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Medizin

CRISPR/Cas9: Genschere mit Nebenwirkungen

Cas9-Enzym der Genschere könnte im Körper ungewollte Immunreaktionen auslösen

Reagiert unser Immunsystem auf die Genschere? © Wildpixel/ iStock.com

Abwehr in Alarmbereitschaft: Der Einsatz der Genschere CRISPR/Cas 9 beim Menschen könnte problematisch werden. Denn offenbar reagiert unser Immunsystem auf einen wichtigen Bestandteil dieses molekularbiologischen Werkzeugs: das Eiweißmolekül Cas9. Wie Forscher in einer Pilotstudie festgestellt haben, beherbergen viele Menschen Immunzellen, die dieses Molekül als Feind erkennen und angreifen. Der Grund: Cas9 stammt ursprünglich aus Streptokokken – Bakterien, mit denen wir uns häufig infizieren.

Die Genschere CRISPR/Cas9 gilt als Durchbruch für die Gentherapie. Denn mit diesem molekularbiologischen Werkzeug lässt sich die DNA von Lebewesen einfacher und gezielter verändern als jemals zuvor. Forscher haben es unter anderem bereits genutzt, um eine Alzheimer-Mutation und den Gendefekt der Sichelzellen-Anämie in menschlichen Zellen zu korrigieren. Inzwischen wird die Methode auch in ersten klinischen Studien erprobt.

Alter Bekannter für das Immunsystem

Wie sicher der Einsatz der Genschere beim Menschen ist, ist allerdings nach wie vor unklar. So deuten Untersuchungen darauf hin, dass CRISPR/Cas9 ungewollte Veränderungen im Erbgut auslösen kann und ihre Anwendung sogar indirekt das Krebsrisiko fördern könnte. Einen weiteren potenziellen Nachteil der Genschere haben nun Wissenschaftler um Dimitrios Wagner von der Berliner Charité aufgedeckt: Unser Immunsystem reagiert darauf.

„Ein wesentlicher Bestandteil von CRISPR/Cas9 ist das Eiweißmolekül Cas9, das aus Bakterien namens Streptokokken stammt. Da sich Menschen häufig mit diesen Bakterien infizieren, vermuteten wir, dass bereits ein immunologisches Gedächtnis gegen Cas9 bestehen könnte“, berichtet Wagners Kollege Michael Schmück-Henneresse.

T-Zellen reagieren auf Cas9

Um diese Theorie zu überprüfen, nahmen die Forscher Blutproben von gesunden Freiwilligen: 24 Frauen und 24 Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Die Zellen aus deren Blut unterzogen sie im Labor anschließend etlichen Tests. Und tatsächlich: Bei fast allen Probanden ließen sich körpereigene T-Zellen nachweisen, die auf Cas-Eiweißmoleküle reagieren.

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Dabei zeigte sich, dass diese Immunzellen nicht nur auf das Cas9 aus Streptokokken anspringen. Auch Cas-Moleküle aus anderen Bakterienstämmen wie Staphylokokken bewirken demnach Immunreaktionen. Dies liegt den Wissenschaftlern zufolge wahrscheinlich daran, dass sich die unterschiedlichen Enzyme sehr ähnlich sind.

Konsequenzen für die Praxis

„Solche Immunzellen könnten zu unerwünschten Immunreaktionen bei der Gentherapie führen, was ihre Sicherheit und Effektivität beeinträchtigen könnte“, konstatiert Wagner. Lassen sich die Ergebnisse in Untersuchungen mit größeren Probandengruppen bestätigen, ist daher mit bedeutenden Konsequenzen für die Praxis zu rechnen. Die konkreten Auswirkungen hängen dabei vor allem vom Einsatzort der Genschere ab.

So kann CRISPR/Cas9 Zellen entweder außerhalb des Körpers modifizieren oder direkt im Organismus: Für die Veränderung von Körperzellen außerhalb des Körpers käme es dem Forscherteam zufolge darauf an, Patienten keine Zellen zu injizieren, in denen die Genschere noch aktiv ist. „Um sicherzustellen, dass Zellen bedenkenlos angewendet werden können, haben wir einen Test entwickelt. Damit kann zuverlässig nachgewiesen werden, dass das Risiko einer Immunreaktion gering ist“, berichtet Schmück-Henneresse.

Lösungen gesucht

Manche genetischen Erkrankungen führen jedoch zu Fehlern in Geweben, die sich nicht außerhalb des Körpers verändern lassen. Hierfür müssen neue Ansätze gefunden werden, um gefährliche Immunreaktionen gegen die Genschere zu verhindern. Wagner und seine Kollegen arbeiten bereits an ersten Lösungen für dieses Problem: Sie erforschen das Potenzial von sogenannten regulatorischen T-Zellen, die die unerwünschten Immunreaktionen kontrollieren sollen. (Nature Medicine, 2018; doi: 10.1038/s41591-018-0204-6)

(Charité Universitätsmedizin Berlin, 02.11.2018 – DAL)

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