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Medizin

Deutsche ignorieren Acrylamid-Gefahr

Risiko-Wissen führt nicht zu Verhaltensänderungen

Die Deutschen sind über Acrylamid in Lebensmitteln und über das damit verbundene Gesundheitsrisiko gut informiert. Sie wissen, dass der Stoff nach dem Backen, Braten und Frittieren in stärkehaltigen Lebensmitteln wie Chips, Bratkartoffeln oder Pommes Frites enthalten sein kann. Sie wissen auch, dass der Acrylamidgehalt eines Lebensmittels von der Art und Weise der Zubereitung abhängt. Trotzdem nutzt nur ein kleiner Teil der Verbraucher diese Kenntnisse dazu, sein Verhalten zu verändern und damit das Risiko zu vermindern. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen repräsentativen Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

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"Die Ergebnisse zeigen, dass Risikokommunikation erfolgreich sein kann, wenn die Akteure mit einer Stimme sprechen", sagt BfR-Präsident Professor Dr. Andreas Hensel. "Verbraucher haben einen Anspruch auf klare, verständliche und umfassende Informationen und erwarten sie auch. Die Informationen allein reichen aber nicht aus, um Verbraucher dazu zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern". Verbraucher nutzen sie offenbar vielmehr für eine persönliche Nutzen-Risikoanalyse.

Das BfR hatte die Studie im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zur Information der Öffentlichkeit über Gesundheitsrisiken von Lebensmitteln, Stoffen und Produkten in Auftrag gegeben. Ziel der Studie war es zu ermitteln, ob die Risikokommunikation des BfR zu Acrylamid die Verbraucher erreicht und ihr Verhalten beeinflusst hat.

Dafür befragten die Bonner Wirtschaftspsychologen Vierboom & Härlen 1.000 repräsentativ ausgewählte Personen und führten 55 Interviews mit Verbrauchern und Verbraucherinnen unterschiedlichen Alters. Ferner befragten sie 45 Vertreter unterschiedlicher Medien, die als Multiplikatoren bei der Kommunikation gesundheitlicher Risiken bei Lebensmitteln fungieren.

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Vergolden statt verkohlen

Das Ergebnis: Das Thema Acrylamid in Lebensmitteln steht im persönlichen Risikoranking der Verbraucher derzeit nicht an erster Stelle. Gleichwohl ist es gegenwärtig und im kollektiven Bewusstsein verankert. Für gefährlicher als Acrylamid halten die Verbraucher aber mikrobielle Risiken, wie Salmonellen, oder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf ihren Lebensmitteln. Insgesamt gehen die Befragten mit dem Problem Acrylamid eher rational um: Sie meiden Lebensmittel, die Acrylamid enthalten könnten zwar nicht, ein Teil der befragten Verbraucher bereitet Speisen jetzt aber sorgfältiger und nach der Regel "Vergolden statt verkohlen" zu, damit möglichst wenig Acrylamid entsteht. Insgesamt ist die Zahl der Verbraucher, die angeben, ihr Verhalten mehr oder weniger stark geändert zu haben, mit 30 bis 40 Prozent allerdings eher klein. Dabei gilt: Wer sein Verhalten ändert, ist auch gut informiert.

Mit den teils widersprüchlichen und komplexen Informationen zur Sicherheit von Lebensmitteln, die über die Medien auf sie einströmen, können Verbraucher nur schwer umgehen – auch das zeigt die Studie. Informationen aus dieser Quelle werden zwar wahrgenommen. Für das eigene Handeln sind Informationen von Institutionen, denen Vertrauen entgegen gebracht wird, aber wichtiger. Dazu gehören in erster Linie die Verbraucherberatungen – auch, weil sie vor Ort sind. Staatliche Behörden rangieren in der "Vertrauensskala" erst an dritter Stelle.

Verbraucher erwartet Verhaltenstipps

Immer gilt: Aussagen müssen klar und eindeutig sein und konkretes Handeln ermöglichen. Sie sollen so aufbereitet sein, dass sie eine individuelle Risikoabschätzung und Entscheidung ermöglichen. Neben der Information über das Risiko erwartet der Verbraucher Hinweise zum Umgang mit dem Risiko. Dazu zählen zum Beispiel Tipps für die Zubereitung von Speisen oder Hinweise auf einen potentiell hohen Gehalt an Acrylamid in einzelnen Produkten.

Das BfR als Institution kannten nur wenige der befragten Verbraucher. Eine Institution, die unabhängig von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen, aufgrund einer wissenschaftlich basierten Bewertung und in klaren und einfachen Worten über das Risiko von Acrylamid informiert, hält die große Mehrheit der Befragten aber für sehr wichtig. Anders als die Verbraucher kannten die befragten Medienvertreter das BfR gut und gaben an, das Institut als eine Institution zu schätzen, der man hinsichtlich wissenschaftlich fundierter Aussagen vertrauen könne.

Insgesamt belegen die Ergebnisse der Studie eine gelungene Kommunikation über das gesundheitliche Risiko von Acrylamid in Lebensmitteln. Das war nach Einschätzung der Teilnehmer eines Abschlussworkshops, auf dem die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, möglich, weil Institutionen, die das Verbrauchervertrauen genießen, mit übereinstimmenden Informationen an die Öffentlichkeit getreten sind.

(idw – Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), 16.10.2006 – DLO)

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