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Medizin

Darmkrebs: Bakterien als Auslöser?

Darmflora von Krebspatienten weist charakteristische Veränderungen auf

Darm
Welche Rolle spielt die Darmflora bei Darmkrebs? © Eraxion/ iStock.com

Krebsfördernde Keime? Bei der Entstehung von Darmkrebs mischen möglicherweise auch unsere bakteriellen Mitbewohner mit. Eine Studie zeigt, dass Patienten aus unterschiedlichen Ländern charakteristische Auffälligkeiten in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Darmflora aufweisen. Dies könnte für einen schädlichen Einfluss bestimmter Bakterienspezies sprechen – und in Zukunft neue Diagnosemöglichkeiten eröffnen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Medicine“ berichten.

Unser Verdauungstrakt ist von Billionen winziger Organismen besiedelt: den Bakterien der Darmflora. Diese Mikroben haben entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit – auch auf die Gesundheit des Darms selbst, wie sich zunehmend zeigt. Doch welche Rolle spielen unsere mikrobiellen Mitbewohner für Krebserkrankungen des Verdauungsorgans?

Spurensuche im Stuhl

Während von dem Magenkeim Helicobacter pylori bekannt ist, dass er Magenkarzinome begünstigen kann, ist die Frage mikrobieller Auslöser beim Darmkrebs bisher weniger klar. Um einen möglichen Zusammenhang zwischen der Bakterienbesiedelung und dieser Krebsform nachzuweisen, analysieren Forscher die Zusammensetzung der Darmflora von gesunden und erkrankten Menschen. Sie suchen nach Merkmalen des Mikrobioms, die für Patienten charakteristisch sind.

Jakob Wirbel vom European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg und seine Kollegen haben nun acht solcher Studien ausgewertet, die mithilfe der sogenannten Shotgun-Metagenomik die Mikroben-DNA in Stuhlproben von insgesamt 768 Krebspatienten aus unterschiedlichen Ländern in drei Kontinenten analysiert hatten. „Wir haben Methoden des maschinellen Lernens genutzt, um mithilfe dieser Daten für Darmkrebs typische mikrobielle Signaturen zu identifizieren“, erläutert Wirbels Kollege Georg Zeller.

Schädliche Bakterien

Das Ergebnis: Tatsächlich scheint es Merkmale zu geben, die die Darmfloren von Krebspatienten miteinander gemein haben. So identifizierten die Wissenschaftler 29 Bakterienspezies, die bei Menschen mit Darmkrebs besonders häufig vorkommen. Dazu gehören unter anderem die Bakterien Fusobacterium nucleatum und Bacteroides fragilis.

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Weitere Untersuchungen offenbarten, dass einige dieser Keime über unterschiedliche Wege schädliche Wirkungen entfalten können. Manche Klassen von Mikroben verstoffwechseln zum Beispiel Gallensäuren zu karzinogenen Substanzen. Andere bauen dagegen das in Fleisch und anderen Lebensmitteln enthaltene Cholin zu potenziell gefährlichen Metaboliten ab. „Das für diesen Prozess verantwortliche Gen kommt in einer Spezies vor, die wir erst kürzlich entdeckt haben und die bisher nicht einmal einen Namen hat“, berichtet Mitautor Nicola Segata von der Universität Trient.

Globale Zusammenhänge

„Die Ergebnisse unserer Meta-Analyse sprechen für ein Modell, nach dem – möglicherweise viele unterschiedliche – Mikroben zur Tumorgenese beitragen oder von ihr profitieren“, erklärt das Forscherteam. Ein solcher Zusammenhang sei demnach wahrscheinlicher als die These, dass ein Mangel an schützenden Bakterien die Entwicklung von Darmkrebs fördert.

Die besondere Stärke ihrer Analyse ist nicht nur die Menge an Daten, sondern vor allem deren Vielfalt, wie Wirbel und seine Kollegen betonen. Denn bekanntermaßen wird die Zusammensetzung der Darmflora durch die Ernährung, den Lebensstil und andere Umweltfaktoren beeinflusst, die sich von Land zu Land stark unterscheiden. Dass die Ergebnisse für Menschen aus so unterschiedlichen Regionen wie Deutschland, China und den USA konsistent sind, spreche daher für die Bedeutung der nun identifizierten Mikroben-Signaturen.

Neue Diagnosen und Therapien?

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher weitere Daten in ihre Analyse einfließen lassen, um die Rolle des Mikrobioms noch besser zu verstehen: „Je geografisch und kulturell diverser die Populationen sind, die wir betrachten, desto wahrscheinlicher ist es mikrobielle Signaturen zu erhalten, die tatsächlich weltweit mit Darmkrebs assoziiert sind“, sagt Segata.

Künftig könnten diese charakteristischen Merkmale der Darmflora als Biomarker für non-invasive Screening-Methoden dienen und auf diese Weise neue Diagnosemöglichkeiten eröffnen. „Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob sich das Mikrobiom modulieren lässt, um bestimmte schädliche Spezies an der Ansiedlung zu hindern. Doch das dürfte sehr schwierig sein“, schließt Zeller. (Nature Medicine, 2019; doi: 10.1038/s41591-019-0406-6)

Quelle: Universität Trient/ European Molecular Biology Laboratory

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