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Medizin

Covid-19: Asthmaspray gegen schwere Verläufe?

Studie deutet auf mildernde Wirkung von gängigem Glucocorticoid Budesonid hin

Asthmaspray
Das gängige Asthmamittel Budesonid könnte auch bei Covid-19 helfen, schwere Verläufe zu vermeiden oder abzumildern. © Cunaplus_M.Faba/ Getty images

Neue Hoffnung gegen Covid-19? Ein gängiges Asthmaspray könnte dazu beitragen, schwere Verläufe von Covid-19 zu verhindern, Erste Hinweise darauf liefert eine britische Studie, bei der Patienten schon kurz nach Einsetzen der Covid-Symptome das Cortisonpräparat Budesonid erhalten hatten. Dadurch sank ihr Risiko für eine Klinikeinweisung um 90 Prozent und auch die Symptome blieben milder.

Auch wenn die wirksamste Waffe gegen die Corona-Pandemie die Impfstoffe sind – ein effektives Mittel gegen Covid-19 fehlt bisher. Bei schweren Verläufen von Covid-19 hat sich zwar das Cortisonpräparat Dexametason als hilfreich erwiesen – es hemmt die überschießende Immunreaktion, in deren Verlauf körperweite Entzündungsreaktionen schwere Organschäden verursachen. Doch bislang fehlt ein leicht anzuwendendes Arzneimittel, das solche schweren Verläufe verhindert.

Auffallendes Fehlen von schwer erkrankten Asthmapatienten

Jetzt weckt eine britische Studie die Hoffnung, dass ein gängiges Asthmaspray diese Wirkung zeigen könnte. Anstoß dafür erhielten von Sanjay Ramakrishnan von der University of Oxford und seine Kollegen durch Berichte aus China, Italien und den USA, dass Patienten mit Asthma und der Lungenkrankheit COPD auffallend seltener wegen schwerer Verläufe von Covid-19 in den Kliniken behandelt werden mussten.

„Wir haben vermutet, dass diese Unterrepräsentierung auf die bei diesen Patienten weitverbreitete Einnahme von inhalierten Glucocorticosteroiden zurückgehen könnte“, erklären die Forschenden. Von solchen Wirkstoffen sei bekannt, dass sie Entzündungen hemmen und in Laborversuchen sowohl die Virenreplikation stören als auch die Dichte der ACE2-Rezeptoren verringern – der Andockstellen des Coronavirus an den Zellen. Ob und wie diese Wirkungen aber auch infizierten Patienten Vorteile bringen, war bislang unklar.

Budesonid bei Covid-19 im Frühstadium

Um das zu klären, akquirierten die Mediziner 146 Studienteilnehmer mit diagnostizierter Coronavirus-Infektion und ersten Symptomen. Die Hälfte von ihnen bekam das Asthmamittel Budesonid verschrieben, ein Glucocorticoid, das bei Asthma und anderen chronischen Atemwegserkrankungen eingesetzt wird. Die Patienten inhalierten zweimal täglich eine Dosis von 800 Mikrogramm Budesonid, während sie zuhause in Isolation waren.

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Alle Testpersonen wurden täglich angerufen und nach ihren Symptomen befragt, sie sollten zudem täglich Fieber und Sauerstoffsättigung messen. Nach sieben und 14 Tagen wurden alle noch einmal gründlicher untersucht und auf SARS-CoV-2 getestet, am Tag 28 erfolgte ein Abschlusstest. „Bei Beginn der Studie im März 220 erwarteten wir, dass rund 20 Prozent der Patienten einen schweren Verlauf von Covid-19 erleiden und im Krankenhaus behandelt werden müsste“, berichten Ramakrishnan und sein Kollegen.

Weniger schwere Verläufe, kürzere Krankheitsdauer

Doch es kam anders: Während in der Kontrollgruppe ohne Budesonid 14 Prozent der Teilnehmer so schwere Symptome bekam, dass sie ins Krankenhaus mussten, waren dies in der Gruppe mit dem Asthmaspray deutlich weniger: Nur ein Patient entwickelte einen schweren Verlauf. „Das entspricht einer Reduktion des relativen Risikos von 91 Prozent“, schreibt das Forscherteam. „Dieser Effekt ist größer als bisher von jeder anderen Therapie bei Patienten mit schweren Verläufen von Covid-19 berichtet.“

Ein deutlicher Effekt zeigte sich auch in der Dauer der Covid-19-Erkrankung: „Die mittlere Zeit bis zur Genesung war in der Budesonid-Gruppe acht Tage, in der Kontrollgruppe waren es zwölf Tage“, berichten die Forschenden. Am 14. Tag gaben noch zehn Prozent der Budesonid-Teilnehmer an, Symptome zu verspüren, während es in der Kontrollgruppe 30 Prozent waren. Zudem litten in der Budesonid-Gruppe weniger Patienten unter Fieber.

Ist Budesonid ein „Game-Changer“?

Nach Ansicht von Ramakrishnan und seinem Team sprechen diese Ergebnisse dafür, dass sich das Asthmamittel Budesonid als Behandlung im frühen Stadium von Covid-19 eignen könnte. „Inhaliertes Budesonid ist eine einfache, sichere, gut untersuchte und günstige Behandlung, die breit verfügbar ist“, konstatieren sie. Gerade dies berge die Chance, schwere Covid-Verläufe schon lange vor dem Auftauchen der Patienten in den Notaufnahmen zu vermeiden.

Anders als Antikörper oder das antivirale Mittel Remdesivir könnte das Asthmaspray billig und sicher genug sein, um es infizierten Patienten mit einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe von Covid-19 vorbeugend zu geben. Hausärzte könnten diesen Hochrisiko-Patienten das Medikament verschreiben, sobald diese Corona-Symptome entwickeln. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach titulierte das Präparat in einem Tweet bereits als „Game-Changer“.

Als Chance sehen auch Mediziner um Alvar Agusti von der Universität Barcelona diese Ergebnisse. In einem begleitenden Kommentar in „Lancet“ schreiben sie: „Die Studie von Ramakrishnan und Kollegen ist die erste, die zeigt, dass eine leicht zugängliche therapeutische Intervention wirksam gegen die klinische Verschlimmerung von Covid-19 ist.“

Weitere Studien dringend nötig

Einen großen Haken hat die Studie allerdings: Weil sie wegen des britischen Lockdowns vorzeitig abgebrochen wurde, haben nur 146 Patienten teilgenommen – zu wenig, um mehr als nur erste Hinweise zu liefern. Hinzu kommt, dass die Studie nicht verblindet war: Patienten und behandelnde Ärzte wussten, wer das Asthmaspray bekommt und wer nur die normale Behandlung.

„Unsere Ergebnisse bedürfen daher dringend einer Validierung und weiteren Untersuchung“, betonen auch Ramakrishnan und sein Team. Angesichts der Chancen, die ein solches Mittel bei der Bekämpfung von Covid-19 bieten könnte, müsse man diesen Hinweise weiter nachgehen. (The Lancet, 2021; doi: 10.1016/S2213-2600(21)00160-0)

Quelle: The Lancet

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