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Gentechnik

Chemie-Nobelpreis für CRISPR/Cas9

Werkzeug zur DNA-Editierung hat eine neue Ära der Gentechnik eingeläutet

CRISPR
Die Genschere CRISPR/Cas9 hat die moderne Genetik und Gentechnik fundamental verändert.© Johan Jarnestad/ Swedish Academy of Sciences

Der Nobelpreis für Chemie 2020 geht an Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna – die Entdeckerinnen der Genschere CRISPR/Cas9. Sie entwickelten damit eines der wichtigsten Werkzeuge der modernen Gentechnik und Biomedizin. Als erste entwickelten sie das von Bakterien erzeugte Konstrukt aus einem DNA-Abschnitt – CRISPR – und einem Enzym – Cas9 – so weiter, dass es das Erbmolekül DNA punktgenau schneiden und Genteile austauschen kann.

Mit ihr lassen sich die Gendefekte von Erbkrankheiten reparieren, Alzheimer-Mutationen korrigieren und sogar das Erbgut des Coronavirus SARS-CoV-2 zerschneiden: Die Genschere CRISPR/Cas9 ist heute aus der modernen Biomedizin und Genetik kaum mehr wegzudenken. Denn sie erlaubt es erstmals, zielgenau und relativ einfach einzelne Abschnitte oder sogar nur Einzelbasen aus dem Erbmolekül herauszuschneiden und durch andere DNA-Sequenzen zu ersetzen.

Die Genschere CRISPR/Cas9 ist genau, günstig und so einfach einzusetzen, dass selbst Gentechnik-Laien den Dreh schnell raus haben. Forscher vergleichen die Bedeutung dieser Methode mit der des Volkswagen für die Automobil-Industrie – sie ist zur Allerweltstechnologie geworden. Schon im Jahr 2015 wurde die Genschere zum Durchbruch des Jahres gekürt.

Vom bakteriellen Viren-Abwehrmechanismus…

Möglich wurde dieser Meilenstein der Gentechnik vor allem durch die Arbeiten von Emmanuelle Charpentier von der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin und Jennifer Doudna von der University of California in Berkeley. Sie haben als erste eine funktionsfähige und auf die jeweils gewünschten DNA-Sequenz anpassbare Version der Genschere entwickelt.

Ihre Forschungen setzen an einem bei Bakterien entdeckten Immunmechanismus an: Um sich gegen eindringende Viren zu wehren, nutzen die Mikroben einen bestimmten Teil ihres Erbguts, die „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ – kurz CRISPR – um virale DNA-Sequenzen zu erkennen und sie dann mit Enzymen zu zerschneiden. Doch im Labor gelang es zunächst nicht, das aus Bakterien isolierte CRISPR zu aktivieren.

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…zur maßgeschneiderten Genschere

Den Durchbruch brachte erst die 2011 von Charpentier erlangte Erkenntnis, dass offenbar ein weiteres Molekül, die sogenannte tracrRNA für das Erkennen und Zerschneiden der Fremd-DNA nötig war. Gemeinsam entwickelten Charpentier und Doudna dann eine Version der Genschere, in die die tracRNA bereits eingebaut ist. Über diese „Guide-RNA“ ermöglichte ihr Konstrukt es nun, gezielt bestimmte DNA-Abschnitte als „Ziel“ vorzugeben.

CRISPR/Cas9
So funktioniert die Genschere CRISPR/Cas9. © Johan Jarnestad/ Royal Swedish Academy of Sciences

Möglich ist dies, weil der Code der Guide-RNA von CRISPR/Cas9 quasi eine Art Negativ des gesuchten Genstücks enthält. Dort wo dieses Negativ an den Gencode der zu editierenden DNA passt, lagert sich die Genschere an und das Enzym Cas9 schneidet das Stück heraus. In Laborversuchen testeten Charptentier und Doudna ihre Entwicklung mit fünf verschiedenen Zielvorgaben – und in allen Tests schnitt die Genschere exakt dort, wo sie sollte. 2012 veröffentlichten die Mikrobiologinnen ihre Ergebnisse – und lösten eine Revolution in der Genforschung aus.

„Eine enorme Macht, die uns alle beeinflussen wird“

Inzwischen ist CRISPR/Cas9 zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Geneditierung geworden. Sie wird eingesetzt, um in der medizinische Forschung gezielt bestimmte Gene von Versuchstieren auszuschalten oder ihrem Genom beim Menschen vorkommende Gendefekte zu verleihen. Dies ist entscheidend, um beispielsweise bestimmte Erbkrankheiten erforschen zu können. Die Genschere wird aber auch genutzt, um das Erbgut von Nutzpflanzen so zu verändern, dass sie beispielsweise Schwermetalle, Hitze oder Trockenheit besser vertragen.

In der Medizin eröffnet die Genschere neue Möglichkeiten für Gentherapien gegen Erbkrankheiten oder auch Immuntherapien gegen Krebs. Bei Mäusen ist es schon gelungen, das HI-Virus in Zellen zu zerstören, die erbliche Muskelschwäche Duchenne zu heilen oder den Gendefekt der Sichelzellen-Anämie zu reparieren.

„Dieses genetische Werkzeug hat eine enorme Macht, die uns alle beeinflussen wird“, sagte Claes Gustafsson, Vorsitzender des Nobel-Komitees für Chemie bei der Preisverkündung. „Die Genschere hat nicht nur die Grundlagenforschung revolutioniert, sondern auch innovative Nutzpflanzen geschaffen und sie wird zu bahnbrechenden medizinischen Behandlungen führen.“

Doch es gibt auch Schattenseiten

Allerdings: CRISPR/Cas9 eröffnet auch ethisch bedenkliche Möglichkeiten, ins menschliche Erbgut einzugreifen. So haben Forscher in China erstmals ein Abwehrgen gegen HIV in das Erbgut von befruchteten menschlichen Eizellen eingeschleust und zwei Kinder mit dieser Genveränderungen wurden im Jahr 2018 geboren. Das Bedenkliche daran: Ein solcher Eingriff verändert nicht nur die Gene der Träger, sondern auch die aller ihrer Nachkommen. Denn auch die Keimzellen dieser Mädchen tragen diese Genveränderung in sich – es ist ein Eingriff in die menschliche Keimbahn.

Bedenken gegen einen solchen tiefgreifenden Einsatz am Menschen gibt es auch deshalb, weil die Genschere zwar sehr genau ist, aber nicht fehlerlos. Sie kann daher in manchen Fällen auch unerwünschte und potenziell schädliche DNA-Veränderungen hervorrufen. Hinzu kommt, dass das Einschleusen neuer Gene noch unerkannte Spätfolgen verursachen kann. Auch bei den beiden CRISPR-Mädchen in China könnte das der Fall sein: Das ihnen eingepflanzte Gen kann die Lebensdauer verkürzen.

Quelle: nobelprize.org

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