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Medizin

Coronavirus: Hilft Remdesivir gegen Covid-19?

Klinische Studien des antiviralen Wirkstoffs laufen in China und den USA

SARS-CoV-2
Ein ursprünglich gegen Ebola entwickeltes Mitel könnte gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 helfen. © NIAID-RML

Ebolamittel gegen Covid-19? Sowohl in China als auch in den USA laufen erste klinische Studien mit einem potenziellen Gegenmittel gegen das neue Coronavirus. Es handelt sich um den antiviralen Wirkstoff Remdesivir, der ursprünglich gegen Ebola entwickelt wurde. Dieser erwies sich schon im Tierversuch als wirksam gegen SARS und Mers-CoV. Zudem gibt es erste positive Erfahrungen bei der Behandlung von Covid-Patienten mit dem Mittel.

Bisher gibt es kein Gegenmittel, das die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verhindern oder stoppen kann. Denn bislang ist kein Wirkstoff gegen diesen oder andere Coronaviren wie SARS oder Mers-CoV als Medikament zugelassen. Menschen, die an schweren Verläufen von Covid-19 leiden, können daher nur unterstützend behandelt werden.

Ein Ebola-Mittel gegen Covid-19?

Doch es gibt die Hoffnung, dass sich dies bald ändern könnte. Denn einige antivirale Mittel, die ursprünglich gegen andere Erreger entwickelt worden sind, könnten auch gegen das neue Coronavirus wirken. Erste Tests laufen unter anderem mit einigen Wirkstoffen gegen HIV, mit dem Grippemittel Tamiflu, aber auch mit Wirkstoffen, die im Tierversuch und ersten Tests gegen die verwandten Viren SARS und Mers-CoV wirksam waren.

Als bislang vielversprechendster Kandidat gilt dabei das antivirale Mittel Remdesivir des US-Pharmakonzerns Gilead. Dieser Wirkstoff wurde ursprünglich gegen das Ebola-Virus entwickelt, erwies sich bei klinischen Studien im Jahr 2014 jedoch als wenig effektiv. Dafür aber zeigte Remdesivir in Tierversuchen gute Wirkung gegen andere RNA-Viren, darunter auch die Coronaviren SARS und Mers-CoV. Remdesivir hat zudem schon erste Tests an gesunden Probanden und Ebola-Patienten durchlaufen und sich darin als verträglich erwiesen.

Wie wirkt Remdesivir?

Remdesivir ist ein sogenanntes Nukleotidanalog. Der Wirkstoff ähnelt in Teilen seiner Struktur den RNA-Bausteinen, die RNA-Viren zur Replikation ihres Erbguts benötigen. Dadurch täuscht er die viralen Enzyme, die die Erbgutstränge bei der Virenvermehrung zusammenbauen und sabotiert gewissermaßen ihre Arbeit: Remdesivir wird von den Enzymen statt der Nukleotidbausteine in die Viren-RNA eingebaut.

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„Wenn der Wirkstoff einmal in die wachsende RNA eingebaut ist, kann sich das Virus nicht länger replizieren“, erklärt Matthias Götte von der University of Alberta. Er und sein Team haben gerade in einer Studie untersucht, wie dieses Prinzip beim Einsatz von Remdesivir gegen Coronaviren wie SARS und Mers-CoV abläuft. Dabei zeigte sich: Es gibt zwar leichte Unterschiede gegenüber dem Wirkmechanismus gegen Ebola – die „Sabotage“ funktioniert aber in beiden Fällen.

„Nachdem Remdesivir zur wachsenden RNA-Kette hinzugefügt wurde, verursacht dies keinen unmittelbaren Stopp“, berichten Götte und sein Team. Stattdessen kann das Virenenzym noch drei weitere Bausteine anhängen, bevor dann die RNA-Synthese aufhört. Dafür scheint dieser verzögerte Stopp den Wirkstoff vor einem vorzeitigen Herausschneiden aus der RNA-Kette durch ein virales Enzym zu bewahren, wie die Forscher feststellten.

„Ich bin vorsichtig optimistisch, dass die Ergebnisse, die unser Team für Remdesivir gegen Mers-CoV gefunden hat, auch für Covid-19 gelten“, sagt Götte.

Lunge
Das Coronavirus SARS-CoV-2 befällt vor allem Atemwege und Lunge. © DrMicrobe/ iStock.com

Erste Hinweise auf Wirksamkeit gegen Covid-19

Tatsächlich gibt es bereits erste ermutigende Erfahrungen mit Remdesivir aus China und den USA, wo das Mittel bei einigen Patienten gegen das neue Coronavirus eingesetzt wurde. In den USA erhielt ein Covid-Patient den Wirkstoff am siebten Tag seiner Erkrankung und schon am nächsten Tag waren seine Symptome deutlich zurückgegangen, wie Mediziner im New England Journal of Medicine berichteten. In Wuhan und Peking laufen zudem seit einigen Wochen Studien mit gut 700 Covid-Patienten.

Allerdings gibt es bislang nur erste Eindrücke zur Wirksamkeit des Mittels, keine harten Daten: „Obwohl Remdesivir bereits einigen Patienten mit Covid-19 verabreicht worden ist, haben wir bisher nicht genügend verlässliche Daten um zu wissen, ob es wirklich den Verlauf beeinflusst“, betonte Anthony Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID).

Neue Studien in Asien und den USA

Deshalb laufen nun weitere klinische Studien mit Remdesivir an. Im Medical Center der University of Nebraska in Omaha werden zurzeit Covid-Patienten mit Lungenentzündung in einer randomisierten klinischen Studie mit dem Wirkstoff behandelt. Sie erhalten dafür am ersten Tag der Behandlung 200 Milligramm Remdesivir intravenös, an den Folgetagen jeweils 100 Milligramm, wie das NIAID mitteilte. „Eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie ist der Goldstandard um herauszufinden, ob eine experimentelle Therapie den Patienten hilft“, sagt Fauci.

In Asien starten zwei weitere Studien mit insgesamt 1.000 Covid-Patienten, bei denen das Mittel in ähnlicher Dosierung verabreicht wird. In diesen Tests soll ermittelt werden, ob der Wirkstoff sowohl bei schweren als auch mittelschweren Verläufen der Erkrankung wirkt und ob die Behandlung fünf oder zehn Tage lang anhalten muss. „Diese ergänzenden Studien helfen uns, in kurzer Zeit eine breitere, globale Datenbasis zum Wirkprofil des Mittels zu erhalten“, sagt Merdad Parsey, Medizinischer Forschungsleiter bei Gilead.

Was kann man erwarten?

Die Ergebnisse der klinischen Studien werden Anfang April erwartet. Sollte sich Remdesivir gegen SARS-CoV-2 bewähren, würde dies zwar nicht die Ausbreitung des Coronavirus stoppen. Es hilft aber dabei, Todesfälle durch Covid-19 zu verhindern. Allerdings räumt auch Götte ein, dass Remdesivir allein wohl nicht als Gegenmittel gegen die Pandemie ausreicht.

„Wir werden wahrscheinlich mehr als ein Medikament brauchen, um gegen neu auftretende Erkrankungen wie Covid-19 zu kämpfen“, so der Forscher. „Idealerweise haben wir mehrere Wirkstoffe in petto, weil einige Virenstämme sich als resistent gegenüber bestimmten Behandlungen erweisen könnten.“ (Journal of Biological Chemistry, 2020; doi: 10.1074/jbc.AC120.013056)

Quelle: University of Alberta, Gilead, Clinicaltrials.com

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