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Medizin

„Bodyguard“ schützt Tumor

Genetisches Schutzprogramm gegen Sauerstoffmangel fördert Krebswachstum

Krebs-Tumorzelle © NASA

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 17.000 Menschen an Nierenkrebs. Bei den meisten dieser Tumore liegt ein Gen-Defekt vor, der ein genetisches Schutzprogramm gegen Sauerstoffmangel aktiviert. Dieser Mechanismus schützt jedoch auch Tumorzellen und ermöglicht ihnen ein rasches und aggressives Wachstum. Jetzt ahben Forscher herausgefunden, dass das so genannte Hypoxie- induzierte Gen 2 (HIG2) eine wichtige Rolle in der Biologie des Nierenzellkarzinoms spielen könnte.

Rund 70 Prozent der bei Erwachsenen in Deutschland diagnostizierten Nierenzellkarzinome werden durch einen meist spontan auftretenden Defekt im „von Hippel-Lindau“-Gen verursacht. Dies bewirkt unter anderem, dass in den betroffenen Zellen ein molekularer Schalter, der „Hypoxie- induzierbare Faktor“ (HIF), permanent angeschaltet ist. Das durch ihn aktivierte Notfall-Programm der Zelle hilft gesunden Zellen normalerweise, Sauerstoffmangel zu überstehen. Dabei wird unter anderem der Stoffwechsel der Zelle auf eine sauerstoffunabhängige Form der Energiegewinnung umgestellt und die Bildung neuer Blutgefäße angeregt.

Notfallprogramm begünstigt Tumorwachstum

Leider fördert dieses Notfall-Programm aber auch das Überleben von Tumorzellen. Denn die verbesserte Sauerstoffversorgung durch die gesteigerte Bildung von Blutkapillaren ermöglicht dem Tumor ein rasches, weitgehend ungehindertes Wachstum. Das genetische Programm der Zellen, das durch HIF angeschaltet wird, ist jedoch sehr komplex, vom Zelltyp abhängig und noch nicht in allen Details verstanden. Es ist beispielsweise noch nicht geklärt, ob HIF auch mitverantwortlich ist für die Entartung und das unkontrollierte Wachstum, das aus einer gesunden Zelle eine Tumorzelle macht.

In Zellkulturen hat die Arbeitsgruppe um Christina Warnecke und Michael Wiesener an der Universität Erlangen bereits vor einigen Jahren begonnen, die Funktion des „Hypoxie-induzierbaren Faktors“ genau zu analysieren und neue Zielgene zu identifizieren, die für die Tumorentwicklung eine Rolle spielen könnten. Dabei stießen sie auf das „Hypoxie-induzierte Gen 2″ (HIG2), das in allen untersuchten Zelltypen auffällig stark durch Sauerstoffmangel hochreguliert wurde. Auch in allen Nierenzellkarzinomen, die die Wissenschaftler untersuchen konnten, war das HIG2-Gen massiv aktiviert, während dies in gesunden Nierenzellen nicht nachweisbar war.

Neue Zellkulturen ermöglichen gezieltere Erforschung

Über die Funktion von HIG2 war jedoch noch sehr wenig bekannt. Um diese aufzuklären, wurden im Labor von Warnecke Zellkulturen hergestellt, die HIG2 in einem Ausmaß produzieren, wie es typischerweise unter Sauerstoffmangel oder in Nierenzellkarzinomen beobachtet werden kann. Dadurch kann die Funktion von HIG2 isoliert untersucht werden ohne den Einfluss anderer Faktoren, die durch Hypoxie hochreguliert werden.

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In einem weiteren Ansatz soll HIG2 in Zellen, die unter Sauerstoffmangel kultiviert werden, ausgeschaltet werden. In beiden Modellen werden anschließend mögliche Veränderungen der Zellbiologie, wie Wachstumsverhalten und Beweglichkeit der Zellen, und Änderungen der zellulären Genexpression analysiert.

Gen als Botenstoff zwischen Krebszellen?

HIG2 wird sehr wahrscheinlich auch aus den Zellen ausgeschleust. Dies macht das Gen noch unter zwei weiteren Gesichtspunkten für die Tumormedizin bedeutsam. Zum einen könnte es damit als Botenstoff zwischen benachbarten oder sogar, wenn es über das Blut transportiert würde, weit entfernt liegenden Zellen wirken. Dies könnte gleichzeitig bedeuten, dass seine Funktion leichter therapeutisch zu beeinflussen wäre als diejenige von Faktoren, die nicht aus den Zellen ausgeschleust werden.

Zum anderen könnte der HIG2-Gehalt des Blutes zur Diagnose und Therapiekontrolle bei Nierenzellkarzinomen genutzt werden. Nicht vollständig entfernte Tumore und Metastasen wären möglicherweise durch Blutuntersuchungen nachweisbar. Die Erlanger Wissenschaftler wollen daher auch ein System aufbauen, das den Nachweis von HIG2 im Blutserum ermöglicht. Die Ergebnisse dieser Studie können einen wichtigen Beitrag leisten zum Verständnis der Rolle des „Hypoxie-induzierbaren Faktors“ und seines Zielgens HIG2 bei Nierenzellkarzinomen und möglicherweise einen neuen Ansatzpunkt für Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung

eröffnen.

(Wilhelm Sander-Stiftung, 27.03.2008 – NPO)

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