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Medizin

Corona: Auf den Immuntyp kommt es an

Spezifische Reaktionen der Immunabwehr begünstigen schwere Verläufe von Covid-19

SARS-CoV-2
Die Reaktion des Immunsystems auf SARS-CoV-2 ist individuell verschieden – es scheint aber Merkmale zu geben, die einen schweren Verlauf ankündigen. © koto_feja/ iStock.com

Wie schwer die Corona-Infektion verläuft, hängt auch von der individuellen Immunantwort ab. Forscher haben jetzt mehrere Immuntypen identifiziert, die mit schweren Verläufen von Covid-19 verknüpft sein könnten. Dazu gehört ein Ungleichgewicht bei bestimmten Immun-Botenstoffen, das schon vor der Wende zum Schlimmeren nachweisbar ist. Außerdem gibt es Unterschiede bei bestimmten Abwehrzellen, wie die beiden Teams in „Science “ berichten.

Ob die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 glimpflich oder tödlich verläuft, hängt nicht nur vom Alter und von Vorerkrankungen ab. Auch die Gene und die individuelle Reaktion des Immunsystems spielen eine entscheidende Rolle. Denn viele Patienten mit schweren Verläufen von Covid-19 zeigen eine überschießende Ausschüttung von entzündungsfördernden Immun- Botenstoffen. Sie ist für den sogenannten „Cytokinsturm“ typisch, der zu einer körperweiten Entzündung, Organversagen und dem Tod führen kann.

Ob es schon Vorzeichen dieser fatalen Entwicklung gibt und wie die Immunantwort mit dem Verlauf zusammenhängt, haben nun zwei Forschergruppen näher untersucht. Dabei standen jeweils unterschiedliche Aspekte der Immunreaktion im Fokus.

Ungleichgewicht bei den Interferonen

Welche Rolle die Immun-Botenstoffe und die sie regulierenden Gene spielen, haben Jérome Hadjadj von der Universität Paris und sein Team erforscht. Für ihre Studie verglichen sie die Konzentrationen verschiedener Interferone und die Genaktivität von 50 Covid-19-Patienten mit 18 gesunden Kontrollen. Das Ergebnis: Covid-Patienten mit schwerem Verlauf hatten nicht nur reichlich entzündungsfördernde Botenstoffe wie Interleukin-6 und TNF-Alpha im Blut.

Bei den schwerkranken Patienten zeigte sich auch ein Mangel des für die Virenabwehr wichtigen Botenstoffs Interferon-Alpha. „Niedrige Plasmagehalte von Interferon-Alpha-2 waren signifikant mit einem erhöhten Risiko für einen kritischen Status korreliert“, berichten Hadjadj und sein Team. Auch die Gene, die die Produktion dieses Interferons regulieren, waren weniger aktiv.

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Klares Botenstoff-Profil – schon vor der Wende zum Schlimmeren

Nach Ansicht der Wissenschaftler ergeben sich damit klare immunologische Unterschiede zwischen eher milden und schweren Verläufen von Covid-19. Das Profil einer schweren, meist tödlich endenden Infektion ist demnach durch einen Mangel an Alpha-Interferonen gekennzeichnet und gleichzeitig eine überschießende Produktion von Interleukin-6 und TNF-Alpha.

Das Interessante daran: „Wir haben beobachtet, dass niedrige Plasmagehalte an Interferon-Alpha schon vor der Verschlimmerung des klinischen Zustands und dem Transfer in die Intensivstation auftraten“, so die Wissenschaftler. Dieses Wissen könnte sich demnach vielleicht dazu eignen, eine drohende Wende zu kritischen Verläufen schon frühzeitig zu erkennen.

Drei Immuntypen bei der zellulären Abwehr

Das zweite Forscherteam um Divij Mathew von der University of Pennsylvania in Philadelphia hat die Reaktion der Abwehrzellen auf die Coronavirus-Infektion untersucht. Dafür verglichen sie Immunzelltypen und ihre Mengen bei 125 schwerkranken Covid-19-Patienten mit denen bei genesenen Patienten mit nur milden Verläufen und bei gesunden Kontrollpersonen. Die Analyse erfolgte mittels Durchflusszytometrie, einem Verfahren, bei dem die zellhaltige Flüssigkeit an Elektroden und Lichtsensoren vorbeigeleitet werden.

Auch hierbei zeigten sich Unterschiede, die die Forscher zu drei Immuntypen zusammengefasst haben. Immuntyp 3 ist demnach durch eine insgesamt schwache zelluläre Immunantwort gekennzeichnet. „Dieser Immuntyp ist negativ mit der Erkrankungsschwere verknüpft“, berichten Mathew und sein Team. „Das spricht dafür, dass eine weniger robuste Immunantwort bei Covid-19 auch mit weniger schweren Verläufen verbunden ist.“

Schwerer Verlauf bei Immuntyp 1 häufiger

Deutlich negativer scheint die Prognose bei Immuntyp 1. Typisch für ihn ist eine deutliche Aktivierung der Botenstoff-regulierenden CD4+-Zellen, verbunden mit einem Mangel an bestimmten CD8+-Zellen. Letztere sind unter anderem an der Abtötung infizierter Zellen beteiligt. Dieser Immuntyp ist besonders oft mit schweren Verläufen und den dafür typischen Entzündungen, Organversagen und Nierenschäden verknüpft, wie die Forscher herausfanden.

Demgegenüber ist Immuntyp 2 offenbar weniger mit einer Verschlimmerung der Infektion verbunden, er zeigt eher eine schon zuvor bestehende Immunschwäche an. Bei diesem Immuntyp 2 ist die CD4+-Aktivierung schwächer, dafür sind bestimmte CD8+-Zellen stärker vertreten. Noch sind diese Immuntypen nur grob bestimmt und viele Patienten lassen sich nur schwer einem klaren Typ zuteilen. Dennoch könnte die Identifizierung dieser Immuntypen möglicherweise dabei helfen, Covid-19-Erkrankte besser zu behandeln und vielleicht sogar ihren Verlauf vorherzusagen – so hoffen jedenfalls Mathew und sein Team. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.abc6027; doi: 10.1126/science.abc8511)

Quelle: AAAS, University of Pennsylvania

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