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Medizin

Corona: Zweit-Infektion doch möglich?

Neuansteckung eines Mannes nach überstandenem Covid-19 weckt Zweifel an Immunschutz

SARS-CoV-2
Kann man sich zweimal mit SARS-CoV-2 anstecken? Ein Fall in Hongkong scheint dies nun zu belegen. © NIAID

Doch nicht immun? Ein Mann aus Hongkong ist knapp fünf Monate nach seiner ersten Covid-19-Erkrankung wieder positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden. Genanalysen belegen, dass die zweite Infektion mit einer anderen Virusvariante erfolgte als die erste – es kann sich demnach nicht um bloße Virenreste handeln. Damit ist dieser Patient der erste klar dokumentierte Fall einer Zweitinfektion mit dem Coronavirus. Was aber bedeutet dies?

Wie gut schützt eine erste Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vor einer erneuten Ansteckung? Und wie lange hält der Immunschutz durch Antikörper und Abwehrzellen an? Theoretisch könnten es nur Wochen oder Monate sein, aber auch Jahre. Möglich wäre auch, dass eine durchlaufene Covid-19-Erkrankung nur einen Teilschutz verleiht, durch den man sich zwar erneut anstecken kann, aber dann nicht mehr schwer erkrankt.

Unklare Faktenlage

Klare Antworten auf diese Fragen gibt es bislang nur wenige. So legte kürzlich eine Studie nahe, dass nicht jeder von Covid-19 genesene Patient auch schützende Antikörper entwickelt. Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass eine frühere Infektion mit einem der Erkältungs-Coronaviren Menschen eine Kreuzimmunität verleihen könnte, die zumindest vor schweren Verläufen schützt.

Ebenso unklar war die Faktenlage bisher zur Frage, ob man sich zweimal mit SARS-CoV-2 anstecken kann. Zwar gab es einige Fälle, in denen Covid-19-Patienten nach negativen Tests wieder positiv für das Virus waren. Häufig lagen aber nur wenige Tage dazwischen, so dass falschnegative Tests und verschleppte Virenreste der ersten Infektion näher lagen als eine echte Neuansteckung.

Erneut positiv – nach knapp fünf Monaten

Jetzt jedoch könnte es den ersten eindeutigen Fall einer Re-Infektion gegeben haben. Mediziner der Universität Hongkong berichten von einem 33-jährigen Mann, der Mitte März 2020 mit Husten, Fieber, Kopfschmerzen und Halsschmerzen zum Arzt ging und am 26. März positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde. Am 14. April wurde er nach zwei negativen PCR-Tests als gesund aus dem Krankenhaus in Hongkong entlassen.

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Die zweite Infektion wurde durch Zufall bemerkt, als der Mann am 15.August von einer Dienstreise nach Spanien nach Hongkong zurückkehrte und am Flughafen ein Routine-Abstrich auf SARS-CoV-2 durchgeführt wurde. Der Test fiel positiv aus. Der Patient wurde vorsorglich ins Krankenhaus eingewiesen, blieb aber symptomfrei, wie Kelvin Kai-Wang To und sein Team berichten. Er bekam weder Fieber noch zeigten sich krankheitstypische Veränderungen seiner Lunge.

„Der Patient hatte aber erhöhtes reaktives C-Protein im Blut, eine relativ hohe Virenlast und entwickelte im Verlauf der Infektion IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2“, so die Wissenschaftler. „Das spricht dafür, dass es sich hier um eine Episode einer akuten Infektion handelt.“

Virus ist mutiert

Wie aber ist dieser Fall zu erklären? Um das herauszufinden, führten die Forscher eine Erbgutanalyse der im August aus dem Patienten isolierten Viren durch. Diese Sequenzen verglichen sie mit denen, die bereits im März bei seiner Behandlung bestimmt worden waren. Das Ergebnis: „Die Analysen zeigten, dass das erste virale Genom zu einem anderen Stamm von SARS-CoV-2 gehörte als das zweite“, berichten die Wissenschaftler. Beide Virenvarianten unterschieden sich in 24 Nucleotiden.

Den Analysen zufolge hatte sich der Mann bei seiner ersten Infektion im März mit einer Virenvariante angesteckt, die damals unter anderem in England und den USA verbreitet war. Die im August aus seinem Abstrich isolierten Coronaviren waren dagegen von einer Variante, die zu dieser Zeit unter anderem in der Schweiz und England kursierte. Denn ähnlich wie andere Viren auch ist SARS-CoV-2 im Verlauf der Pandemie mutiert und hat Teile seiner Proteinstruktur verändert.

Ähnlich wie bei den Erkältungs-Coronaviren?

Nach Ansicht von To und seinen Kollegen belegen diese Daten, dass es sich bei ihrem Fall um eine echte Re-Infektion handelt – und dass man sich demnach auch nach überstandener Covid-19-Erkrankung noch einmal mit SARS-CoV-2 anstecken kann. Das könnte bedeuten, dass das Coronavirus in dieser Hinsicht den altbekannten Erkältungs-Coronaviren ähnelt: „Eine Re-Infektion kommt bei den saisonalen Coronaviren 229E, OC43, NL63 und HKUI24 häufig vor“, so die Forscher.

Eine mögliche Erklärung für den unvollständigen Immunschutz bei diesem Patienten könnte ihren Angaben zufolge die Mutation von SARS-CoV-2 sein. Die zweite Virenvariante unterschied sich an einigen Stellen des Spike-Proteins von der seiner ersten Infektion. „Weil neutralisierende Antikörper am Spike-Protein ansetzen, könnten die Veränderungen dort das zweite Virus weniger anfällig für diese nach der ersten Infektion gebildeten Antikörper gemacht haben“, erklären To und seine Kollegen.

Kein Einzelfall?

Auch andere Forscher sehen in diesem Fall einen möglichen Beleg dafür, dass eine Neuansteckung bei SARS-CoV-2 prinzipiell möglich ist. „Dies ist sicher ein stärkerer Beweis für eine Re-Infektion als einige der früheren berichte, weil hier die Gensequenz des Virus genutzt wird, um die beiden Infektionen voneinander abzugrenzen“, kommentiert Jeffrey Barrett vom Wellcome Sanger Institute in Großbritannien.

Weil im Fall des Hongkonger Patienten die Zweitinfektion nur durch Zufall entdeckt wurde, halten es sowohl To und sein Team als auch andere Mediziner aber für durchaus wahrscheinlich, dass es noch mehr solcher unerkannter Re-Infektionen geben könnte. Denn wenn die Betroffenen dadurch nicht krank werden, lassen sie sich auch nicht untersuchen oder testen.

Wäre ein Impfstoff trotzdem wirksam?

Was aber bedeutet dies für die Annahmen zum Immunschutz durch eine überstandene Covid-19-Erkrankung? Und für Impfstoffe? „Die Bestätigung der Re-Infektion hat mehrere bedeutende Implikationen: Zum einen ist es unwahrscheinlich, dass eine Herdenimmunität SARS-CoV-2 eliminieren kann“, schreiben To und seine Kollegen. „Zum anderen werden Impfstoffe wahrscheinlich keinen lebenslangen Schutz vor Covid-19 geben können.“

Anderer Forscher sehen diese Schlussfolgerungen jedoch kritisch: „Angesichts der Tatsache, dass wir bisher erst einen Fall kennen, halte ich ihre Schlüsse für viel zu weitgehend“, sagt Barrett. Ähnlich sieht es Paul Hunter von der University of East Anglia: „Die Bedeutung dieses Falls sollte nicht überbetont werden. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass Folgeinfektionen keine so schwere Erkrankung verursachen wie die erste, weil noch Teilimmunität besteht“, so der Mediziner.

Daher könnte seiner Ansicht nach selbst ein nur teilweise wirksamer Impfstoff noch genügend schützen, um schwere Verläufe zu verhindern. „Wir brauchen mehr Information über diesen Fall und weitere Fälle der Re-Infektion, bevor wir die Bedeutung wirklich verstehen“, sagt Hunter. Der Fachartikel von To und Kollegen ist bislang nur in Auszügen verfügbar und auch noch nicht durch eine Peer-Review begutachtet. Teile des Papers sind in diesem Twitter-Thread einsehbar.

Quelle: To et al., South China Morning Post, Science Media Centre

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