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Medizin

Coronavirus: Schnelltests, Remdesivir und die Kliniklage

Wie gut ist Deutschland gegen die Covid-19-Pandemie gewappnet?

SARS-CoV-2
Coronaviren des Typs SARS-CoV-2 im Gewebe eines Covid-Patienten. © NIAID

Mehr als 2.000 Menschen sind in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert – Tendenz steigend. In dieser Situation sind eine schnelle Diagnose und die gute Versorgung schwerer Covid-Verläufe entscheidend. Doch welche Tests auf SARS-CoV-2 stehen zur Verfügung? Und wie gut sind die deutschen Krankenhäuser auf den möglichen Ansturm von Covid-Patienten gerüstet? Gibt es inzwischen eine Therapie für schwere Verläufe?

Das Coronavirus SARS-CoV-2 hält die Welt in Atem. Die Situation in China, Italien, aber auch in anderen Ländern zeigen deutlich, welche Probleme rasant steigende Fallzahlen von Covid-19 mit sich bringen. Das Coronavirus breitet sich weiterhin aus und scheint nur mit drastischen Maßnahmen eindämmbar zu sein. Insofern ist zu erwarten, dass auch die Fallzahlen in Deutschland weiter steigen werden. Was aber bedeutet dies konkret?

PCR-Testkit
Coronavirus-Testset für den klassischen PCR-Virennachweis. © anyaivanova/ iStock.com

Wie funktioniert der Standardtest auf SARS-CoV-2?

Ein Problem, das sich schon am Anfang stellt: Um potenziell Infizierte auf das Virus SARS-CoV-2 zu testen, benötigt man Zeit und ausreichend Testkapazitäten. Gerade bei rapide steigenden Fallzahlen kommen Gesundheitsbehörden und Ärzte aber oft mit dem Testen nicht hinterher. Der Grund: Klassische Virentests vervielfältigen Fragmente des Virengenoms mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und können diese dann relativ sicher nachweisen.

Allerdings dauern diese PCR-Tests mehrere Stunden. Fällt der erste Coronatest zudem positiv aus, wird zur Sicherheit ein zweiter Test zur Bestätigung durchgeführt. „Innerhalb eines Tages nach Probeneingang im Labor liegt in aller Regel das bestätigte Ergebnis vor“, erklärt Michael Müller, Vorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin. Das allerdings bedeutet auch, dass potenziell Infizierte mindestens einen Tag warten müssen – im Falle gehäufter Testanfragen auch deutlich länger. Denn die PCR-Geräte können nur eine begrenzte Anzahl von Tests gleichzeitig fahren.

Warum gängige Schnelltests unzuverlässig sind

Zwar gibt es bereits Schnelltests, die inzwischen sogar für den Hausgebrauch angeboten werden. Von diesen raten Virologen und auch die Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch ab. Der Grund: Diese Tests weisen nicht das Coronavirus selbst nach, sondern nur die vom Körper des Patienten gegen den Erreger gebildeten Antikörper. „Antikörper sind bei Virusinfektionen wie mit dem SARS-CoV-2 meist frühestens eine Woche nach Erkrankungsbeginn nachweisbar, in der Regel sogar erst nach 14 Tagen“, erklärt Daniela Huzly, Bundesvorsitzende des Berufsverbands der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie.

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Hinzu kommt: Oft sind diese Tests so unspezifisch, dass sie auch auf Antikörper einer früheren Infektion mit einem anderen Coronavirus reagieren. „Ich kann zwar nachvollziehen, dass Menschen, die mit Symptomen in die Praxis kommen, sehr besorgt sind und daher für sich selbst ein schnelles Ergebnis bekommen möchten“, sagt Müller. Ein unzuverlässiger Schnelltest jedoch gebe aus den genannten Gründen nicht nur keine Sicherheit, sondern verschwende unnötig Ressourcen im Gesundheitswesen.

Neuer US-Schnelltest könnte das Problem lösen

Doch es könnte bald Abhilfe geben: In den USA entwickeln Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) zurzeit einen Schnelltest, der das Viren-Erbgut direkt nachweisen kann. Diese sogenannte E25Bio-Diagnostik besteht aus einem Papierstreifen, der mit speziellen Antikörpern beschichtet ist. Diese binden nur an ein bestimmtes Protein des Coronavirus. Für den Test wird eine Patientenprobe mit einer zweiten Lösung aus Antikörpern und Goldnanopartikeln versetzt und der Papierstreifen hineingehalten.

Ist nun SARS-CoV-2 in der Probe vorhanden, bindet das Virenprotein sowohl an die Antikörper auf dem Papierstreifen als auch an die mit den Nanopartikeln verknüpften. Als Folge bildet sich innerhalb von 20 Minuten ein farbiger Belag auf dem Testpapier – der Test ist positiv. Nach Angaben von Lee Gehrke, der am MIT den Test entwickelt hat, funktioniert dieser Nachweis schon in der Frühphase von Covid-19 – lange bevor im Körper die ersten Antikörper gebildet werden.

Die Forscher haben ihren Schnelltest bereits bei der US-Arzneimittelbehörde FDA zur Zulassung nach dem „Notfallverfahren“ eingereicht. Dieses würde es dem Team erlauben, ihren E25Bio-Test mit echten Patientenproben zu testen. „Wenn diese erfolgreich sind, wäre der nächste Schritt der Einsatz für die klinische Diagnose“, so Gehrke. Da er und sein Team Virentests nach ähnlichem Prinzip auch schon für Ebola, Dengue-Fieber und Zika entwickelt haben, könnte dies dann relativ zügig stattfinden.

Erste Studien mit antiviralem Mittel Remdesivir auch in Deutschland

Positive Nachrichten gibt es auch für die Behandlung von Covid-Patienten: Das bereits in China und den USA getestete antivirale Mittel Remdesivir wird bald auch in Deutschland eingesetzt: „Zur Prüfung des Medikaments Remdesivir gibt es zwei Phase-III-Studien, die in Deutschland jetzt in Kürze aktiviert werden – am UKE in Hamburg, in Düsseldorf und hier in Schwabing“, berichtet Clemens Wendtner, Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen der Klinik München Schwabing. „Wir werden das Medikament sehr früh einsetzen. Das würde ich jetzt auch für einen älteren Patienten genauso zum Einsatz bringen wie für einen jüngeren Patienten.“

Bei diesem Mittel besteht zudem die Möglichkeit, es in besonders schweren Fällen auch außerhalb dieser Studien einzusetzen, wie Uta Merle vom Universitätsklinikum Heidelberg erklärt. In diesem sogenannten „Compassionate Use“-Programm kann man für einzelne Patienten die Nutzung von Remdesivir beantragen. „Es ist klar festgelegt, welcher Patient für Compassionate Use in Frage käme. Das heißt, es gibt ein Standardverfahren der Firma, die das Medikament zur Verfügung stellt“, so die Medizinerin.

Beatmungsgerät
Beatmungsgerät auf der Intensivstation. © Blogotron/ gemeinfrei

Wie gut sind die deutschen Kliniken gerüstet?

Ein zweiter Engpass in Zeiten der Corona-Pandemie könnte bei der Versorgung von Patienten mit schweren Verläufen von Covid-19 auftreten. Sind bei uns womöglich bald italienische Verhältnisse zu erwarten? Reinhard Busse von der TU Berlin und dem European Observatory on Health Systems and Policies sieht dies nicht so: „Insgesamt haben wir in Deutschland etwa 27.000 bis 28.000 Intensivbetten. Im Vergleich zu Italien haben wir bezogen auf 1.000 Einwohner damit zweieinhalb Mal so viele Intensivbetten.“

Im Falle eines sprunghaften Anstiegs der Fallzahlen in Deutschland würde dies konkret bedeuten: „Angenommen Covid-19-Patienten sind eine Woche lang beatmungspflichtig, dann könnte man jeden Tag rund 4.000 neue Patienten aufnehmen“, so Busse. „Rechnet man dann ein, dass es auch noch andere Intensivpatienten gibt und diese rund die Hälfte ausmachen, dann könnten wir jeden Tag 2.000 neue Covid-19-Patienten aufnehmen.“

Angesichts der Tatsache, dass nur rund zehn Prozent der Corona-Patienten intensivmedizinisch behandelt werden müssen, könnten die deutschen Kliniken demnach theoretisch sogar 20.000 Neuerkrankungen pro Tag noch bewältigen, so der Mediziner.

Nicht dringende Operationen verschieben?

Allerdings setzt dies voraus, dass Ärzte und Pflegepersonal gesund bleiben, wie Wendtner erklärt: „Die Versorgungssituation hängt, glaube ich, weniger an den Betten und den Beatmungsgeräten. Das sind Dinge, die man schnell verfügbar machen kann. Zum Schluss wird es auch am Personal hängen.“

Um dieses zu entlasten, gibt es den Vorschlag, dass beispielsweise geplante, elektive Operationen wie Hüft-OPs soweit möglich verschoben werden. Auch Patienten, die vielleicht nicht mehr unbedingt im Krankenhaus bleiben müssen, könnten verstärkt ambulant weiter behandelt werden. „Wir haben in Deutschland ungefähr 50 Prozent mehr stationäre Patienten als im Schnitt der EU-Länder“, erklärt Busse. Wenn man diese Belegung reduzieren könnte, könnte dies auch Pflegepersonal für die Versorgung von Covid-Patienten freimachen.

„Vernünftiges Verhalten zeigen“

Einig sind sich jedoch alle Experten darin, dass das erste Ziel sein muss, die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen. „Letztlich geht es darum, dass nicht alle auf einmal krank werden“, sagt Merle. „Insofern sollte jeder Einzelne schauen, dass er vielleicht nicht mehr auf Veranstaltungen in geschlossenen Räumen geht – also einfach vernünftiges Verhalten zeigt.“

Ein weiterer wichtiger Punkt: „Die Bevölkerung muss mitdenken und jetzt nicht in die Krankenhäuser stürmen“, betont Busse. Dies halte die Kliniken nur von ihrer Arbeit mit den Schwerkranken ab. „Ich glaube, es muss als Message rüberkommen, dass Krankenhäuser wirklich für die Schwerkranken da sind und nicht für jeden Hustenden.“

Quelle: Science Media Center, Massachusetts Institute of Technology (MIT), Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie

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