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Medizin

Corona: Mehr Kurzsichtigkeit durch Lockdowns

Ausgangssperren und Homeschooling verstärken Myopie bei Kindern in China

Kurzscihtig
Schulschließungen und Lockdowns sind offenbar nicht gut für Kinderaugen. © peakSTOCK/ iStock.com

Schleichende Nebenwirkung: Lockdowns und Schulschließungen wirken sich offenbar negativ auf die Sehkraft von Kindern aus – sie verstärken die Kurzsichtigkeit. Indizien dafür liefern Reihenuntersuchungen an fast 130.000 Schulkindern in China. Demnach hat sich die Sehkraft der Sechs- bis Achtjährigen im Jahr 2020 im Schnitt um 0,3 Dioptrien verschlechtert – 1,4 bis drei Mal stärker als in den Vorjahren. Ursachen könnte der seltenere Aufenthalt im Freien und das Homeschooling sein.

Die Corona-Pandemie und ihre Gegenmaßnahmen treffen auch Kinder weltweit: Seit Frühjahr 2020 waren Schulen monatelang geschlossen, statt Pausenhof und Sportunterricht gibt es Homeschooling und in manchen Ländern sogar Ausgangssperren. „Dadurch verbrachten sie mehr Zeit drinnen und vor Bildschirmen, während Aktivitäten draußen zurückgingen“, erklären Xuehan Qian von der Universitäts-Augenklinik in Tianjin und sein Team. Allein in China waren mehr als 220 Millionen Kinder monatelang zuhause.

Warum das Draußensein wichtig ist

Das Problem dabei: Ein mangelnder Aufenthalt im Freien und viel Lesen oder Bildschirmarbeit können bei Kindern das Risiko für Kurzsichtigkeit erhöhen. Diese entsteht, wenn der Augapfel der Kinder zu stark wächst und das schärfste Bild dadurch vor der Netzhaut entsteht. Das Augapfel-Wachstum wird von Botenstoffen gefördert. Bewegen sich Kinder aber viel im Freien, hemmt die im Sonnenlicht enthaltene UVB-Strahlung die Freisetzung dieses Botenstoffs.

Ob sich auch die Corona-Lockdowns auf die Kurzsichtigkeit von Kindern auswirken, haben nun Qian und sein Team an gut 123.500 Schulkindern in der chinesischen Stadt Shandong untersucht. Dort werden Grundschulkinder jedes Jahr im Herbst in einer Reihenuntersuchung auf Kurzsichtigkeit hin getestet. Dadurch konnten die Forscher die Ergebnisse von bis zu fünf Jahren miteinander vergleichen.

Deutliche Zunahme der Kurzsichtigkeit

Das Ergebnis: Im Jahr 2020 haben die Kurzsichtigkeit der Kinder und auch der Anteil der Fehlsichtigen unter ihnen deutlich zugenommen. Im Schnitt nahm die Sehstärke der sechs- bis achtjährigen Kinder um -0,3 Dioptrien ab. „Damit zeigt sich 2020 eine substanzielle Veränderung der Kurzsichtigkeit in dieser Altersgruppe, berichten die Forscher. Bei den neun- bis 13-Jährigen war der Effekt dagegen geringer, ihre Augen verschlechterten sich im Schnitt nur um -0,1 Dioptrien.

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Der Anteil der Kurzsichtigen pro Jahrgang stieg bei den Sechsjährigen von 5,7 Prozent im Vorjahr auf 21,5 Prozent im Jahr 2020, bei den Achtjährigen erhöhte sich der Anteil von 27,7 Prozent auf 37,2 Prozent. „Die Myopie-Häufigkeit im Jahr 2020 ist in dieser Altersgruppe signifikant höher als in allen Vorjahren von 2015 bis 2019“, so Qian und sein Team. „Diese Veränderungen zeigten sich bei Jungen wie Mädchen und auf beiden Augen.“

„Sorge könnte berechtigt sein“

Nah Ansicht der Wissenschaftler sprechen diese Ergebnisse dafür, dass der Lockdown und die Schulschließungen sich negativ auf die Sehkraft der Kinder ausgewirkt haben. „Eine so substanzielle Zunahme der Kurzsichtigkeit ist in keinem anderen Jahresvergleich aufgetreten und macht es daher wahrscheinlich, dass die Ursache in den häuslichen Einschränkungen des Jahres 2020 liegt“, konstatieren Qian und sein Team.

Vor allem jüngere Kinder, bei denen der Augapfel noch wächst und deren Sehkraft besonders plastisch ist, seien demnach besonders stark von mangelnden Aktivitäten im Freien betroffen. „Unseres Wissens nach liefern wir damit die ersten Belege dafür, dass die Sorge gerechtfertigt sein könnte – zumindest bei den jüngeren Kinder zwischen sechs und acht Jahren“, so die Forscher. Bei den älteren Kindern sei noch nicht klar, ob sich ihre Augen bei noch längerem Lockdown ähnlich stark verschlechtern könnten.

Bildschirmzeit begrenzen und mehr ins Freie

Die Wissenschaftler empfehlen allen Eltern, auch während der Lockdowns und Schulschließungen darauf zu achten, dass ihre Kinder genügend Bewegung an der frischen Luft bekommen und dass die Zeit vor dem Bildschirm so weit wie möglich begrenzt wird. In weiteren Studien wollen sie nun untersuchen, ob die Verschlimmerung der Kurzsichtigkeit reversibel oder von Dauer ist und wie sich die Sehkraft der älteren Kinder weiter entwickelt. (JAMA Ophthalmology, 2021; doi: 10.1001/jamaophthalmol.2020.6239)

Quelle: JAMA Ophthalmology

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