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Medizin

Corona: Auch Kinder können erkranken – aber anders

Mediziner melden vermehrt Fälle von schweren Entzündungszuständen bei Kindern

Kind und Corona
Mit dem Coronavirus infizierte Kinder zeigen selten die typischen Symptome von Covid-19, aber in seltenen Fällen können sie ein schweres Entzündungssyndrom erleiden.© FamVeld/ iStock.com, CDC

Seltene, aber schwere Komplikation: Bislang galten Kinder als weitgehend immun gegenüber schweren Verläufen von Covid-19. Doch das täuscht offenbar. Denn es mehren sich Berichte über seltene Fälle eines schweren Entzündungssyndroms bei infizierten Kindern, das der sogenannten Kawasaki-Krankheit ähnelt. Zudem können auch Durchfälle sowie Fieber ohne Atemwegssymptome auf eine Corona-Infektion bei Kindern hinweisen.

Im Verlauf der Corona-Pandemie zeigt sich immer deutlicher, dass SARS-CoV-2 im Körper mehr Organe und Gewebe schädigen kann als zunächst angenommen. So befällt das Coronavirus neben Atemwegen und Lunge auch das Herz und den Darm, es kann Nerven und Gehirn schädigen und die Blutgerinnung erheblich stören. Eine Covid-19-Erkrankung zu erkennen, ist daher allein aufgrund der Symptome nicht immer einfach.

Das belegen nun auch Hinweise auf ungewöhnliche, teils schwerwiegende Symptome bei infizierten Kindern. Bislang galten diese als weitgehend unempfindlich gegenüber dem Coronavirus. Studien zufolge infizieren sich Kinder zwar ebenso leicht wie Erwachsene und können ihrerseits andere anstecken. Doch in der Regel verläuft die Infektion bei ihnen asymptomatisch oder sehr mild – so jedenfalls dachte man.

„Hyperentzündlicher Schock“

Doch jetzt häufen sich Berichte darüber, dass es auch bei Kindern zu schweren Erkrankungen kommen kann. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien wurden in Krankenhäusern ungewöhnlich viele Kinder mit einem schweren Entzündungssyndrom eingeliefert. Allein in New York gab es in den letzten Wochen 15 solcher Fälle, Forscher aus einer Londoner Klinik meldeten 20 Kinder mit ähnlichen Symptomen. Auch aus Italien und Spanien gibt es inzwischen einige Meldungen über solche Fälle.

Die britische Gesundheitsbehörde veröffentlichte Ende April eine offizielle Mitteilung, in der sie über einen deutlichen Anstieg in der Zahl von Kindern aller Altersgruppen berichtet, „die wegen eines systemischen Entzündungszustands in Intensivstationen behandelt werden müssen.“ Shelley Riphagen und ihr Team vom Evelina London Childrens Hospital schildern das Syndrom als „hyperentzündlichen oder toxischen Schock“.

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Spätfolge einer asymptomatischen Corona-Infektion?

Die betroffenen Kinder leiden an anhaltend hohen Fieber, Gliederschmerzen, Ödemen, Bindehautentzündungen und Hautausschlägen. Etwa die Hälfte bekommt zudem Bauchschmerzen und Durchfälle. Die Blutwerte zeigen typischerweise stark erhöhte Entzündungswerte, wie die Mediziner berichten. Bei vielen dieser Kinder verschlechterte sich der Zustand so stark, dass sie auf der Intensivstation behandelt und teilweise beatmet werden mussten.

Das Entscheidende dabei: Bei einem Teil dieser Fälle wurde mittels PCR-Test eine akute Infektion mit SARS-CoV2 nachgewiesen, obwohl die Kinder keine typischen Atemwegssymptome zeigten. In London ergaben Antikörpertests zudem, dass einige in der PCR negativ getestete Kinder Antikörper gegen das Coronavirus besaßen – sie hatten demnach zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits eine Corona-Infektion hinter sich.

„Dieses klinische Bild könnte demnach ein Phänomen sein, das zuvor asymptomatische Kinder mit einer Coronavirus-Infektion betrifft“, sagen Riphagen und ihr Team.

Atypische Form des Kawaski-Syndroms

Ganz ähnliche Symptome treten auch bei einer seltenen Autoimmunerkrankung von Kleinkindern auf, dem sogenannten Kawasaki-Syndrom. Dabei kommt es zu einer Entzündung der Blutgefäße, die unbehandelt zu bleibenden Schäden an den Herzkranzgefäßen und im Extremfall zu Aneurismen – Aussackungen – an großen Arterien führen können. Behandelt wird das Kawasaki-Syndrom mit hochdosiertem Aspirin und Immunglobulinen.

Bisher ist die Ursache des Kawasaki-Syndroms unbekannt, Forscher vermuten jedoch, dass eine Fehlreaktion des kindlichen Immunsystems auf eigentlich harmlose Schnupfenerreger wie das Rhinovirus oder auf die Erkältungs-Coronaviren der Auslöser sein könnte. Das legt nahe, dass auch in den aktuellen Fällen ein Virus diese Fehlreaktion verursacht – SARS-CoV-2.

Allerdings betonen die Mediziner auch, dass diese Erkrankung unter infizierten Kindern bisher extrem rar zu sein. „Wir sprechen hier insgesamt von einer sehr geringen Zahl von Fällen“, sagt Sanjay Patel vom Southampton Childrens Hospital. „Es ist weiterhin sehr unwahrscheinlich, dass ein Kind an Covid-19 erkrankt und es ist noch unwahrscheinlicher, dass dieses Kind dann dieses Syndrom entwickelt.“

Auch Fieber und Durchfall können ein Infektionszeichen sein

Doch es gibt auch weniger seltenen und schwere Anzeichen einer Coronavirus-Infektion bei Kindern, wie unter anderem eine Forschergruppe aus Wuhan berichtet. Demnach kann sich Covid-19 bei Kindern auch in Bauchschmerzen und Durchfall ohne jegliche Atemwegssymptome äußern. „Basierend auf unserer Erfahrung sollten Kinder, die unter Symptomen des Verdauungstrakts leiden, vor allem wenn sie zusätzlich Fieber haben, auf dieses Virus hin untersucht werden“, erklärt Wenbin Li vom Tongjin Hospital in Wuhan.

Bei Säuglingen kann sich eine Infektion mit SARS-CoV-2 auch in Fieber unklarer Ursache sowie in Schläfrigkeit und Muskelschwäche äußern, wie ein Forscherteam vom Trousseau Hospital in Paris berichtet. Dort zeigten fünf Säuglinge von höchstwahrscheinlich an Covid-19 erkrankten Eltern diese Symptome, die aber mit fiebersenkenden Mitteln gut behandelbar waren und nach einigen Tagen wieder abklangen. (The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(20)31094-1; Frontiers in Pediatrics, doi: 10.3389/fped.2020.00258; The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(20)30980-6)

Quelle: American Heart Association, RCPCH, Science Media Centre UK, The Lancet

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