses Phänomen haben Wissenschaftler um Damaris Lorenzo von der Duke University in Durham nun genauer untersucht. Dazu führten sie Experimente mit Nagern durch, bei denen Ankyrin-B verändert oder entfernt worden war.

Dabei zeigte sich: Die Mäuse legten im Vergleich zu Nagern ohne diese Erbgutveränderungen deutlich schneller an Gewicht zu. Die weißen Fettzellen, die auch beim Menschen für das Speichern von Energiedepots für „schlechte Zeiten“ verantwortlich sind, wuchsen bei ihnen auf das doppelte ihrer normalen Größe an. Sie bevorrateten demnach weitaus mehr Energie als üblich. Und zwar obwohl die genveränderten Mäuse genau so viel fraßen und sich ähnlich viel bewegten wie ihre Artgenossen aus der Kontrollgruppe.

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„Diese abnormale Anreicherung von Fetten im Gewebe hatte messbare Folgen und führte unter anderem zu Entzündungsreaktionen und einer gestörten Insulinantwort – ein Anzeichen für Diabetes Typ 2“, berichtet Lorenzo. Eine ähnliche Kaskade von Ereignissen laufe auch bei Menschen häufig ab. Das sei der Grund, warum Übergewicht so schwerwiegende gesundheitliche Folgen hat.

Turbo-Einstrom von Glucose

Doch warum führt eine Veränderung von Ankyrin-B nun zu dieser krankhaften Fettspeicherung? Das fand das Team mithilfe einer Reihe von Experimenten heraus. Fehlt das Gen oder hat es eine bestimmte Mutation, wirkt sich dies demnach auf ein Protein namens Glut4 aus. Dieses Peptid wird unter anderem auf Fettzellen exprimiert und regelt dort den Transport von Glucose in die Zellen.

Konkret führen die Veränderungen im Erbgut offenbar dazu, dass Glut4 seine Türen – bildlich gesprochen – weit öffnet. Als Folge kann der Zucker schneller in die Fettzellen einfließen. In den Fettzellen wird ankommende Glucose in Triaglycerine umgewandelt und gespeichert. Je mehr Zucker in die Zellen einströmt, desto mehr Fettdepots bilden sich daher.

„Millionen Menschen betroffen“

Lorenzo und ihre Kollegen fragten sich, ob auch andere vom Menschen bekannte Mutationen des Ankyrin-B-Gens einen ähnlichen Effekt haben. Sie kultivierten daher gezielt Fettzellen mit einigen verbreiteten Varianten dieses Gens und wiederholten ihre Experimente. Das Ergebnis: Tatsächlich führen viele der bekannten Mutationen dazu, dass die Fettzellen schneller Glucose aufnehmen und dadurch ungewöhnliche Mengen an Energie speichern.

Den Forschern zufolge tragen allein in den USA Millionen von Menschen diese Varianten des Gens – und sind damit besonders anfällig dafür, überflüssige Pfunde anzusammeln. „Unseren Vorfahren könnten solche Genvarianten dabei geholfen haben, in Zeiten der Nahrungsknappheit mehr Energie zu speichern. Heute aber, wo Nahrung vielerorts im Überfluss vorhanden ist, befeuern sie die Übergewichtsepidemie“, sagt Lorenzos Kollege Vann Bennett.

In Zukunft könnten die Erkenntnisse dabei helfen, Risikogruppen in der Bevölkerung rechtzeitig zu identifizieren und dem Übergewicht mit entsprechenden Maßnahmen entgegenzuwirken. Zunächst müssten die Ergebnisse aber durch Studien am Menschen bestätigt werden, schließt das Team. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2017; doi: 10.1073/pnas.1708865114)

(Duke University/ PNAS, 15.11.2017 – DAL)

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