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Medizin

Corona: Hepatitis-Mittel machen Remdesivir wirksamer

Wirkstoffe gegen Hepatitis C bieten Chance für neue Kombi-Präparate gegen SARS-CoV-2

SARS-CoV-2 und Remdesivir
Hepatitis-Medikamente können die Wirksamkeit von Remdesivir gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 offenbar deutlich erhöhen. © BlackJack3D/ Getty images)

Zehnfach potenter: Forscher haben einen Weg gefunden, um die Wirkung des Corona-Mittels Remdesivir um das Zehnfache zu verstärken. Ihre Tests enthüllten, dass vier bekannte Hepatitis-C-Mittel auch gegen die Proteasen von SARS-CoV-2 wirken. Zusammen mit Remdesivir können sie die Vermehrung des Coronavirus effektiv hemmen – und eröffnen so neue Optionen für die Covid-Therapie. Möglicherweise könnte daraus sogar ein orales Gegenmittel entwickelt werden.

Trotz der Erfolge bei den Corona-Impfstoffen fehlt für die Behandlung von Covid-19 noch immer ein wirksames Heilmittel. Zwar hilft der Cortison-Wirkstoff Dexamethason bei schweren Verläufen und das antivirale Mittel Remdesivir hemmt im Frühstadium die Vermehrung des Coronavirus. Dies erreicht es, indem es sich als Nucleotidbaustein „ausgibt“ und so den Bau neuer RNA-Ketten blockiert. Doch diese Wirkung ist nicht dauerhaft und der Effekt gegen Covid daher schwach.

Coronavirus-Protease als Ansatzpunkt

Jetzt könnte ein Forschungsteam einen Weg gefunden haben, um die Wirkung von Remdesivir deutlich zu verstärken – und das auf vergleichsweise einfache Weise. Denn es gibt bereits erprobte Medikamente gegen die virale Hepatitis C, die in Kombination mit Remdesivir dessen Wirkung um das bis zu Zehnfache verstärken, wie Khushboo Bafna vom Rensselaer Polytechnic Institute und seine Kollegen in Laborversuchen herausfanden.

Die Idee zum Testen der Hepatitis-Wirkstoffe kam den Forschenden, weil ein entscheidendes Enzym des Coronavirus SARS-CoV-2 dem des Hepatitis-C-Virus (HCV) strukturell stark ähnelt – die Hauptprotease. Ohne dieses Enzym kann das Virus nicht die Proteine herstellen, die es zur Vermehrung seines Erbguts benötigt. Es gilt daher schon länger als vielversprechender Ansatzpunkt für Hemmstoffe gegen SARS-CoV-2.

Hepatitis-Mittel im Test

Für ihre Studie untersuchten Bafna und sein Team zunächst mithilfe eines Computerprogramms, ob zehn bereits entwickelte Proteasehemmer gegen Hepatitis C sich auch an die Protease von SARS-CoV-2 anlagern können. Die virtuellen Experimente ergaben, dass alle zehn HCV-Hemmstoffe in die Bindungstasche der Coronavirus-Protease passen. „Das deutet darauf hin, dass diese Mittel auch auf die Hauptprotease von SARS-CoV-2 hemmend wirken“, so die Forschenden.

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Ob das der Fall ist, prüften sie anschließend an menschlichen Zellkulturen, die mit dem Coronavirus infiziert worden waren. Tatsächlich zeigten sieben der zehn HCV-Mittel eine hemmende Wirkung auf die Vermehrung und Proteaseaktivität des Coronavirus. Zur Überraschung der Wissenschaftler banden vier dieser Wirkstoffe – Simeprevir, Vaniprevir, Paritaprevir und Grazoprevir – aber nicht wie erwartet an die Hauptprotease, sondern an eine zweite Protease von SARS-CoV-2, die Papain-Like Protease (PLpro).

Synergie-Effekt
Synergie-Effekt gegen SARS-CoV-2 bei der Kombination der HCV-Wirkstoffe Simeprevir oder Grazoprevir mit Remdesivir. © Mount Sinai Health System

Zehnfach verstärkte Wirkung

Der Vorteil dieser unerwarteten Hemmwirkung zeigte sich, als das Forschungsteam die Hepatitis-Mittel gemeinsam mit Remdesivir testete. Es zeigte sich: Die vier HCV-Hemmstoffe, die an der PL-Protease ansetzten, verstärkten die antivirale Wirkung von Remdesivir um das bis zu Zehnfache. „Damit sehen wir hier eine vielversprechende Synergie, die zu neuen Mitteln gegen Covid-19 führen könnte, wenn sich diese Wirkung durch weitere Studien bestätigt“, sagt Bafnas Kollege Gaetano Montelione.

Weil die Hepatitis-Mittel bereits klinische getestet sind, könnten sie relativ schnell auch gegen Covid-19 zugelassen werden. „Der kombinierte Einsatz von Remdesivir mit solchen PL-Proteasehemmern könnte ein Game Changer bei der Behandlung von Patienten mit Covid-19 sein“, betont Koautor Adolfo Garcia-Sastre von der Icahn School of Medicine am Mount-Sinai-Hospital in New York. „Zudem könnte es das Risiko für die Entstehung resistenter Mutanten von SARES-CoV-2 verringern.“

Chancen für neue Kombi-Wirkstoffe

Gleichzeitig eröffnet die Wirksamkeit dieser Hemmstoffe gegen die zweite Protease des Coronavirus auch Möglichkeiten, ganz neue Medikamente gegen Covid-19 zu entwickeln. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass PLpro ein wichtiger Ansatzpunkt für antivirale Wirkstoffe sein könnte“, sagt Koautor Robert Krug von der University of Texas in Austin. Gemeinsam mit Polymeraseblockern wie Remdesivir könnten sie das Coronavirus noch wirksamer bekämpfen.

Anders als Remdesivir, das intravenös verabreicht werden muss, könnten solche Mittel in Tablettenform gegeben werden – das macht ihre Anwendung in frühen Stadien der Corona-Infektion einfacher und günstiger. Die vier HCV-Wirkstoffe sind schon in oraler Form verfügbar, ein Polymerasehemmer, der ähnlich wirkt wie Remdesivir, ist bereits in der Entwicklung. „Unser Ziel ist es, eine Kombination oraler Wirkstoffe zu entwickeln, die ambulante Patienten einnehmen können, bevor sie ins Krankenhaus müssen“, erklärt Krug. (Cell Reports, pre-proof; doi: 10.1016/j.celrep.2021.109133)

Quelle: Rensselaer Polytechnic Institute, The Mount Sinai Hospital, University of Texas at Austin

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