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Medizin

Coronavirus greift das Herz direkt an

SARS-CoV-2 vermehrt sich in Herzmuskelzellen, nutzt aber anderen Türöffner

Coronaviren und Herz
Das Coronavirus SARS-CoV-2 schadet dem Herzen nicht nur indirekt, es kann die Herzmuskelzellen auch direkt befallen, wie nun Laborexperimente belegen. © Leestat/ iStock.com

Angriff aufs Herz: Das Coronavirus SARS-CoV-2 kann unser Herz direkt befallen, wie nun Laborexperimente nahelegen. Demnach entert das Virus Herzmuskelzellen und kann sich in ihnen vermehren. Als Folge kommt es zu verstärktem Zelltod. Interessant jedoch: Zum Eintritt in die Herzzellen nutzt das Coronavirus neben ACE2 das Cathepsin – und damit einen anderen Hilfs-Türöffner als sonst. Das eröffnet neue Therapiemöglichkeiten.

Schon länger ist bekannt, dass bei Covid-19 häufiger Herzschäden und Herzmuskelentzündungen auftreten – teilweise während der akuten Infektion, manchmal aber auch als Spätfolge. Anzeichen für solche Schäden sind unter anderem erhöhte Werte von Biomarkern wie Troponin im Blut, die durch die geschädigten und zerstörten Herzzellen freigesetzt werden. Bisher war jedoch unklar, ob die kardiologischen Komplikationen durch die Immunreaktion des Körpers oder durch den direkten Befall von Herzzellen mit SARS-CoV-2 verursacht werden.

Coronavirus treibt Herzmuskelzellen in den Zelltod

Mehr Aufschluss liefert nun eine Studie von Denisa Bojkova von der Goethe-Universität Frankfurt und ihren Kollegen. Sie haben im Labor aus Stammzellen gezüchtete Herzmuskelzellen und Herzorganoide mit verschiedenen Proben von SARS-CoV-2 infiziert und untersucht, ob und wie das Virus die Zellen angreift. Zusätzlich analysierten die Wissenschaftler auch die Reaktion von lebenden Gewebeschnitten aus frisch bei Herz-OPs entnommenen Herzen.

Es zeigte sich: Das Coronavirus kann Herzmuskelzellen entern und sich in ihnen vermehren. So begannen diese Zellen schon bald nach der Infektion damit, das virale Spike-Protein zu produzieren. Wenig später enthielt die Nährlösung im Umfeld der befallenen Zellen auch vermehrt infektiöses Virus. „Das belegt, dass das Virus vollständige Replikationszyklen in diesen Zellen durchläuft“, berichten die Forscher. 96 Stunden nach der Infektion starben vermehrt Herzzellen ab.

Indiz für direkten Angriff durch das Virus

Der Angriff des Coronavirus auf die Herzmuskelzellen lässt sich auch an deren Bewegung ablesen, denn selbst in Zellkultur kontrahieren diese Zellen wie im richtigen Herzen. „Die Zellen bekommen richtig Stress, wenn sie dem Virus ausgesetzt werden“, berichtet Seniorautorin Stephanie Dimmeler von der Universität Frankfurt. „Die sogenannte ‚beating rate‘ geht erst steil nach oben und fällt nach drei Tagen ab, weil die Zellen sterben.“

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Nach Ansicht der Forscher deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass SARS-CoV-2 die Zellen unseres Herzens direkt angreifen und befallen kann. Allerdings scheinen die Herzmuskelzellen etwas weniger empfänglich zu sein als andere Zelltypen, wie die Experimente nahelegten. Demnach ist die Rate des von der Infektion ausgelösten Zelltods geringer und es dauert auch etwas länger, bis die Herzzellen absterben.

Cathepsin statt TMPRSS2 als „Hilfs-Türöffner“

Interessant jedoch: Offenbar nutzt SARS-CoV-2 für seinen Eintritt in die Herzmuskelzellen einen anderen Mechanismus als beispielsweise bei Lungenzellen. Denn den Herzmuskelzellen fehlt das Membranprotein TMPRSS2, das normalerweise neben dem ACE2-Rezeptor als Kofaktor und damit „Hilfs-Türöffner“ für das Virus dient. Stattdessen nutzt das Coronavirus beim Herzen das Membranprotein Cathepsin als Kofaktor, wie die Experimente belegten.

Das eröffnet neue Chance für die Behandlung, denn es gibt bereits Wirkstoffe, die das Cathepsin hemmen. Einen dieser Cathepsin-Inhibitoren haben Bojkova und ihre Kollegen bereits auf seine Wirksamkeit getestet. Das Ergebnis: Nach Zugabe des Mittels produzierten die Zellkulturen deutlich weniger virale Spike-Proteine und neue Viren. Nach Angaben der Forscher spricht dies dafür, dass dieser Hemmstoff die Virusvermehrung in den Herzmuskelzellen verhindern konnte.

Chancen für bessere Covid-Therapien

Diese Erkenntnis könnte vielleicht einen Weg bieten, den Covid-19-Patienten besser zu helfen, deren Herz durch kardiologische Vorerkrankungen geschwächt und anfälliger ist. Auch der bereits bei Covid-19-Patienten eingesetzte antivirale Wirkstoff Remdesivir blockierte die Virusvermehrung in den Herzzellkulturen und könnte demnach eine herzschützende Wirkung haben.

Allerdings: In welchem Maße die im Labor beobachteten Vorgänge auch in Covid-19-Patienten zum Tragen kommen, müsse erst weiter untersucht werden. „Die Herzmuskelzellen sind normalerweise gut geschützt, da das Virus erst die Gefäßbarriere durchdringen muss“, erklärt Dimmeler. Es könnte daher sein, dass der direkte Befall der Herzmuskelzellen nur bei hoher Virenlast und längerer Infektionsdauer stattfindet. (Cardiovascular Research, 2020; doi: 10.1093/cvr/cvaa267)

Quelle: Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.

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