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Medizin

Coronavirus bringt das Blut durcheinander

Auffällig viele Thrombosen und Lungenembolien bei Covid-19-Patienten

Blut
Es mehren sich die Hinweise darauf, dass Covid-19 die Blutgerinnung übermäßig verstärkt und so Thrombosen und Embolien fördert © Giang Nguyen/ iStock.com

Dickes Blut: Das Coronavirus erhöht offenbar das Risiko für gefährliche Blutgerinnsel. Mediziner berichten über auffällig viele Fälle von Covid-19-Patienten mit Thrombosen und Lungenembolien. Mit einer Rate von rund 30 Prozent treten diese Komplikationen um ein Mehrfaches häufiger auf als normalerweise bei Intensivpatienten üblich. Ob die starke Immunreaktion oder aber das Virus selbst für die übermäßige Blutgerinnung verantwortlich ist, ist noch unklar.

Im Verlauf der Corona-Pandemie zeigt sich mehr und mehr, dass SARS-CoV-2 im Körper viel breitgefächerte Schäden hervorruft als zunächst angenommen. Zwar entwickeln Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf oft eine Lungenentzündung, in vielen Fällen schädigt das Coronavirus aber auch das Herz oder löst neurologische Symptome vom Riechverlust bis hin zu Lähmungen, Anfällen oder einem Schlaganfall aus.

Blutgerinnsel, Thrombosen und Embolien

Jetzt berichten Mediziner weltweit von einer weitere Schadwirkung des Coronavirus: Bei vielen Covid-19-Patienten kommt es zu schweren Störungen der Blutgerinnung – sie ist überaktiv. Dadurch bilden sich vermehrt Blutgerinnsel in den Gefäßen. Thrombosen, Lungenembolien und auch Schlaganfälle sind die Folge. Von diesen Komplikationen sind offenbar auch jüngere Patienten betroffen, wie Ärzte berichten. „Die Zahl der Blutgerinnsel-Probleme, die ich in der Intensivstation sehe, ist beispiellos“, berichtete der Hämatologe Jeffrey Laurence vom Weill Cornell Medicine in New York gegenüber CNN.

Auch physiologische Anzeichen für eine übermäßig starke Blutgerinnung fanden Wissenschaftler in mehreren Studien. So waren in Strasburg die Werte des sogenannte D-Dimers – einem von Blutgerinnseln freigesetzten Molekül, bei den Covid-19-Patienten um das rund Dreifache erhöht. Ähnliches haben Forscher auch in China bei Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen festgestellt.

30 Prozent Lungenembolien und Thrombosen

In den Niederlanden ergab eine Studie, dass von 184 in Intensivstationen behandelten Covid-19-Patienten 31 Prozent Blutgerinnsel entwickelten – und dies obwohl sie zur Thrombosevorbeugung routinemäßig Gerinnungshemmer bekommen hatten. Am häufigsten traten die Gerinnsel in der Lungen auf und verursachten eine Lungenembolie, aber auch Thrombosen in tiefen Venen oder in kleineren Arterien wurden beobachtet. „Eine Rate von 31 Prozent trotz Thromboseprophylaxe ist auch für Intensivpatienten ungewöhnlich hoch“, sagen Frederikus Klok von der Universität Leiden und seine Kollegen.

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Ähnliches berichten Forscher um Ian Leonard-Lorant vom Universitätsklinikum Strasburg. Bei der Untersuchung von 106 Covid-Patienten mit schwerem Verlauf stellten sie bei 32 Patienten akute Embolien in den Lungengefäßen fest. „Diese Rate von 30 Prozent ist viel höher als normalerweise bei schwerkranken Patienten ohne Covid-19 typisch“, berichten die Mediziner. Sonst kämen Lungenembolien bei nur rund 1,3 Intensivpatienten vor.

Die bisherigen Beobachtungen sprechen dafür, dass diese Komplikationen das Risiko an Covid-19 zu sterben, signifikant erhöhen. So ermittelten Forscher in Wuhan, dass 71 Prozent der an Corona Gestorbenen erhöhte Blutgerinnungswerte hatten, aber nur 0,6 Prozent derjenigen, die einen schweren Verlauf überlebt hatten.

Ist der „Zytokin-Sturm“ schuld?

Doch was löst diese übermäßige Blutgerinnung aus? Theoretisch könnten die Thrombosen und Embolien sowohl vom Coronavirus selbst verursacht sein, als auch auf die überschießende Immunreaktion des Körpers bei Covid-19 zurückgehen – den sogenannten Zytokin-Sturm. Von diesem weiß man, dass er massiv entzündungsfördernde Botenstoffe freisetzt, durch die auch Gerinnsel und Gefäßblockaden begünstigt werden.

Allerdings berichten chinesische Mediziner, dass die für diesen Zytokin-Sturm typischen Botenstoffe bei ihren Patienten erst auftraten, nachdem die D-Dimer-Werte im Blut schon um das Zehnfache angestiegen waren. Die Patienten hatten demnach schon Blutgerinnsel, bevor die starke Immunantwort einsetzte. „Das deutet darauf hin, dass diese Komplikationen nicht auf die systemische Entzündung zurückgehen, sondern auf die Erkrankung selbst“, sagt Edwin van Beek, von der University of Edinburgh.

Eher eine direkte Folge der Virus-Infektion

Tatsächlich ist von einigen Viren bekannt, dass sie in die Koagulations-Kaskade des Blutes eingreifen, darunter Ebola, Dengue und auch HIV, wie van Beek und seine Kollegen erklären. Auch bei der SARS-Pandemie im Jahr 2003 habe es Fälle von Patienten mit multiplen Thrombosen gegeben. „Angesichts der Ähnlichkeit von SARS und SARS-CoV-2 ist es daher wahrscheinlich, dass bei Covid-19-Patienten ähnliche thrombotische Komplikationen auftreten“, so die Forscher.

„Covid-19 ist mehr als nur eine Lungeninfektion“, sagt Edwin van Beek, von der University of Edinburgh. „Sie betrifft die Gefäße der Lungen und anderer Organe und bringt ein hohes Thrombose-Risiko mit akut lebensbedrohlichen Komplikationen mit sich.“ ER und viele seiner Kollegen empfehlen daher, Covid-19-Patienten prophylaktisch mit Blutgerinnungshemmern zu behandeln und sie eng auf mögliche Gerinnsel zu überwachen. (Thrombosis Research, 2020; doi: 10.1016/j.thromres.2020.04.013; Radiology, 2020; doi: 10.1148/radiol.2020201561; doi: 10.1148/radiol.2020201629)

Quelle: Radiological Society of North America

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