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Medizin

Corona: Sind Übergewichtige stärker gefährdet?

Hinweise auf höheren Anteil schwerer Verläufe bei Patienten mit hohem BMI

SARS-CoV-2
Das Coronavirus AARS-CoV-2 führt bei Menschen mit starkem Übergewicht häufiger zu schweren Verläufen von Covid-19. © NIAID

Erhöhtes Risiko: Ein starkes Übergewicht scheint das Risiko für schwere Verläufe bei einer Coronavirus-Infektion zu erhöhen – und dies möglicherweise unabhängig von Begleitfaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes. Hinweise darauf liefert unter anderem ein höherer Anteil von Covid-19-Patienten bei Corona-Todesfällen in China, aber auch eine Studie aus Frankreich, nach der Menschen mit Adipositas signifikant häufiger beatmet werden mussten.

Während sich das Coronavirus SARS-CoV-2 weiterhin ausbreitet, klären sich allmählich immer mehr Details zu seinem Infektionsverhalten, aber auch zum Verlauf und den Ausprägungen der vom Virus ausgelösten Covid-19-Erkrankung. So weiß man inzwischen, dass der Erreger neben der Lunge auch Herz und Nervensystem befallen kann und dass Vorerkrankungen, Alter und das Rauchen eine Rolle für die Schwere der Verläufe spielen.

Infektions-Abwehr geschwächt

Doch auch Menschen mit starkem Übergewicht könnten stärker durch das Coronavirus gefährdet sein, wie nun Studien nahelegen. Schon länger ist bekannt, dass ein hoher Körperfettanteil die Immunreaktion des Körpers beeinflusst und das Risiko für Lungenentzündungen fördern kann. Zum einen setzt vor allem das Fettgewebe im Bauchraum Botenstoffe frei, die Entzündungen fördern und die Immunabwehr behindern können.

Zum anderen stört das Bauchfett die Atemtätigkeit der Lunge und scheint auch physiologische Effekte auf Bronchien und Lungengewebe zu haben. „Bei der H1N1-Epidemie wurde Adipositas daher als unabhängiger Risikofaktor für schwere Infektionen der Lunge beschrieben“, erklären Arthur Simonnet und seine Kollegen vom Universitätsklinikum Lille. „Es liegt daher nahe, dass Adipositas auch bei SARS-CoV-2 ein Risikofaktor ist.“

Notwendigkeit der Beatmung steigt mit dem BMI

Für ihre Studie werteten die Forscher die medizinischen Daten aller 124 Covid-19-Patienten aus, die vom 27. Februar bis 5. April 2020 in die Intensivstation des Universitätsklinikums Lille eingewiesen wurden. Dabei verglichen sie, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Body-Mass-Index (BMI) und der Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung mittels Intubation gab. Diese unter Narkose durchgeführte Beatmung wird dann nötig, wenn Patienten so schwer erkrankt sind, dass eine Sauerstoffzufuhr über eine Maske nicht ausreicht.

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Es zeigte sich: Von den 124 Covid-Patienten mussten 85 beatmet werden – und auffällig viele dieser Fälle hatten starkes Übergewicht. So lag der Anteil von Patienten mit einem BMI über 30 bei den beatmeten bei 56 Prozent, bei den leichteren Fällen waren es nur 28 Prozent, wie die Forscher berichten. Menschen mit starker Adipositas und einem BMI höher als 35 waren zu 38 Prozent vertreten, bei den nicht-beatmeten Patienten waren es 12,8 Prozent.

„Die Notwendigkeit für eine Beatmung stieg zudem graduell mit dem Body-Mass-Index an, bis sie bei Menschen mit einem BMI von mehr als 35 einen Anteil von 90 Prozent erreichte“, so Simonnet und sein Team. „Damit demonstrieren unsere Daten einen deutlichen Zusammenhang von Adipositas und der Schwere von Covid-19.“

Mehr Übergewichtige unter den Todesfällen

Ähnliche Ergebnisse liefert eine Studie aus China: Dort haben YD Peng und sein Team die Daten von 112 Covid-Patienten ausgewertet, die zwischen 20. Januar und 15. Februar 2020 ins Union Hospital in Wuhan eingeliefert worden waren.

Das Ergebnis: Von den Patienten, die die Infektion nicht überlebten, hatten 88,2 Prozent einen Body-Mass-Index von mehr als 25 – sie waren demnach übergewichtig bis fettleibig. Bei den Überlebenden lag der Anteil der Übergewichtigen dagegen nur bei 18,9 Prozent. Nach Ansicht der Autoren deutet dies darauf hin, dass das Risiko für einen schweren Verlauf und den Tod durch Covid-19 bei Menschen mit Übergewicht höher sein könnte.

Viele ACE2-Rezeptoren im Fettgewebe

All dies spricht dafür, dass auch Menschen mit Übergewicht zur Risikogruppe bei Covid-19 gehören. Aber warum? Sind sie nur deshalb stärker betroffen, weil sie häufiger unter Begleiterkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden? Oder ist der höhere Körperfettanteil per se ein Risikofaktor? Bisher reichen die Daten nicht aus, um diese Frage eindeutig zu beantworten, wie auch Simonnet und sein Team einräumen.

Allerdings gibt es erste Belege dafür, dass auch das Fettgewebe dem Coronavirus potenzielle Andockstellen bietet. Forscher um Xiaodong Jia vom Generalkrankenhaus Peking haben nachgewiesen, dass die ACE2-Rezeptoren, die das Virus zum Befall der Zellen benötigt, auch auf Fettzellen und deren Vorläuferzellen vorkommt. „Die ACE2-Expression war im Fettgewebe höher als im Lungengewebe“, berichten sie. Weil Menschen mit starkem Übergewicht und Adipositas mehr Fettgewebe besitzen, könnte sie dies anfälliger für das Virus machen.

„Vor Ansteckung schützen“

Auch wenn die genaue Rolle des Körperfetts für den Verlauf der Coronavirus-Infektion noch näher untersucht werden muss, ist die Empfehlung der Wissenschaftler klar: „Menschen mit Übergewicht und besonders mit Adipositas sollten in dieser Pandemie zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um sich vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 zu schützen“, raten Simonnet und seine Kollegen. (Obesity, 2020; doi: 10.1002/oby.22831; Zhonghua, doi: 10.3760/cma.j.cn112148-20200220-0010; Preprints, doi: 10.20944/preprints202002.0315.v1).

Quelle: Obesity, Wiley, Preprints

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