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Medizin

Corona: Urin warnt vor schwerem Verlauf

Schon Tage vor einer Verschlimmerung von Covid-19 zeigen sich Anzeichen beim Urintest

Urintest
Ein simpler Urintest könnte zeigen, ob einem Covid-Patienten in schwerer Verlauf droht. © angelp/ iStock.com

Frühe Warnung: Schon Tage vor der rapiden Verschlimmerung von Covid-19 könnte ein Urintest anzeigen, ob ein schwerer Verlauf droht – und welche Behandlung nötig ist. Denn im Urin zeigen sich bereits zu diesem Zeitpunkt deutliche Anomalien, wie Göttinger Mediziner herausgefunden haben. Ein Urintest schon bei Einweisung in die Klinik oder auch bei Patienten in Pflegeheimen oder zuhause könnte eine rechtzeitige Therapie ermöglichen – und Todesfälle verhindern.

Die von SARS-CoV-2 verursachte Covid-19-Erkrankung beginnt fast immer mit milden Symptomen. Erst am Ende der ersten Woche wandelt sich der Zustand bei Patienten mit schweren Verläufen drastisch zum Schlechteren. Gerade bei Menschen mit Vorerkrankungen oder Älteren geschieht dies häufig so schnell, dass die Lunge, Blutgefäße und andere Organe schon schwere Schäden erleiden, bevor die Behandlung einsetzen kann.

Marker im Urin

Doch das lässt sich möglicherweise verhindern, wie nun Beobachtungen von Medizinern aus dem Universitätsklinikum Göttingen nahelegen. „Wir haben Abnormitäten in Urinproben von Patienten mit Covid-19 identifiziert, die dann innerhalb weniger Tage sehr krank wurden“, berichten Oliver Gross und seine Kollegen. Konkret fanden sich bei diesen Patienten erhöhte Werte von Blut, weißen Blutkörperchen und dem Protein Albumin im Urin.

Alle drei Parameter zeigen an, dass die Nieren bereits vom Coronavirus angegriffen und entzündet sind und dass auch Blutgefäße und Blut krankhaft verändert sind. Wie die Forscher erklären, manifestieren sich diese Folgen der Infektion schon vor dem Auftreten anderer schwerer Symptome wie Atemnot oder Lungenentzündung. Tatsächlich mehren sich die Hinweise darauf, dass SARS-CoV-2 bei schweren Verläufen schon früh eine systemweite Entzündung vor allem der Gefäße verursachen kann.

Mangel zeigt kommenden schweren Verlauf

Das Entscheidende daran: Stellt man bei einem Patienten diese Veränderungen im Urin fest, kann eine einfache Folgeuntersuchung klären, ob sich bei dem Betroffenen schon ein schwerer Verlauf ankündigt. Dafür wird der Gehalt des Proteins Albumin im Blut und im Urin bestimmt, außerdem die Konzentration des Blutproteins Antithrombin III. Dieses wirkt einer zu starken Verdickung und Gerinnung des Blutes entgegen und ist daher wichtiger Gegenspieler von Thrombosen und anderen Blutgerinnseln.

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„Ist auch nur einer von drei Parametern schwer verändert, besteht ein hohes Risiko, dass sich die Erkrankten auf Normalstation zeitnah verschlechtern, auf die Intensivstation verlegt werden müssen oder sich der Verlauf auf Intensivstation noch verschlechtert“, sagt Gross. Als Alarmzeichen gilt, wenn das Antithrombin III auf weniger als 60 Prozent des Normalwerts abgesunken ist und wenn Albumin im Serum unter rund zwei Milligramm pro Deziliter Serum sinkt.

Löchrige Kapillaren und stockendes Blut

Hinter diesen Werten stecken zwei krankhafte Veränderungen, die jeweils bestimmte Therapien erfordern. Ein schwerer Mangel von Albumin im Blut deutet auf das sogenannte Capillary-Leak-Syndrom hin. Dabei sickern Bluteiweiße und Flüssigkeit durch die löchrig gewordenen Wände der kleinen Blutgefäße in die Gewebe der Lunge und anderer Organe ein. Als Folge schwillt das Lungengewebe an und der Sauerstoffaustausch wird behindert. Gegenmaßnahmen sind hoch dosierte Entwässerungsmedikamente und kreislaufstabilisierende Mittel.

Der Mangel an Antithrombin III im Blut zeigt an, dass die Blutgerinnung bereits deutlich erhöht ist und Thrombosen und Lungenembolien drohen. Diese Patienten sollten daher Blutverdünnungsmittel wie Heparin bekommen, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Das Heparin muss dabei hoch dosiert werden, weil der Antithrombin-Mangel seine Wirksamkeit verringert, wie die Mediziner erklären.

Testen schon vor der Krankenhaus-Einweisung

Nach Ansicht von Gross und seinem Team könnte ein Urintest schon im Frühstadium von Covid-19 entscheidend dazu beitragen, diese Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Damit ließen sich bei vielen Erkrankten lebensbedrohliche Verschlechterungen und Todesfälle verhindern. Weil der Urintest wenig Aufwand erfordert, könnte er auch bei infizierten Patienten in Pflegeheimen oder in häuslicher Quarantäne eingesetzt werden – und rechtzeitig waren, wenn eine Verschlechterung des Zustandes droht.

„Zudem könnten Patienten früher und zutreffender für spezielle Therapien zugeordnet werden“, sagt Gross Kollegin Simone Scheithauer. „Durch das frühe Erkennen des Capillary-Leak-Syndroms könnten symptomatische präventive Therapien eingeleitet werden und so vielleicht sogar lebensbedrohliche Verläufe verhindert werden.“

Die Forscher haben einen sogenannten Handlungspfad entwickelt, der die Diagnose- und Therapieschritte ab dem Urintest beschreibt. Seine Anwendbarkeit und Wirkung wird zurzeit in einer größeren Studien an mehreren Universitätskliniken in Deutschland untersucht. (The Lancet, 2020; doi: 10.1016/S0140-6736(20)31041-2)

Quelle: Universitätsmedizin Göttingen – Georg-August-Universität

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