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Medizin

Coronavirus: Entscheidende Enzymstruktur aufgeklärt

Inhalierbarer Hemmstoff wirkt gegen die neu entschlüsselte Hauptprotease von SARS-CoV-2

Coronavirus-Protease
Forscher haben die Hauptprotease (rechts) des Coronavirus SARS-CoV-2 entschlüsselt. © Helmholtz-Zentrum Berlin

Vermehrung blockiert: Deutschen Forschern ist es gelungen, ein für die Vermehrung des Coronavirus entscheidendes Enzym zu entschlüsseln – und einen Hemmstoff zu finden. Ohne die virale Hauptprotease Mpro kann SARS-CoV-2 sein Erbgut nicht von der Wirtszelle kopieren lassen. Die Kenntnis dieser Enzymstruktur eröffnet daher neue Möglichkeiten, das Virus zu bekämpfen. Ein gegen verwandte Coronaviren entwickelter inhalierbarer Hemmstoff hat sich bei Mäusen und in Zellkulturen schon als effektiv erwiesen.

SARS-CoV-2
Coronaviren des Typs SARS-CoV-2 im Gewebe eines Covid-Patienten. © NIAID

Angesichts der steigenden Fallzahlen von COVID-19 suchen Forscher weltweit nicht nur mit Hochdruck nach einem Impfstoff gegen SARS-CoV-2, sondern auch nach antiviralen Mitteln, die die Vermehrung des Erregers im Körper hemmen und so die Krankheit stoppen können. In China, den USA und Deutschland laufen erste klinische Studien mit den ursprünglich gegen Ebola entwickelten Wirkstoffen Remdesivir und Favipiravir, auch Mittel gegen die eng verwandten Viren SARS und MERS-CoV werden getestet.

Ohne Hauptprotease kann sich das Coronavirus nicht vermehren

Einen neuen Ansatzpunkt für antivirale Mittel eröffnet nun ein Durchbruch, den Forscher um Linlin Zhang und Rolf Hilgenfeld von der Universität Lübeck erzielt haben. Ihnen ist es gelungen, die Struktur der Hauptprotease von SARS-CoV-2 zu entschlüsseln. Dieses Enzym benötigt das Virus, um seine virale RNA von der Wirtszelle kopieren zu lassen. Dafür produziert es zunächst große Proteinkomplexe, sogenannte Polyproteine. Die Hauptprotease zerschneidet diese in zwölf kleinere Proteine, die dann den Replikationskomplex aufbauen – und so die RNA-Vermehrung in Gang setzen.

„Wenn es uns gelingt, die Hauptprotease zu blockieren, können wir daher die Virusreplikation unterbinden“, erklärt Hilgenfeld. Um dieses Enzym zu entschlüsseln, nutzten die Forscher das im Januar von chinesischen Forschern veröffentlichte Erbgut von SARS-CoV-2, um daraus die genetische Bauanleitung für die Hauptprotease zu isolieren, diese zu synthetisieren und das Gen dann in eine Laborkultur von Escherichia coli Bakterien einzuschleusen.

Ansatzpunkt für neue Antiviren-Mittel

Die Bakterien begannen dadurch, größere Mengen dieses viralen Enzyms zu produzieren. „Ende Januar hatten wir genügend Enzym gereinigt und kristallisiert und am 1. Februar transportierten wir diese Kristalle zum BESSY-Synchrotron in Berlin, um sie dort in einen intensiven Röntgenstrahl hineinzubringen „, berichtet Zhang. Diese Röntgen-Diffraktion machte die dreidimensionale Struktur der Protease bis in die einzelnen Atome hinunter sichtbar.

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Durch die Entschlüsselung dieser Enzym-Struktur können die Wissenschaftler nun weitaus gezielter als zuvor Hemmstoffe gegen das Coronavirus entwickeln und optimieren. „Da es keine menschliche Protease mit ähnlich spezifischen Merkmalen gibt, sind Hemmstoffe gegen diese virale Hauptprotease mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht toxisch“, erklären die Forscher. Diese Wirkstoffe würden demnach keine schweren Nebenwirkungen oder Zellschäden verursachen.

Erste Erfolge mit inhalierbarem Hemmstoff

Und es gibt schon einen ersten Erfolg: Ein vor einigen Jahren von Hilgenfeld und seinem Team gegen den Erreger MERS-CoV und andere eng verwandte Coronaviren entwickelter Hemmstoff hat sich auch gegen SARS-CoV-2 als wirksam erwiesen. Als die Forscher Mäusen diesen sogenannten Alpha-Ketoamid-Inhibitor per Injektion oder per Inhalationsspray verabreichten, sammelte sich der Hemmstoff wie erhofft vor allem in der Lunge und der Niere – den Organen, die bei COVID-19 am stärksten betroffen sind.

Tests mit Kulturen menschlicher Lungenzellen bestätigten die Wirksamkeit: Waren die Lungenzellen zuvor mit SARS-CoV-2 infiziert worden, blockierte der Hemmstoff die Virenvermehrung und verhinderte so das Fortschreiten der Infektion, wie die Forscher berichten. Ihrer Ansicht nach eröffnen solche inhalierbaren Hemmstoffe der viralen Hauptprotease demnach eine gute Ansatzmöglichkeit neuer Mittel gegen das Coronavirus.

Zu spät für aktuelle Pandemie?

Allerdings: Noch steckt die Entwicklung dieser Hemmstoffe in den Anfängen. „Ganz sicher wird es mehrere Jahre dauern, bis unser Wirkstoff zu einem Anti-Coronavirus-Medikament entwickelt sein wird“, betont Hilgenfeld. Als nächsten Schritt müsse man nun eine Finanzierung für die nötigen klinischen Studien finden. Gelder dafür könnten von einem Konsortium kommen, das sich gegenwärtig als Teil einer Initiative der Europäischen Kommission zum Kampf gegen das neue Coronavirus bildet.

Für die aktuelle Pandemie wird dieser Hemmstoff daher vermutlich zu spät kommen. Er könnte aber dazu beitragen, die möglicherweise künftig immer wiederkehrende Covid-Infektionswellen behandelbar zu machen und so die Zahl der Todesfälle reduzieren. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.abb3405)

Alle Informationen rund um die Coronavirus-Pandemie haben wir für Sie in unserem Themenspecial zusammengefasst.

Quelle: Universität zu Lübeck

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